Von Wolfgang Will
Die Boeing 737 MAX war für die Triebwerke, mit denen sie bestückt war, weder entworfen noch entwickelt oder gebaut worden. Diese Feststellung impliziert nicht, dass dies die Ursache ist für die jüngsten Katastrophen – zwei sturzflugartige Abstürze binnen weniger Monate, die zu einem weltweiten Flugverbot dieser Maschine führte. Aber es muss doch näher erläutert werden, was vom Hersteller Boeing und den Fluggesellschaft sowie den Zulassungsbehörden nicht genügend erläutert wird:
Die Boeing 737, seit fünf Jahrzehnten am Himmel und das meist verkaufte Passagierflugzeug der Welt (mehr als 10 500 Exemplare), sollte durch die Baureihe MAX 800 und 900 noch attraktiver und begehrenswerter werden. Das war mit den seit 1967 gebräuchlichen Triebwerken nicht möglich. Deshalb wurden die Baureihen MAX mit sparsameren Düsenmotoren des US-Herstellers CFM International bestückt. Die allerdings waren speziell für den neuen Airbus A320 NEO entwickelt worden. Sie sind leiser als andere Triebwerke, vor allem aber sparsamer im Verbrauch – bis zu 18 Prozent weniger Kerosin. Das allein war natürlich verlockend für Boeing, seine neue 737-Generation damit auszustatten.
„Man bestückt einen VW-Käfer auch nicht mit einem Porsche-Motor“
Aber diese Triebwerke haben andere Dimensionen als jene, die bisher bei den 737 verwendet werden. Sie sind rund 20 Zentimeter größer (Durchmesser) und passen auch eigentlich nicht unter die Flügel der 737 MAX. Sie müssen deshalb anders montiert werden als bei den herkömmlichen Boeing 737 – im Detail: Die Konstruktion, mittels der sie mit den Flügeln ver“zahnt“ werden, mussten verlängert werden. Doch keineswegs genug damit. Diese Triebwerke der Bezeichnung „Leap 1B“ hängen bei den MAX-Modellen nicht mehr wie bei den herkömmlichen 737 u n t e r den Flügeln, sondern d a v o r. Die Stimme einer deutschen Journalistin und Porsche-Fahrerin dazu, mit diesen Details konfrontiert: „Man würde doch einen VW-Käfer auch nicht mit einem Porsche-Motor bestücken“.
Veränderung im Flugverhalten
Derartige Modifizierungen müssen nicht, aber können – trotz vielfacher Erprobungen – zu Veränderungen im Flugverhalten führen. Genau darauf, so verlautet aus Luftfahrtkreisen Kaliforniens, machten MAX-Piloten immer wieder aufmerksam. Zu ihrer Überraschung – und sicher ihrem Erschrecken – tendierten die MAX-Maschinen vor allem kurz nach dem Start dazu, sich nach steilem Aufstieg in eine Art Sturzflugkonfiguration zu begeben. Das mussten die Piloten, so wieder die Kalifornien-Quelle, „per Hand“ korrigieren, weil das der Autopilot – wohl darauf nicht programmiert – nicht tat. Hierbei hatten Piloten wohl nicht selten enorme Schwierigkeiten.
Boeing nahm das letztlich zur Kenntnis und reagierte – vielleicht nicht gründlich genug: In die MAX-Typen wurde eine Software (MCAS – Maneuvering Characteristics Augmentation System) integriert, die automatisch dann reagieren sollte, wenn sich das „Sturzflugphänomen“ bemerkbar machte. Die MAX-Piloten wurden darauf mit etwa 40 Extra-Trainingsstunden vorbereitet. Zu dieser „Nachschulung“ hatte schon Ende 2018 die US-Flugbehörde FAA (Federal Aviation Administration) aufgefordert.
Das „Sturzflugphänomen“
Noch einmal: Diese Veränderungen im Ursprungsdesign der so erfolgreichen und beliebten Boeing 737 müssen nicht zu den beiden MAX-Katastrophen geführt haben. Aber bemerkenswert sind diese Tatsachen schon. Es ist einmalig, so viele Recherchen dazu, dass Piloten es äußerst schwer haben, nach einem steilst möglichen Start eine Art „Normalfluglage“ herzustellen. Und es ist nicht minder selten, dass dafür nachträglich eine Hilfssoftware entwickelt und eingebaut wird, die vom Piloten nicht oder nur mangelhaft korrigiert werden kann.
Und jetzt soll eine korrigierte oder gar völlig neue Software das Problem der MAX-Flieger lösen? Können die MAX 8 und MAX 9 der 737er Baureihe aus dem Haus Boeing dadurch bei Besatzungen und Passagieren einen gewaltigen Image-Verlust wettmachen – und die Furcht vor diesen Typen beseitigen? In den USA, wo mit einem generellen Flugverbot der MAX-737 für mehrere Monate gerechnet wird, haben Stewardessenvereinigungen schon angekündigt, nicht auf diesen Maschinen zu arbeiten.
Weltweiter Ansehensverlust
Außer einem weltweiten Ansehensverlust muss Boeing – übrigens von einem deutschen Einwanderer begründet – mit Millionen Strafzahlungen rechnen. Die Billig-Airline Norwegian war die erste, die sich damit zu Wort meldete.
Die erste herkömmliche 737 – Reihe 100 – erhielt übrigens im Dezember 1967 die Lufthansa. Von der 737er Reihe sind derzeit im Schnitt 2 000 Maschinen gleichzeitig in der Luft. Weltweit startet oder landet alle zwei Sekunden eine 737. Bis auf TUI fliegt keine deutsche Gesellschaft die MAX-Modelle – und die von TUI sind im Ausland stationiert.
Die deutschen Gründer: Der Bergbauingenieur Wilhelm Böing (1846 bis 1890) verließ 1868 mit seiner Frau Marie Ortmann das heimatliche Limburg an der Lenne/Sauerland und wanderte in die USA aus. Mit einem Bauholzhandel wurde er dort sehr schnell reich. Am 1. Oktober 1881 wurde dem Paar der Sohn Wilhelm Eduard geboren. Um 1900 änderte der seinen Namen in William Edward Boeing. 1915 baute er in Seattle sein erstes Flugzeug – aus Holz. Seine Firma Pacific Aero nannte er ab 1917 Boeing Airplane Company – Grundlage einer der erfolgreichsten Flugzeugwerke der Welt.
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