Von Kärstin Weirauch
Im Herzen des Mittelmeers gelegen, hat Apulien schon seit Urzeiten als Brücke zum Orient gedient. Dank seiner zentralen Lage wurde es von unterschiedliche Völkern und Kulturen durchzogen und spielte eine entscheidende Rolle in der Geschichte Italiens, aber auch des gesamten Mittelmeerraumes. Der Salento, heute sogar mehr wie damals ein Land der Begegnung und des Austausches, offen nach Osten hin wie nach Westen, ein Grenzland, wo die Kulturen, Völker und Sprachen sich vermischen und verbinden.
Apuliens grünes Gold und kulturelle Schätze
Apulien sollte man nicht schnell durchfahren. Apulien sollte auch nicht nur saisonale Kulisse für tolle Urlaubsfotos sein. Es gibt dort mehr als Strand und Sonne. Eine Reise durch Apulien ist eine Reise durch viele Zeitalter: unzählige Denkmäler und Kunstwerke bezeugen heute noch eine an Ereignissen reiche Vergangenheit. Dieses uralte kulturelle Erbe bildet heute oftmals die Grundlage für zukunftsorientierte Projekte, die stark in der Mittelmeerregion verwurzelt sind und doch eine europäische Dimension verfolgen sollen. Bedauerlich, dass wir auf unserer jüngsten Reise immer mehr abgestorbene Olivenbäume sahen. In Apulien schädigt das Bakterium „Xylella fastidiosa fastidiosa“ die Olivenbäume, selbst oftmals Jahrhundertealte Bäume sterben ab. Übertragen wird das sogenannte Feuerbakterium durch ein Insekt namens Wiesenschaumzikade. Olivenbauern beklagen die großen Verluste. Mittlerweile, so erfuhren wir im April 2025, breitet sich auch ein die Mandelbäumen schädigendes Bakterium aus. An Gegenmitteln werde geforscht.
Noch zählen die Olivenbäume zu Apuliens wichtigsten landwirtschaftlichen Ressourcen. So ist die Pflanze auch zum regionalen Symbol geworden. Auf unserer knapp dreiviertelstündigen Autofahrt von Brindisi (Flughafen) nach Mesagne (20 Kilometer entfernt von Brindisi) ragten Olivenbäume links und rechts der Autobahn wie kleine ländliche Kathedralen empor. Plantagen mit jungen Olivenbäumen und Plantagen mit alten Olivenbäume, deren Stämme runzelig, knorrig und verwachsen sind und die patriarchisch in der Landschaft stehen, wechselten einander ab. Die älteren Bäume wurden von alten Zweigen befreit, wohl auch, um der grassierenden Krankheit der Olivenbäume Einhalt zu bieten. Junge Anpflanzungen, so erhoffen die Bauern, sollen resistent gegen die Krankheit sein. Mögen die Olivenbauern mit ihrem Tun Erfolg haben und sie somit ihre Existenz noch lange erhalten können. Das Olivenöl ist neben dem apulischen Wein ein Reichtum, das den hier lebenden Menschen ihr Auskommen sichert.
Mesagne – eine liebenswerte Stadt
Während unserer Reise sind uns viele freundliche Menschen begegnet, die gerne über ihre Landschaft, ihrer Städte und Dörfer Auskunft geben. Sie sind stolz auf das, was sie schaffen und geben es gern kund. Wie zum Beispiel zum „Tag des Heiligen Josephs“, den wir in Erchie (rund 15 Kilometer von Mesagne) erleben durften. Darüber lest ihr hier mehr.
Die kleine Stadt Mesagne ist ein beliebter Urlaubsort und oft auch ein Ausgangspunkt für eine Reise durch den Süden Apuliens. Sie liegt in der Mitte zwischen dem Hafen von Brindisi und der Königsstadt Oria. Ein Blick in die Historie klärt auf: Erste Siedlungsspuren lassen sich auf das 8. Jahrhundert datieren. In der Altstadt, zwischen der Porta Grande und der Chiesa Madre, wurde ein kleines archäologisches Gräberfeld mit Überbleibseln, die bis in die Eisenzeit zurückreichen, freigelegt. Im römischen Zeitalter führte auch die berühmte Via Appia Antica durch Mesagne, deren Verlauf heute die Schnellstraße SS 7 von Brindisi nach Tarent nachzeichnet. Im frühen 15. Jahrhundert erweiterte vor allem Giovanni Antonio Orsini del Balzo das normannisch-staufische Kastell aus dem 11. Jahrhundert zum stattlichen Schloss. So steht es in der Chronik. Die Burg von Mesagne und der Turm stammen aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. In den 1970er Jahren kaufte die Gemeinde das Schloss und baute es zu einem sehenswerten Museum aus.
Museo del Territorio Ugo Granafei (Archäologiemuseum)
Heute beherbergt die vorbildlich restaurierte Wehranlage am Altstadteingang das Museo del Territorio Ugo Granafei. Präsentiert werden darin unter anderem bedeutende Amphoren, Votivgaben sowie Schmuck aus einer Vielzahl von frühgeschichtlichen und klassischen Gräber, die in und um Mesagne ausgegraben wurden. Ein Rundgang lohnt. Die Dauerausstellung ist museumspädagogisch perfekt aufgearbeitet. Man kann, was oft noch in deutschen Museen undenkbar ist, auch Exponate anfassen, ertasten, erfühlen. Freilich sind diese Amphoren täuschend echte Nachbildungen.

Das Castell von Mesagne
Den schönsten Blick hat man auf die wehrhafte und bei Dunkelheit im Sommer stimmungsvoll illuminierte Kastellanlage mit ihren zinnenbewehrten Türmen von der Piazza Vittorio Emanuele II. aus. Hier war auch unser Treff- und Ausgangspunkt für einen Streifzug durch das historische Zentrum. Natürlich schauten wir auch von der Dachterrasse des bezaubernden Palazzo Savino, unserem Innenstadthotel, auf die pittoreske Altstadt.

Blick von der Terrasse des Palazzo

Das Mural auf einem Gewerbe- und Kulturhof zeigt: jeder Zentimeter des Untergrundes von Mesagne birgt archäologische Geheimnisse.
Porta Grande (Großes Tor)
Die Porta Grande ist der Haupteingang zur Altstadt, das Tor geht auf den Wiederaufbau im Jahr 1784 zurück, gilt als größtes Zeugnis der alten Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert. Auch das heutige charakteristische herzförmige Stadtzentrum hat seinen Ursprung im 16. Jahrhundert.
Boutique-Hotel Palazzo Savino
Unweit des Porta Grande, mitten in zentraler Altstadtlage, bfindet sich das schöne Boutique-Hotel „Palazzo Savino“. Es war unsere Herberge für drei Nächte. Komfortable, gut und modern eingerichtete Zimmer laden zum mehrtägigen Aufenthalt ein. Ein Plus ist die große Gemeinschafts-Dachterrasse, wo man es sich bei einem Glas Wein so richtig gut gehen lassen kann. Außerdem hat man von hier aus einen schönen Blick auf Schloss und Kirchenlandschaft.

Blick von der Terrasse des Palazzo
Auch eine kleine Bibliothek lädt im Hotelparterre zum Verweilen ein. Familien sind willkommen.

Von der Wand blicken die Urahnen des heutigen Hotelbesitzers in den Salon. Dort gibt es auch das überaus reichhaltige Frühstück.
Wir bezogen ein Zimmer im ebenerdigen Gewölbezimmer des Palastes. Uns hat gefallen, dass wir neben einem kleinen Kühlschrank auch einen Wasserkocher sowie eine Kaffeemaschine vorfanden. Außerdem funktionierte das WLAN ausgezeichnet. Den Fernseher benötigten wir nicht. Ein kleiner Tisch mit zwei Sesseln, ein Doppelbett, eine offene Ablage für Kleidung sowie ein sehr sauberer Sanitärtrakt lassen nichts vermissen. Wenn es zu kalt oder zu warm ist, bringt eine Heizung/Klimaanlage schnell Wärme in den Raum.

Hoteldirektor Rainero Lomatiere, der das Innere des Palazzo Savino designet hat.

Im Sommer halten die dicken Kalksteinmauern die Hitze draußen.
Das sehr freundliche Servicepersonal erfüllt jeden Wunsch. Auch bei der Planung von Ausflügen, Ausleihe von Fahrrädern u. a. Wünschen sind die Mitarbeiterinnen behilflich. Zum Frühstück kommen vor allem lokale und regionale Produkte auf den Tisch. Capuccino, Espresso oder Tee sind die gängigen morgendlichen Getränke. Säfte und Wasser inclusive. Für das Müsli stehen verschiedene Produkte auf dem Tisch. Kleine süße Backwaren runden das Frühstück ab. Für Menschen mit Handicap ist dieses Boutique-Hotel eher nicht geeignet.
Von hier aus starteten wir unsere kleine Stipvisite nach Erchie, Cantina Tenute Bellamarina sowie nach Melendugno und Rocca Vechia.
Adresse: Palazzo Savino
Via Geofilo, 1, 72023 Mesagne (BR)
Überall finden sich ruhige PlätzchenMesagne präsentiert sich einladend und touristenreundlich. Überall im Ort sind die Sehenswürdigkeiten gut ausgeschilder. Die historische Stadtstruktur, also das centro storico, ist in Form eines Herzes angelegt worden. Ist das Zufall ?
Und so begleiten uns auch Herzen in allen Variationen beim Stadtrundgang.
An einer Allee, hin zur Säule der Heiligen Jungrfrau Maria, werden wir mit in Stahlblech geschnittenen Tafeln mit den Berühmtheiten der Stadt vertraut gemacht. Eine tolle Idee, schaut hier:
Hier noch einige fotografische Impressionen aus Mesagne, der liebenswerten Kleinstadt im Salento.
Sicher wird eines Tages auch Toni Matarelli, der in Krefeld (Nordrhein-Westfalen) geborene Bürgermeister von Mesagne, dort gewürdigt. Er empfing uns in seinem Amtszimmer mit seiner ihm innewohnenden herzlichen und zupackenden Art. Dieser Bürgermeister kann stolz auf das Erreichte sein. Er wünscht sich mehr Touristen und Touristinnen in seiner schönen Statd, die abseits im „Land zwischen den Meeren“ liegt. Hotels und liebenswerte Pensionen gibt es genug, sagte er uns.

Toni Mattarelli, der in Krefeld geborene Bürgermeister von Mesagne.
„Piccolo Cinema Ken Loach“
In Messagne gab es lange Zeit kein Kino mehr. Diesen Zustand wollte eine Gruppe Teenager im Alter von 11 bis 18 Jahren nicht länger hinnehmen. Sie eröffneten auf der Piazza Edestibili, mitten im Herzen der Stadt, mit Unterstützung der Kommunalverwaltung einen Kinosaal. Das kleine Kino wird vollständig von den Teenagern verwaltet: von der Auswahl der gezeigten Filme, dem Kartenverkaufs, der Reinhaltung des Saales und vieles mehr. Mich haben die Mädchen und jungen, die uns gemeinsam mit ihrer Betreuerin Floriana Pinto das hoffnungsfrohe Projekt vorstellten, begeistert.
Die Teenager haben ihr Projekt dem international renommierten englischen Regisseur Kean Loach gewidmet, weil sie sich in seinen Filmen wiederkennen, die von Solidarität, sozialer Ungerechtigkeit, Ungleichheiten erzählen. Für die jungen Kinofans ist das Kinoprojekt ein Ort der Kommunikation, in dem sie ihre Ideen und Vorstellungen einbringen können. Gemeinsames Schauen der Filme, danach ins Gespräch kommen, sich austauschen – für die Schülerinnen und Schüler sind das wichtige Momente der Geselligkeit, der Begegnung und des Austausches. Unter Anleitung ihrer Lehrerin Floriana Pinto kümmern sie sich um ihr Projekt nach der Schule, freitags bis sonntags ist die „Hauptarbeitszeit“.

Blick in den Kinosaal
Mit Stolz verwiesen sie darauf, dass sie ca. 40 alte Kinosessel vor der Vernichtung gerettet haben. Sie sind heute das älteste Ausstattungsmobilar des Kinosaals. Die Arbeit an ihrem Projekt macht den Teenagern soviel Spaß, dass sich einige vorstellen können, nach der abgeschlossenen Schulzeit als Schauspieler, Skriptschreiber oder sogar Regisseur eine Ausbildung zu beginnen.
Hier geht es zur Homepage bzw. der Facebookseite.
Danke Carmen Mancarella für die Einladung und Betreuung wärend der Tour.
Offenlegung: An- und Abreise bezahlten wir selbst.
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