Ob in Potsdam, Brandenburg, Dresden, Hamburg oder Flensburg – kaum hatte unser Sohn ein Schiff mit hohem Schornstein entdeckt, vielleicht auch noch die weithin hörbaren typischen Signaltöne des historischen Dampfers, kam in ihm der Wunsch auf, „eine Dampferfahrt zu machen“. Dabei interessierte nicht so sehr die Umgebung, die das Dampfschiff passierte, sondern eher die Technik, die so ein Schiff „am Laufen“ hielt. Und so ein Schiff lief nicht von allein, Menschen mussten und müssen bis heute die Wirkungsweise einer Dampfmaschine kennen und beherrschen.
Egal, ob Dampfmaschine im Schiff oder in der Lokomotive. Und wenn man dann noch das Glück hat, auf Enthusiasten zu treffen, denen es Spaß und Freude macht, Laien für ihr Hobby zu begeistern, dann macht eine Dampferfahrt doppelt Freude. Gern denken wir an die Begegnungen mit Kerstin und Lothar Bischoff, dem Eigner-Ehepaar von DS „Nordstern“ in Brandenburg, zurück. Lothar war auch mehrere Jahre in Potsdam Dampfmaschinist auf DS „Sachsenwald“. Wir sind uns sicher, dass sie dem jungen Team um Maximilian Schultz mit Rat und Tat zur Seite gestanden hätten. Es gab für die Brandenburger nichts Schöneres, die „Nordstern“ und später dann bis vor Corona DS „Gustav“ über die Havel und Seen gleiten zu sehen und zu hören, den Klang des Schiffes in sich aufzunehmen und sich weit weg zu träumen, etwa zum Göta-Kanal. Da wo sich Lothar und Kerstin Bischoff (vor Lothars viel zu frühem Ableben) noch eine Schiffsreise gönnten. Siehe hier Lothars Reisebericht.
Und kürzlich gab es wieder so ein Erlebnis, das uns an die Potsdamer und Brandenburger Dampfschiff-Zeit vor Corona (das letzte Mal fuhren wir auf DS Gustav im Sommer 2021) erinnerte. Eigentlich wollten wir zur Ausstellungseröffnung ins Barberini, liefen über die Lange Brücke und hörten von weitem das eindringliche Signalhorn des Dampfschiffes „Gustav“. Sofort waren wir uns einig, sollte es eine Dampferfahrt in naher Zeit geben, werfen wir unser Tagesprogramm um und machen eine „Dampferfahrt“ mit. Das Glück war uns hold, Karten gab es auch noch und so schipperten wir dank der fleißigen Crew um 12.30 Uhr vom unterhalb des Mercure gelegenen Hafens los. Die eineinhalb Stunden vergingen buchstäbdlich wie im Flug. Flugasche beschmutzte uns nicht (wie einige ältere Damen befürchteten). Aber es gab jede Menge zu sehen, zu hören, zu erleben (bis hin zum „Taschenflug“ ins Wasser).
Ausrangiert und gerettet
In einem Beitrag, erschienen in der Schweizer „Dampferzeitung“ 1/1997 beschreibt Heinz Trost, der wohl beste Kenner der Berliner und Brandenburger Schifffahrtsgeschichte sehr detailliert über die Historie des Schleppdamapfers Gustav: die Stilllegung, den Besitzerwechsel an den Spandauer Hans Möritz, der ein Herz für den alten Dampfer hatte. „Zum Abwracken viel zu schade.“ Mit seinem einzigen Mitarbeiter begann Möritz die Restaurierung und den Umbau zum Fahrgastdampfer zu planen. „Nach Entfernen der Aufbauten und Demontage des Schornsteins wurde das wertvollste Stück und Herz des Schiffes, die guterhaltene, aber überholungsbedürftige Dreifachexpanionsmschine ausgebaut, in die Werkstatt genommen und konserviert. Improvisiert wurde der Dampfer auf’s Trockene (glattes Deck eines zum Abwracken bestimmten Frachtschiffes) gelegt. Zwei Autokräne hoben den Dampfer „Gustav“ im August 1989 auf’s „Trockendock“, die Arbeiten konnten in aller Ruhe und ohne Zeitdruck beginnen. Für Heinz Trost erscheint es besonders erwähnenswert, dass nur zwei Leute mit den Arbeiten befasst waren. „Solche Schiffsrestaurierungen in Eigenarbeit gehören zu den Seltenheiten.“ In diesem Zusammenhang erinnert er auch an das unermüdliche Engagement von Ingenieur Christoph Lebek, der über 10 Jahre lang allein seinen Doppelschraubendampfer „Geheimrat Garbe“ (ex Forelle) wieder fahrbereit machte. (aus: Heinz Trost, Schleppdampfer Gustav, in: Dampferzeitung, 26. Jahrgang, 1/1997, S. 29 bis 32)

Schweißtreibende Arbeit im Kesselhaus, die beiden Flammrohrkessel brauchen viel Kohle… 150 kg pro Tour.
„Gustav“ – heute mit Volldampf voraus unterwegs
Später fuhr Dampfer „Gustav“ unter der Regie der Weißen Flotte Potsdam bzw. der Haveldampfschifffahrt (auch wieder eine spannende Geschichte), bis die Corona-Pandemie das Aus für das Dampfschiff brachte brachte. Es fehlte der nötige Platzabstand, um so viele Gäste unterzubringen, dass das Geschäft wirtschaftlich gut über die Runden zu bringen war. Dann kündigte der langjährige Schiffsmaschinist Oliver und Kapitän Uli Kuhberg ging in Rente. Und jetzt kommt Maximilian Schulz ins Spiel. Vom „Stillliegen“ wird nichts besser. Ein junger Mann nahm sich Mitte 2024 des Dampfschiffes an. Da war er 28 Jahre alt. Aber: bereits als Siebenjähriger machte seine Großmutter mit ihm „Ausflüge“ auf dem Dampfschiff. So entwickelte der technikbegeisterte Junge seinen Traum, eines Tages den Dampfer selbst unter „Dampf“ zu bringen und „in See zu stechen“. In jeder freien Minute, so berichtete er uns, war er auf dem Schiff, half hier und dort, aber fühlte sich bei der Dampfmaschine und im Kesselhaus am wohlsten. Auch später, nach der Lehre bei der Weissen Flotte, Lehrgängen als Dampfmaschinist und Kesselwärter sowie einer Tätigkeit in Hildesheim, hatte er nur ein Ziel: Dampfschiff Gustav.
Familie, Freunde und viele Enthusiasten unterstützten ihn dabei, seinen Traum wahr werden zu lassen. Aber am intensivsten und unermüdlichsten arbeitete er an sich selbst. Vertrauen in sich selbst, Mut, Visionen und Bescheidenheit – all das zeichnet den heute 29jährigen jungen Mann aus. Seine Familie kann stolz auf ihn sein. Er startet im April 2025 mit einer enthusiastischen Crew in die erste Saison. Wir drücken ihnen die Daumen, dass der Oldtimer möglichst lange unter Dampf in den havelländischen Gewässern fahren kann und immer mehr Anhänger findet, die ihn wirtschaftlich auf eine gute Fahrt bringen.
Filmtipp: Wer mehr über „Gustav“ erfahren will, wie beispielsweise die Briketts aus der Lausitz in den Rumpf des Technikveteranen kommen, wie Schiffsführer Detlef Storch sich in die Finessen eines Dampferkapitäns einarbeitet oder wie es die Heidelbergerin Anna Priegnitz schafft, mit ihrem Gastroteam besonders bei Musikabenden die Gäste kulinarisch zu versorgen, dem empfehlen wir den tollen Film von Bildtonwerk Potsdam. Ein Wunder, dass dieser 40-Minuten-Film noch nicht im Fernsehen zu sehen war, zeigt er doch am Beispiel der Wiederinbetriebnahme des maritimen „Wahrzeichen von Potsdam“, wozu Überzeugung, Mut und jede Menge Unternehmergeist auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten in der Lage sind.
Wir planen schon weitere „Dampferfahrten“. Anlässe gibt es genügend: Geburtstage, Hochzeitstag, Dank für Nachbarschaftshilfe oder einfach nur, mal wieder auf dem Dampfschiff bei einer abendlichen Rundfahrt zu träumen. Übrigens kann man jetzt auf der ersten Fahrt am Tag (10.30 Uhr) auch frühstücken. Oder auf der Abendfahrt bei Live-Musik die Landschaft genießen: Riverboat shuttle und Jazz an Bord haben eine lange Tradition in Potsdam.

Gastrochefin Anna Priegnitz bedient mit Leidenschaft ihre Gästre
„Kommen Sie einfach an Bord und dampfen Sie mit uns“, lädt Max Schulz ein.
Schaut, wann das Schiff wohin fährt und ob es noch Karten gibt, hier die Seite vom Dampfschiff Gustav.
Videolink
https://youtube.com/shorts/aWcYkwfyglA?feature=share
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