Wer kennt die Pferde, nennt die Namen . . .
Wer kennt die Pferde, nennt die Namen . . . tja, so könnte man Schillers Ballade „Die Kraniche des Ibykus“ persiflieren („Wer kennt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen“), hat man im bayerischen Rottach-Egern einmal den alljährlich stattfindenden Rosstag erlebt. Den gibt es seit 1958, damals war sein Motto „d`Fuhrleut kemman zamm“ – Die Fuhrleute kommen zusammen. Initiator war der 2007 verstorbene Thomas Böck, der damit die Gílde der Kutscher ehren wollte.
In diesem Jahr nun beging dieses Fest seinen 50. Geburtstag, und wer jetzt einen Rechenfehler vermutet, liegt sowohl richtig als auch falsch: Dieser 50. Geburtstag sollte 2018 begangen werden, aber da wurde er wegen drohender Unwetter abgesagt. Deshalb also das Jubiläum 2019. Das endete zwar auch in einem gewaltigen Regensturm mit Blitz und Donner – aber da ging das Volksfest, das Liebhaber aus ganz Europa an den Tegernsee lockt, auch schon (fast) zu Ende.
Alles, was auch nur irgendwie mit Ross und Reiter zu tun, trifft sich dann an einem Sonntag im August am Tegernsee. Tausende Zuschauer säumen die etwas über fünf Kilometer lange Strecke, die der farbenprächtige Zug – zu ihm gehören auch echt-bajuwarische oder Südtiroler Trachtenkapellen – zurücklegt. In der Hälfte der Strecke zwischen Rottach und dem Festplatz in Enterrottach werden Tiere und Menschen gesegnet – an der Rosskapelle in Elmau wartet Pfarrer Monsignore Walter Waldschütz mit dem Weihwasser.
An die 200 festlich geschmückt Pferde zogen viele Dutzend Wagen, auf denen wiederum Hunderte begeisterte und trachten mäßig gekleidete Männer, Frauen und Kinder ihrer Heimat huldigten. Einige der berühmten bayerischen Brauereien warteten mit Zehnergespannen auf. Diese äußerst stämmigen Brauereipferde haben büschelige Schweife, die bis zu den hinteren Hufen reichen – und ebenfalls bunt geschmückt sind. Rottachs Bürgermeister Christian Köck: „So haben die Römer den Kelten das Fürchten gelehrt“. Nicht weniger bejubelt wie diese Römer wurden die Soldaten und Mulis der Gebirgsjägerbrigade Bad Reichenhall. Großen Applaus heimsten auch die Goaßschnalzer ein, das sind jene Bauernburschen, die mit langen Peitschen geradezu melodiös und lautstark drauflos knallen.
Der Rosstag am Tegernsee, der sechs Kilometer lang, zwei Kilometer breit und bis zu 72 Meter tief ist, dokumentiert auf eindrucksvolle und überzeugende Weise die enge Verbundenheit von Mensch und Pferd. Die Beziehung zwischen beiden ist ein paar tausend Jahre alt:
Wahrscheinlich waren es Steppenvölker Ostasiens, die um 3500 v. Chr. in die Region Ural-Aralsee vordrangen und dort kleine, Pony-artige Wildpferde vorfanden. Die wurden schnell gezähmt, domestiziert – und geritten. Plötzlich war der Mensch schnell wie ein Tier. Geritten wurde ohne Sattel und Bügel, dirigiert wurde das Pferd mittels eines Hanfseils. Bald wurde das Pferd auch Lastenträger. Das Rad war noch nicht erfunden, aber Lasten – etwa Baumstämme – konnten mit Hanfseilen gebunden von den Pferden über weite Strecken geschleift werden. Die Menschen damals erkannten schnell auch das Potential des Pferdes bei kriegerischen Auseinandersetzungen. So fielen die Stämme der Hethiter 1600 v. Chr. sogar mit Kriegswagen in Kleinasien – heutige Türkei – ein. Die Skyten entwickelten sich zu einem gefürchteten Reitervolk, und um 1700 vor Christus waren die Kelten mit ihren Pferden in ganz Europa heimisch.
Es wird geschätzt, dass es um 1900 weltweit rund 100 Millionen Pferde gab. Diese Zahl ist inzwischen auf 75 Millionen zurück gegangen.
Eine Ehrenbezeugung wird ihnen alljährlich mit dem Rosstag am Tegernsee zuteil. Touristische Kleinode sind Tegernsee, Rottach-Egern und Bad Wiessee, Gmund ist zudem im Kommen. Vielsterne-Hotels sind ebenso vorhanden wie sehr preiswerte Pensionen.
Fotos: Tegernsee Tourismus Hansi Heckmair
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