Noch mehr Pfuscharbeit kann man sich bei einem namhaften Weltunternehmen kaum vorstellen – bei Boeing aber, dem einen von nur zwei Riesen dieser Branche, ist die erschreckende Realität. Deshalb auch geht der amerikanische Flugzeughersteller regelrecht am Stock – wenn er mal nicht schon am Boden liegt. Die Milliardenverschuldung wächst von Tag zu Tag . . . Am verheerendsten für das Ansehen und die Bilanzen des US-Flugzeugbauers waren die Abstürze der beiden 737MAX mit insgesamt 346 Todesopfern. Dieses Modell war mit unglaublich vielem Vorschusslorbeer bedacht worden, so dass es für den Hersteller nur „Pilotenfehler“ als Ursache gab. Dieses Ablenkungsmanöver von der Eigenverantwortung erwies sich aber als verlogen: Schnell sickerte durch, dass in die 737MAX ohne Wissen der Pilotenvereinigung eine Software der Bezeichnung MCAS eingebaut worden war.
Und die war nicht nur fehlerhaft – sie erwies sich als tödlich. Dieses MCAS-System war dazu gedacht, die Maschine vollautomatisch fliegen zu lassen. Sie wurde auch „Nase-runter-Ding“ genannt, denn bei zu starkem Anstieg sollte diese Software die Maschine automatisch nach unten, in die Schwebe oder das Gleichgewichtig senken. Das tat sie bei den zwei verunglückten Maschinen wohl auch, aber das „Nase runter“ ging über die Schwebe hinaus, so dass die Flugzeuge immer tiefer – und das wohl auch ziemlich schnell – fielen. Dessen aber keineswegs genug – schlimmer: Die einmal so eingestellte Fluglage ließ sich von den Piloten nicht korrigieren. So war der Absturz vorprogrammiert. Quasi „sehenden Auges“ ging es in den Tod.
Es dauerte lange, bis Boeing dies zugab. Aber Piloten weltweit übten Druck aus. Vor allem indonesische. Denn die eine 737Max, die im Oktober 2018 in den Pazifik stürzte, gehörte der indonesischen Liniengesellschaft Lion Air. Und aus deren Kreisen verlautete, dass Boeing sich geweigert hatte, die Piloten an einem Simulator mit dem MCAS-System zu trainieren. Boeing, so darf geschlussfolgert werden, wollte die 737Max schnellstens verkaufen. Und das massenhaft. Massenhaft nunmehr parken rund 800 dieser Maschinen am Boden, denn seit Anfang 2019 haben sie Flugverbot. Verhängt von der US-Flugaufsicht FAA, akzeptiert von Boeing, initiiert weltweit von jenen Fluggesellschaften, die diese Maschinen eingesetzt hatten: Das betrifft rund 400 Maschinen. Etwa die gleiche Anzahl steht bei Boeing auf Halde – fertiggestellt, bevor die Amerikaner die Produktion stoppten.
„Eigentlich“, so das Wort aus dem Hause Boeing, sollten die Maschinen schon „zwischen Mitte und Ende 2019“ wieder verkauft werden und fliegen dürfen – Pustekuchen. Die Mängel an der 737MAX abgesehen von der fehlerhaften Software – sind so gravierend, dass dieser Typ vielleicht nie wieder abheben darf. „Clowns müssen diese Maschine konzipiert haben“, soll ein US-Flugexperte gesagt haben. Wie sehr insgesamt bei Boeing gepfuscht wurde, geht auch aus dieser unglaublich klingenden Tatsache hervor: In den Flügeltanks der 400 noch nie ausgelieferten und bei Boeing geparkten Maschinen wurden bei einer kürzlichen Inspektion Werkzeuge und große Stofffetzen entdeckt. Von den Handwerkern einfach „vergessen“. Sie hätten weitere Abstürze verursachen können. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Äußerung von Präsident Donald Trump, der ja für sein „America First“ bekannt ist – er nannte Boeing eine „herbe amerikanische Enttäuschung“.
Boeing ist zweifellos ins Straucheln geraten. Belegschaft und Geschäftsführung geben sich geradezu desillusioniert. Die Entwicklung der „Maschine der Zukunft“ – Modell 797 – wurde gestoppt. Im Gegensatz zum europäischen Konkurrenten Airbus stagnieren die Verkäufe aller Boeing-Modelle. Allein die Kosten, die mit der 737Max-Pleite zusammenhängen, werden auf rund 20 Milliarden Dollar veranschlagt. In dieser Summe inbegriffen sind Entschädigungen, die an Fluggesellschaften zu entrichten sind – weil sie ihre 737MAX nicht einsetzen dürfen. Boeing liegt am Boden. Was noch kein K.o. bedeuten mag.
Boeing übrigens ist deutschen Ursprungs: Ein Wilhelm Böing, geboren 1846 im sauerländischen Hohenlimburg, wanderte 1868 in die USA aus. In Seattle baute er zunächst Boote, gründete aber 1916 die Pacific Aero. Aus diesem Unternehmen wurde ein Jahr später die Boeing Airplane Company.
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