Das Havelland zieht uns zu allen Jahreszeiten in seinen Bann. Die durchziehende Havel gab ihm seinen Namen. Zur Zeit begeistern uns ihre wabernde Nebelschwaden links und rechts der Havelufer. Und natürlich die Kraniche, die sich in den feuchten Havelauen ausgesprochen wohl fühlen. Doch wo ist der Ursprung des Flusses, der uns immer wieder in seinen Bann zieht? Fast nebenbei finden wir eine Antwort auf unsere Frage. Wir sind auf den Spuren von Heinrich Schliemann, der uns eigentlich von Kindheitstagen an interessierte. Als Leseratten und als Träumer von großen Abenteuern griffen wir immer wieder zu dem Buch von Heinrich Alexander Stoll „Der Traum von Troja. Lebensroman von Heinrich Schliemann“, erstmals in Leipzig 1956 erschienen, danach bis 2002 noch in zahlreichen Auflagen.
200. Geburtstag von Heinrich Schliemann
2022 wird der 200. Geburtstag von Heinrich Schliemann (1822-1899) gefeiert. Für uns Anlass, mit unseren Kindheitserinnerungen auf Reise zu gehen.
Wir kommen zur Schliemanngemeinde (seit 2010) Ankershagen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte, 2019 im ehemaligen Pfarrhaus bereits im Vorfeld des großen Jubiläums eine wunderbare Ausstellung über den Troja-Ausgräber eröffnet wurde. Eine erweiterte Dauerausstellung, die nicht kurzfristig aus dem Boden gestampft wurde, wie es oft bei Jubiläen der Fall ist. Das Museum kann auf eine 40-jährige Geschichte zurück blicken. Alles begann 1956 mit der Idee von Heinrich Alexander Stoll, der sich für eine Bronze-Gedenktafel am Pfarrhaus, dem Haus, in dem Heinrich Schliemann prägende Kindheitsjahre verbrachte, einsetzte. Sie sollte Schliemann aus der Vergessenheit holen und wurde 1959 am Pfarrhaus angebracht. Für interessierte Ankershagener Bürgerinnen und Bürger mag diese Tafel wie eine Mahnung gewirkt haben: „Vergesst den Schliemann nicht!“ Schließlich gründete man 1978 einen Schliemann-Beirat, der Schliemanns Wirken in einer kleinen Ausstellung würdigen sollte. Es war schwierig, denn wie sollte man einen Großkaufmann und Multimillionär zu DDR-Zeiten würdigen? Doch der Beirat war hartnäckig, gab seine Ziele nicht auf. Schon im Dezember 1980 konnte im Pfarrhaus die Schliemann-Gedenkstätte eingerichtet werden, fünf Jahre später erhielt diese den Museumsstatus. Nach der politischen Wende gründete sich aus dem Beirat der Förderverein des Museums, heute die Schliemann-Gesellschaft. Es ist schön, dass hartnäckiges bürgerschaftlichen Engagement so ein tolles Museum auf den Weg brachte und dem Museum bis heute auch Unterstützung bietet. So gab es durch die Schliemann-Gesellschaft im vergangenen Jahr eine Finanzspritze zum Einbau einer Gasheizung. Auch helfen Mitglieder der Gesellschaft beispielsweise bei der Digitalisierung der Archiv- und Bibliotheksbestände und erarbeitet auch wissenschaftliche Begleittexte für Bereiche der neuen Dauerausstellung. Das Museum selbst wird durch eine MuSeEn GmbH betrieben, die ständig bemüht ist, das Museum attraktiver zu machen. Sanierung und Einbau der Dauerausstellung sind ausschließlich aus Geldern des Bundes, des Landes und des Landkreises finanziert worden.
Für den Besuch der Ausstellung sollte man sich Zeit lassen. Von ursprünglich drei Räumen weitete sich die Exposition auf zehn Räumen aus. Denn „Schliemann war nicht nur der Troja-Ausgräber, sondern vieles mehr: Sohn, Bruder, Ehemann, Vater, Freund – Kaufmann, Bänker, Archäologe – Kosmopolit, Zweifler, Phantast und Multimillionär.“ – wie uns Diplom-Museologin Undine Haase, die Leiterin des Museums, erklärt.
Fünf Räume der Dauerausstellung machen uns mit dem Leben Schliemanns bekannt, fünf Räume mit dem Archäologen Schliemann. In allen Räumen arbeitet man mit modernster Medientechnik, die für die unterschiedlichsten Besucher- und Altersgruppen nutzbar ist und eine sehr gute Ergänzung/Erweiterung der Ausstellung ist.
Es ist schon erstaunlich, wie man auf kleinstem Raum so eine Fülle an Ausstellungstechnik, nicht nur digitale, unterbringen kann. Die präsentierten Forschungsergebnisse sind keinesfalls ermüdend, im Gegenteil, sie bauen eine Spannung auf. Man möchte immer mehr über den Menschen Schliemann mit seinen „Stärken, Schwächen und Zweifeln“ erfahren. So facettenreich wie das Leben und die Arbeit Schliemanns war, so facettenreich ist auch die Ausstellung.
Über 90 Originalfunde aus den verschiedenen Grabungsschichten in Troja sind die Attraktion in der Ausstellung, Das Museum für Ur- und Frühgeschichte Berlin stellte diese zur Verfügung. Originell ist ihre Zurschaustellung in „Setzkästen“ des alten Fachwerks.
Und natürlich kann man nicht alles auf einmal in kurzer Zeit erfassen. Rechtzeitig zum Jubiläum ist der ehemalige Pferdestall mit Unterstützung des Landkreises Mecklenburger Seenplatte zu einem Vortragsgebäude umgebaut und modernisiert worden. Auch an die gastronomische Betreuung der Gäste ist gedacht worden. Wir machen bei einer Tasse Kaffee und einem Pott Suppe eine Pause, tauschen uns mit der freundlichen Mitarbeiterin des Museumscafes über unsere Eindrücke aus und erfahren von ihr von den vielen Aktivitäten, die es auf dem Museumsgelände gibt. Und dabei spielt auch immer wieder das „Trojanische Pferd“, das wir erstmals im anderer Ausführung im Winkelmann-Museum Stendal kennenlernten, eine Rolle.
Es ist das zweite hölzerne Pferd. Frau Haase erzählt: „Das erste stand 21 Jahre vor dem Museum und war altersschwach und reparaturbedürftig. Durch Fördergelder und kleine und große private Spenden konnte das Pferd der 2. Generation zeitgleich mit der neuen Ausstellung eingeweiht werden.“ Es ist ein Wahrzeichen des Museums und ebenfalls ein beliebtes Spielelement. Ein archäologischer Sandkasten gehört dazu. Hier möchte man noch einmal Kind sein.
Viele Veranstaltungen zum Jubiläum geplant
Nicht nur für die Schliemanngemeinde Ankershagen ist dieses Schliemann-Museum ein Leuchtturm in der Region sondern weit darüber hinaus. Dank der Schliemann-Gesellschaft und weiteren Akteuren konnten neben der Ausstellung im Museum auch das Archiv und die Bibliothek auf- und ausgebaut werden. Gegenwärtig bereite die Gesellschaft zusammen mit der Universität Rostock eine internationale Konferenz aus Anlass des 200. Geburtstages von Schliemann vor, wie Dr. Reinhard Witte, der Vorsitzende der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft, im Vorwort zum sehr informativen Begleitband zur Dauerausstellung schreibt. Als wir im Oktober 2021 das Museum besuchten, konnten wir den Katalog bereits erwerben und somit unseren Museumsbesuch und das Wissen über Heinrich Schliemanns so vielfältiges Leben vertiefen. Im Jubiläumsjahr kommen wir wieder, auch um Heinrich Schliemann in der damaligen Medienwelt anzuschauen..
Hier das aktuelle Programm des Schliemann-Museums. www.schliemann-museum.de
Auch ein Besuch der Kirche und des Friedhofs gegenüber dem Schliemann-Museum lohnt. Das 2008 mit finanziellen Mitteln der Heinrich-Schliemann-Gesellschaft und anderer Spender restaurierte Grabkreuz von Schliemann Mutter fällt auf. Ihr Sohn Heinrich ließ es 1858 aufstellen.
Doch zurück zu unserem Ausgangspunkt, der Suche nach der Havelquelle. Im Wappen von Ankershagen symbolisiert eine Wellenleiste die in der Nähe liegenden Havelquellseen, die Eichelblätter symbolisieren den umfangreichen Waldbestand der Umgebung. Mit dem Anker, dem 1342 nachweisbaren Siegelbild derer vom Anker, soll an den mutmaßlichen Gründer des gleichnamigen Ortes erinnert werden.
Diesen Anker findet man auch auf der Kirchentür in der gegenüberliegenden Feldsteinkirche, in der der Vater von Heinrich Schliemann als Pastor wirkte. Acht Jahre seiner Kindheit verbrachte Heinrich Schliemann in dem Dorf. Ihn faszinierten hier die Zeugnisse der Vergangenheit und die vielen Sagen, die seine Phantasie anregten. Das Museum bietet für interessierte Besucher einen Schliemann-Wanderweg an( 7 und13 Kilometer), der unter anderem an der Havelquelle und vielen Orten, die Schliemann in seiner Selbstbiografie erwähnt, vorbei führt.
Sein Vater weckte in dem jungen Heinrich das Interesse für Homers Schilderungen in der „Ilias“ und „Odyssee“. „Und so soll er Weihnachten 1829 als Achtjähriger den Entschluss gefasst haben, das legendäre homerische Troja auszugraben.“ Ein spannendes Ziel, das sein weiteres Leben bestimmte. Wer mehr erfahren möchte, der besuche das Schliemann-Museum in Ankershagen.
Wir suchen trotz Regens an unserem Besuchsnachmittag noch die Havelquelle. Den Weg dahin erfahren wir von einer freundlichen Museumsmitarbeiterin. Vom Schliemann-Museum aus biegen wir rechts auf die Hauptstraße ab, nach etwa 500 Meter geht es wieder rechts ab, ein Hinweisschild auf die Havelquelle weist uns den Weg, linkerhand vorbei an dem heute leerstehenden Schloss (das wir uns gut als Übernachtungsmöglichkeit vorstellen könnten) kommen wir nach wenigen Kilometern zu einem Parkplatz, von dem es noch fußläufig einige hundert Meter bis zur Quelle sind. Nach einer kleinen regnerischen Rast geht es zurück zum Auto. Wir sind froh, mit dem Auto gekommen zu sein. Ursprünglich wollten wir mit dem Fahrrad zur Havelquelle.
Da das Fahrradfahren immer beliebter wird und Ankershagen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht zu erreichen ist, sollte man sich schon auf sein eigenes „Fortbewegungsmittel“ besinnen. Museumsbesuch in Ankershagen und ein Ausflug in die nähere Umgebung der Mecklenburgischen Seenplatte (u.a. Ivenacker Eichen mit Baumkronenpfad und einige Gutshäuser und Schlösser sowie schmucke Dörfer sind lohnende Urlaubsziele.
Sehr aussagekräftig und reich bebildert: Begleitkatalog durch die ständige Ausstellung: Heinrich-Schliemann Museum. Schliemanngemeinde Ankershagen/Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Neubrandenburg 2021. ISBN 978-3-9823541–1-8. erhältlich im Museumsshop.
Mehr über die Schliemann-Gesellschaft erfahrt ihr unter: www.heinrich-schliemann-gesellschaft.de
Wie kommt man hin ?
Ankershagen kann man nur mit Auto, Motorrad oder Fahrrad erreichen,
Unser Lesetipp
Leonie Hellmayer: Der Mann, der Troja erfand, Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Welche Spuren Heinrich Schliemann bis heute in der Archäologie hinterlassen hat, widmen sich mehrere Ausstellungen, eine Auswahl:
Schliemanns Welten
- Mai – 6. November 2022
Museumsinsel Berlin, James-Simon-Galerie + Neues Museum, Sonderausstellung des Museums für Vor- und Frühgeschichte – Staatliche Museen zu Berlin
Schliemann-Museum Ankershagen: Die Selbstinszenierung des Troja-Ausgräbers Heinrich Schliemann in der Medienlandschaft des 19. Jahrhunderts, eine Ausstellung des August-Boeckh-Antikezentrum der Humboldt-Universität Berlin
Archäologische Sammlung des Heinrich-Schliemann-Instituts der Universität Rostock kann auf Anfrage besichtigt werden. Führungen finden in regelmäßigen Abständen statt.
Gerade erschienen ist die Biografie von Frank Vorpahl
Weitere Informationen zum Urlaubsland Mecklenburg-Vorpommern gibt es hier.
einfachraus.eu besuchte auch die Heinrich-Schliemann-Gedenkstätte in Schliemanns Geburtsort Neubukow.
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