„Münter und Kandinsky“, der Film von Regisseur Marcus O. Rosenmüller, erobert sich gegenwärtig in den Kinos die Gunst des Publikums. Anfang des 20. Jahrhunderts lebt und malt die gebürtige Berlinerin Gabriele Münter gemeinsam mit ihrer großen Liebe, dem Russen Wassily Kandinsky im bayerischen Murnau am Staffelsee. Die Provinz wird zum Ausgangpunkt eines künstlerischen Aufbruchs in die Moderne, der Malerei und Kunstverständnis revolutioniert und die lockere Künstlerbewegung „Der Baue Reiter“ hervorbringt. Eindrucksvoll berührend wird die Lebens- und Liebesgeschichte des Künstlerpaares dargestellt. Künstlerisch produktiv, privat eher immer krisenvoller. Münter verzweifelt immer mehr, Kandinsky wird missmutiger. Schließlich trennt der Erste Weltkrieg ihre Wege. Kandinsky geht 1914 zurück nach Russland, Münter überlebt in Dänemark und Schweden, in der Hoffnung, doch noch eines Tages Kandinskys Ehefrau zu werden.

Kandinsky und das Bauhaus

Doch Kandinsky heiratet in Russland ein zweites Mal. Seine Frau Nina kommt mit ihm nach Deutschland zurück, als Walter Gropius ihn 1921 im Alter von 55 Jahren als Lehrer an das Bauhaus beruft. Seine einstige Malschülerin und 11 Jahre jüngere Lebensgefährtin Gabriele Münter und er werden sich nie wieder sehen, ein klärendes Gespräch zwischen den beiden wird es nie geben. Was für eine Geschichte ! Beide überleben die Zeit des Nationalsozialismus. Sie in Murnau, er in Deutschland, wo er 1928 die deutsche Staatsbürgerschaft annahm, „auch in der Hoffnung, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Sein unabhängiger Geist und seine Hingabe an die Form als künstlerisches Ausdrucksmittel brachten ihn jedoch später am Dessauer Bauhaus in Konflikt mit Gropius’ Nachfolger Hannes Meyer, der zielstrebig einen ‚funktionell-kollektivistisch-konstruktiven“ Ansatz‘ verfolgte. Dem konnte Kandinsky nicht folgen. „Seine eigenen Erfahrungen mit dem Kollektivismus in der Sowjetunion hatten kein gutes Ende genommen und bestärkten ihn in seinem Glauben an die Bedeutung der individuellen Freiheit des Künstlers“.

Kandinsky in Frankreich

Nach der Auflösung des Bauhauses 1933 blieb Kandinsky zunächst optimistisch. „Als er seine Kunstwerke nicht mehr verkaufen konnte und keine Einkommen mehr hatte, verließ er Deutschland im Dezember 1933 widerwillig in Richtung Paris. 1939 erhielt er die französische Staatsbürgerschaft und lebte unter der deutschen Besatzung, die sein Werk als „entartet“ diffamierte, mehr oder weniger unbehelligt. Er starb 1944 in Paris.“ (Katalog zur Ausstellung Bauhaus und Nationalsozialismus, S. 212-213) Gabriele Münter rettete seine Kunstwerke und die der anderen  „Blauen Reiter“ über die Zeit des Nationalsozialismus hinweg im Keller ihrer Hauses in Murnau. Sie legte die Kunstwerke in eine Stiftung und übergab diese vor ihrem Tod 1962 an das Lenbach-Haus in München. 

Bauhaus als bedeutendste Kunstschule der Moderne

Das Bauhaus ist die bedeutende Kunstschule der Moderne. Gegründet 1919 in Weimar, 1925 nach Dessau vertrieben, musste sie 1932 nach Berlin übersiedeln und löste sich 1933 unter dem Druck der nationalsozialistischen Regierung endgültig auf.

Bauhausgebäude in Dessau

Bauhausgebäude in Dessau

Auch danach arbeiteten Bauhäuslerinnen und Bauhäusler weiter in vielen gestalterischen Bereichen Deutschlands. Moderne und Nationalsozialismus – das war eben nicht der unvereinbare Gegensatz, sondern ein besonders komplexes Verhältnis, das sich auch heute noch einfachen Bewertungen entzieht. Dieses Desiderat – die Lücke zwischen der öffentlichen Wahrnehmung des Bauhauses und dem neusten Forschungsstand sachlich, faktenbasiert, wertungsfrei und ohne jedwede Infragestellung der unschätzbaren historischen Leistung zu schließen – hat sich die vielbeachtete Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ 31 Jahre nach der wegweisenden, in Kooperation zwischen dem Architekturmuseum der TU München und dem Bauhaus-Archiv Berlin realisierten Publikation Bauhaus-Moderne im Nationalsozialismus. Zwischen Anbiederung und Verfolgung (1993) zur Aufgabe gemacht. Es ist Zeit für eine Neubetrachtung.“ (Dr. Annette Ludwig, Direktorin der Museen der Klassik Stiftung Weimar). Auch wenn die Ausstellung mit den 450 gezeigten Exponaten im Museum Neues Weimar, im Bauhaus Museum und im Schiller-Museum beendet ist, der opulente Katalog der Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ bleibt als differenziertes Nachschlagewerk. Interessant die Zahlen:  von 1919 bis 1933 hatte das Bauhaus 1253 Studierende, etwas über ein Drittel waren Frauen. Von 119 Lehrkräften waren nur neun Frauen. Der NSDAP traten 170 Bauhäusler und 18 Bauhäuslerinnen bei, 15 waren Mitglied der SA, 14 der SS.

Metallgestalterin Marianne Brandt

Ein Kapitel widmet sich dem Schaffen der 1893 in Chemnitz geborenen Marianne Brandt. Sie bestimmte durch ihre Entwürfe wesentlich die Produktgestaltung des 20. Jahrhunderts. Produkte nach ihren Entwürfen sind in renommierten Museen auf der ganzen Welt ausgestellt, so zum Beispiel im Museum of Modern Art in New York. Zum großen Teil werden sie unverändert noch heute in Serie produziert. Marianne Brandt studierte in den 1920er Jahren am Bauhaus in Weimar und Dessau. Berühmt wurde sie durch ihre Gestaltungsleistungen in der Metallwerkstatt am Bauhaus. Sie entwarf hauptsächlich Gebrauchsgeräte wie Tee-Extraktkännchen, Aschenbecher oder Tee- und Kaffeeservices. Großen Ruhm erlangte sie besonders durch ihre formschönen Lampen.

Das Wohnhaus von Marianne Brandt in Chemnitz

Das Elternhaus der Bauhäuslerin Marianne Brandt in Chemnitz Foto: Weirauch

Nach ihrem Studium arbeitete sie unter anderem im Bau-Atelier von Walter Gropius in Berlin, anschließend von 1929 bis 1932 in den Ruppel-Werken in Gotha. Seit 2000 widmet sich die in chemnitz beheimatete Marianne Brandt-Gesellschaft intensiv dem geistigen Erbe der Chemnitzerin. So unterhält sie im Elternhaus von Marianne Brandt öffentlich zugängliche Studienräume. Hier kann man sich mit dem Leben und Werk der Gestalterin vertraut machen oder informelle Veranstaltungen besuchen.

 

Katalog zur Ausstellung

Politische Kämpfe um das Bauhaus 1919-1933; Abgehängt – Beschlagnahmt – Angepasst 1930/1937; Lebenswege in der Diktatur 1933 – 1945 – sind die drei Ausstellungsschwerpunkte, die sich auch im Katalog (herausgegeben vom Hirmer Verlag) widerspiegeln. Im dritten Komplex richtet sich der Blick auf individuelle biografische Entwicklungen von Schlüsselfiguren des Bauhauses und deren Verflechtungen.

Spannende Biographien sind hier zu entdecken. Viele der Bauhäusler wandelten auf schmalem Grat, ließen sich instrumentalisieren, arrangierten oder positionieren sich, etliche begrüßten das Unrechtsregime euphorisch, partizipierten und profitieren.

Erinnert wird aber auch die 24 Bauhäuslerinnen und Bauhäusler, die im Nationalsozialismus verfolgt, umgekommen und ermordet wurden. 

 

Anke Blümm, Elizabeth Otto und Patrick Rössler, hrgs. für die Klassik Stiftung Weimar: Bauhaus und Nationalsozialismus. Katalog zur Ausstellung im Museum Neues Weimar, Bauhaus-Museum Weimar und Schiller Museum. Hirmer Verlag GmbH, München 2024. ISBN 978-37774–4337-9.

Hier geht es zur Homepage des Verlages www.hirmerverlag.de 

Mehr über Frauen am Bahaus erfahrt ihr demnächst hier

Das Bauhaus wurde von den unterschiedlichsten Protagonisten geprägt. Doch sind es zumeist männliche Vertreter wie Walter Gropius, Henry van de Velde oder Wassily Kandinsky, die unweigerlich mit der wichtigsten Kunstschule des frühen 20. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden. Doch was war eigentlich mit den Frauen? Obwohl deren beachtliche Anzahl etwa ein Drittel der Bauhäusler ausmachte, standen sie zu Unrecht im Schatten der Schule.