Unser Osterspaziergang führt uns in diesem Jahr in das Havelland. Anders als Goethes Faust, der sich in seinem Osterspaziergang mit Wagner 1806 unter das promenierende Volk mischt, suchen wir die Natur pur mit ihrer Einsamkeit, ihrer Weite, ihrer überraschenden Flora und Fauna. Wir machen uns in den Naturpark Westhavelland um den Beetzsee auf. Und wie Goethe seinen Faust im Osterspaziergang sagen lässt: „Vom Eise befreyt sind Strom und Bäche, Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, …“ kommen wir an kleinen Bächen und großen Pfützen vorbei, in denen sich die Sonnenstrahlen spiegeln und prickelnde Glitzer auf der Wasseroberfläche hervorzaubern. Diesem Schauspiel schauen  wir gern einige Minuten zu.  Der Beetzsee gab der Gemeinde Beetzseeheide ihren Namen. Nach Ketzür, einem ihrer Ortsteile, zieht es uns. Ketzür ist Ausgangspunkt unseres Spaziergangs nach Lünow. 

Von Ketzür nach Lünow

Goethe: „Ueberall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben; Doch an Blumen fehlts im Revier,“ … Erstes Grün zeigt sich auf den Wiesen. Wir haben das Glück, an diesem noch recht kalten Wochentag auf unserer Erkundungstour Gänse und Kraniche zu beobachten. Das kann man wunderbar vom hölzernen Turm „Kranichland“ machen, der dank einer privaten Initiative  (www.stiftung-kranichland.org) entstanden ist.

Havelland-Lünow (4)

Beobachtungsturm „Kranichland“ im Naturpark Westhavelland

Lünow-Havelland

Informationstafel am Beobachtungsturm

An Informationstafeln erfahren wir Wissenswertes über die Landschaft und über die in und mit ihr lebende Vogelwelt.  Ein Novum für Brandenburg: Weit und breit kein Windrad zu sehen. In der Ferne vermuten wir einen kleinen See, doch beim genaueren Hinsehen ist es ein Spargelfeld, dessen unzählige Reihen mit Plastefolien abgedeckt sind. Wir finden, viel zu nah am Naturpark Westhavelland, Brandenburgs größtes Schutzgebiet. Heimat für viele vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Aktuelle Informationen über das Thema Spargel mit/ohne Folien im Vogelschutzgebiet der Naturstiftung Kranichland gibt es im neuesten Newsletter der Stiftung Kranichland, der am 27. März 2021 erschienen ist: www.stiftung-kranichland.org

Osterhase Havelland

Meister Lampe kreuzte auch unseren Weg

Links und rechts des Wanderwegs räumen Forstleute Baumbruch fort, um den Gästen einen möglichst unbeschwerten Weg über den wunderbaren Wanderweg (ein Bahndamm der in den 1960er Jahren stillgelegten Westhavelländischen Eisenbahn) zu ermöglichen. Die alte genietete Eisenbahnbrücke über den Sträng (sie verbindet den Beetzsee mit den benachbarten Gewässern) dient heute Fußgängern und Radfahrern.

Lünow_Westhavelland

Wanderweg im Naturpark

Uns wärmen die Sonnenstrahlen, wir lauschen dem Gekreische der Gänse und Kraniche, ab und an kreist auch ein Milan über uns.

Von einer Ketzürerin, die mit ihrem Hund hier spazieren geht, erfahren wir, dass es am Wochenende mit der von uns als angenehm empfundene Stille vorbei sei. Ein „buntes Gewimmel“ sei dann hier zu spüren, aus der Stadt (aus Berlin, Autonummern ließen das erkennen), kämen die Menschen her, gerade so als würden sie aus „ihrer Enge“ ausbrechen wollen. (Goethe: Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straßen quetschender Enge, …) Auch Radfahrer in das nahe Brandenburg an der Havel sind dann vermehrt unterwegs. 

Lünow

Schilderwald am „Verkehrsknotenpunkt“

Lünow entzückt

Unser Weg führt uns weiter Richtung Lünow, wir biegen an einem Wander-/Verkehrsknotenpunkt nach links ab, kommen an einem Pferdehof und einem sehr schön restaurierten Begegnungszentrum vorbei zum Friedhof.

Dorfkirche Lünow Beetzeeheide

Dorfkirche Lünow

Hier steht die mittelalterliche Dorfkirche, ein Rechteckbau aus Feld- und Backsteinen, heute zum Teil verputzt. Im 18. Jahrhundert wurde die Kirche umgebaut  und ein polygonaler Chor angefügt. 1888 gab es eine weitere Veränderung: der Fachwerk-Kirchturm wurde durch einen im Stil der Neuromanik ersetzt. Der Westturm wurde aus unverputzten roten Klinkern errichtet. Klinker – die in den Ziegeleien in der nahen Umgebung hergestellt wurden. Den Turm zieren eine Turmkugel und eine Wetterfahne, die die Jahreszahl 1996 aufweist, wohl das Jahr der Restaurierung dieser Dorfkirche.  Alte Grabplatten sind an der Kirchenaußenwand zu finden: auf der Nordseite die des Ritters Arent von Kloth, auf der Südseite die einer Barbara Elisabeth von Brunnen.

Eindrucksvoll auch die Begrenzung des Friedhofs durch alte Grabsteine, die an einer efeuberankten Mauer lehnen. Sie künden von den einstigen Tätigkeiten der Lünower: zum Beispiel der des Carl Engel (1823, gest. 1883), der als Fischermeister auf dem Beetzsee seine Familie ernährte. Auch die Grabplatte eines Oberlokführers finden wir. Die Kirche war leider nicht geöffnet, aber ein Blick durch die Fenster zeigte eine schlichte Gestaltung im Innern: Hölzernes Gestühl aus dem 19. Jahrhundert, ein heller achteckiger Taufstein aus Sandstein aus der Renaissance-Zeit, ein schlichter Altar im Chor sowie sechs Tafeln der sogenannten Lünower Passion, sechs Bilder des Malers Jürgen Hoffmann. Vielleicht kommen wir zu einem Konzert wieder … 

Zurück nach Ketzür

Wir wandern zurück zu unserem Ausgangspunkt nach Ketzür. Zwischendurch bleiben wir stehen und sehen immer wieder in die noch karge Landschaft, die von ehemaligen Erdlöchern, die man hier auch Kuten nennt, durchzogen ist.

Lünow - Westhavelland

Blick in die Kuten, im Hintergrund folienbezogenes Spargelfeld

Überbleibsel der einstmals hier arbeitenden Ziegeleien, gekennzeichnet ist. Wieder kommen wir am Turm „Kranichland“ vorbei, noch immer blinzelt die Sonne in den Pfützen, ein Campingplatz mit Wohnmobilen ist noch im Dornröschenschlaf, an der gegenüberliegenden Badestelle sitzen aber schon Familien auf den Bänken und genießen bei einer Rast ihren mitgebrachten Imbiss. Die Gaststätte gegenüber hat noch nicht geöffnet, ein Schild kündigt das für Mai an, fraglich, ob in diesem oder nächsten Jahr? Wer in  Brandenburg unterwegs ist, der sollte sich selbst versorgen. Da machen er/sie nichts falsch. 

kranichpaar beim Tanz

„Komm tanz mit mir.“

Nach der zweistündigen Wanderung (Hin- und Rückweg rund 10 Kilometer) mit vielen „Sehpausen“ fühlen wir uns sehr wohl. Noch einmal sei Goethe zitiert: „Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s seyn“.  

Überraschung in der Dorfkirche

Tipp: In Ketzür sollte man unbedingt einen Blick in die Dorfkirche werfen. Sie liegt im Zentrum des Ortsteils Ketzür in der Gemeinde Beetzseeheide. Im Inneren der Kirche befindet sich ein eindrucksvolles Epitaph im Chorraum, das zwischen 1612 und 1613 entstanden ist. Es wurde für den verstorbenen Heino von Broesigke in Magdeburg vom Bildhauer Christoph Dehne für 1100 Taler geschaffen. Als Rittergutbesitzer hatten die Broesigkes das Kirchenpatronat in Ketzür inne.

Epitaph für Heino von Broesigke in der Dorfkirche Ketzür (Ausschnitt)

Dorfkirche Ketzür Brandenburg Storchenrwadweg Dorfkirche Ketzür Brandenburg Beetzseeheide Havelland

Die Kirchengemeinde Ketzür gehört zum Pfarrsprengel Päwesin im Evangelischen Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg. Aktuelle Informationen zu den Gottesdiensten an Ostern gibt es unter www.ekmb.de
In Coronazeiten kann „die Auferstehung des Herrn“ vielleicht unter freiem Himmel gefeiert werden.

Sehenswert ist auch die Bockwindmühle in Ketzür unweit der Dorfkirche. Sie wird im Ehrenamt durch den Mühlenverein Ketzür e.V. erhalten. www.muehlenverein-ketzuer.de

Mühle von Ketzür bei Brandenburg

Bockwindmühle Ketzür

Weitere Informationen:

www.westhavelland.de

www.nabu-westhavelland.de

www.havelland-tourismus.de

Gastronomie

„Backwahn“ Der Backshop in Päwesin
Brandenburger Straße 15, 14778 Päwesin
www.tashi-choeling.de

Backwahn Päwesin

Backwahn Päwesin

Sehr zu empfehlen, in dem von Ketzür rund 10 Kilometer entfernten Kult-Backshop gibt es ein wunderbares Kuchenangebot zu einem guten Preis, auch ein kleiner Imbiss (Buletten und Bockwurst, belegte Brötchen) lockt an. Alles nebst Kaffee zum Mitnehmen.

Hier unser Beitrag zu 7 Schönheiten im Havelland

Im Havelland immer ein guter Reisebegleiter: Joachim Nölte: Havelland. Ein Wegbegleiter.

Cover Havelland WegbegleiterEdition Terra – eine Marke der Terra press GmbH. Berlin 2013. ISBN 978-3-942917-11-7.