Die Urlaubszeit steht vor der Tür, Touristen zieht es in die Parks und Schlösser von Potsdam Sanssouci. Und wieder werden einige Touristen, wenn sie die Treppen zum Weinbergschloss erklommen haben, sich fragen, ob bei der Inschrift auf dem Mittelteil des Schlosses ein Fehler gemacht wurde. Müsste nicht statt des Kommas zwischen SANS (OHNE), SOUCI (SORGE) ein Bindestrich stehen? Historiker Veit Veltzke gibt in seiner neuesten Publikation „Preußen. Populäre Irrtürmer und andere Wahrheiten“ (klartext Verlag)  in „Das Quiz für echte Preußen-Experten“ die Antwort: „ Friedrich wohnte rechts und drückte so aus, dass ihm die Sorgen verblieben.“

Foto Weirauch

Schloss Sanssouci in Potsdam Foto Weirauch

Pünktlich zur Sommerzeit bringt der Klartextverlag die populärwissenschaftliche Publikation des Kenners der preußisch-deutschen Geschichte und Kulturgeschichte Veit Veltzke heraus. Wer in seinem Urlaub auf preußischen Spuren wandelt, der sollte die lesenswerte Publikation in seinem Lesegepäck haben. Amüsant geht es zu, wenn der promovierte Historiker sich auf die Suche nach dem Namen „Preußen“ in der heutigen Bundesrepublik macht.

Preußen im Fußball – warum ist das so ?

Seine Feststellung: In keinem gesellschaftlichen Bereich wird man „so fündig wie beim Fußball“. „74 Vereine, meist in der späteren Kaiserzeit gegründet, trugen die Bezeichnung „Preußen“ oder „Borussia“. Unter ihnen besonders erfolgreich: Borussia Dortmund (1909), Borussia Mönchengladbach (1900) und Preußen Münster (1906). Überraschend ist, dass die Schwerpunkte hier damals wie heute nicht etwa in den preußischen Kerngebieten liegen, sondern im Rheinland und Westfalen. Von den heute noch existenten 44 Preußen- oder Borussia-Vereinen sind allein 28 in Nordrhein-Westfalen zu verorten.“ Diese preußische Fußballdominanz in Nordrheinwestfalen erklärt Veltzke so: Um die Jahrhundertwende (1900) war das Kicken mit dem Ball noch kein proletarisches Freizeitvergnügen. Studenten, Schüler und kaufmännische Angestellten der bürgerlichen Mittelschicht stießen in ihrer Umwelt mit den anstößigen kurzen Hosen, den sonntäglichen Spielen in Konkurrenz zu den Gottesdiensten oder den englischen Importcharakter der „Fußlümmelei“ auf erhebliche Widerstände. „Da möchte es den fußballbegeisterten jungen Leuten ratsam erscheinen, sich ein preußisch-patriotisches Namensetikett umzuhängen, … Auch dürfte das studentische Verbindungswesen mit seinen „Borussia“-Namen als Vorbild gewirkt haben.“ Im mehrheitlich katholischen Rheinland und Westfalen konnte man die Gegenkräfte mit der borussischen Kennzeichnung zumindest verärgern. Die Gründungsmitglieder von „Borussia Dortmund“ im Jahre 1909 waren Abtrünnige eines katholischen Jünglingsvereins aus dem Arbeitermilieu unter Leitung eines eher fußballfeindlichen Kaplans.  Soweit Veit Veltzke.

Cover Veit Vetzke: Preussen Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten Klartext Verlag

Cover Veit Vetzke: Preussen Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten Klartext Verlag

Fundiert, informativ und kurzweilig – Veltzke bringt uns Preußen näher. Manchmal mit einem Augenzwinkern, manchmal überraschend, aber nie langweilig.
Pflicht und Pünktlichkeit, Härte und Gehorsam – diese Attribute werden von vielen Menschen meist zuerst genannt, wenn über preußische Tugenden gesprochen wird. Was war Preußen? Ein Rechts- und Kulturstaat, von dem die Bundesrepublik bis heute zehrt? Und sind wir vielleicht preußischer, als wir denken?  Das Buch lohnt zu lesen.

Was würde Historiker Veltzke wohl zu den aktuellen Diskussionen sagen, die derzeit „ergebnisoffen“ in Berlin und Potsdam diskutiert werden, um die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihres „Preußen“ im Namen zu berauben. Auch das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am Neuen Markt in Potsdam könnte umbenannt werden. Zumindest stellte das die neue Geschäftsführerin Katja Melzer jüngst in den Raum. „Alles steht zur Disposition“, sagte sie.

Veit Veltzke wird sich sicher der profunden Meinung von Prof. Dr. Julius H. Schoeps anschließen, der jüngst im Tagesspiegel/PP zu der Debatte schrieb: „Das Bild Preußens ist sehr viel differenzierter zu sehen, als es manche Kritiker heute glauben. Säbelrasselnde Militaristen und Monokel tragende Junker gab es zwar zugegebenermaßen, aber es ist eine geschichtsferne Legende, Preußen als zentrale Brutstätte des Militarismus in Europa zu bezeichnen.

Erinnert sei an die Generation der Aufklärer, an Immanuel Kant, Moses Mendelssohn, die Humboldts und viele andere, die den Boden für die sich vollziehenden sozialen und politischen Veränderungen bereitet haben. Erinnert sei an Ärzte, Schriftsteller, Publizisten und Politiker wie Johann Jacoby, Moritz Veit, Heinrich Heine, Eduard Bernstein. Oder man denke an den Sohn der Stadt Potsdam, Max Dortu, der in der 1848-Revolution demonstrierend auf die Straße ging. Sie alle waren Preußen und verkörperten das „andere“ Preußen, das demokratische Preußen.

Informationen zum Buch:

Veit Veltzke, PREUSSEN. Populäre Irrtürmer und andere Wahrheiten. Macht und Musen. Klartext Verlag, Essen 2023. ISBN 978-3-8375-2320-1. www.klartext-verlag.de

Der Autor: Veit Veltzke ist promovierter Historiker und Germanist, war Leiter des Preußenmuseums in Minden und Wesel sowie des LVR-Niederrheinmuseums Wesel. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher zur preußischen und deutschen Geschichte.