Das Havelland ist zu jeder Jahreszeit unser liebstes Ausflugsziel. Schnell haben wir mit dem Auto oder Fahrrad unsere Ausflugsziele in der schönen Kulturlandschaft rund um Potsdam erreicht. Oft haben wir Fontanes „Wanderungen“ im Gepäck, wo es sich anbietet, lesen wir uns die entsprechenden Auszüge daraus gegenseitig vor.
Seit kurzem haben wir ein weiteres „Lesebuch“ in unserem Gepäck. Dr. Gabriele Radecke und Robert Rauh machen es uns leichter, weil sie in ihrem Band „Fontanes Havelland – Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (erschienen im bebra – Verlag) vergleichende Porträts der „bewanderten“ Fontane-Orte zwischen damals und heute anbieten. Natürlich sind Radecke und Rauh nicht immer zu Fuß unterwegs (wie wir erfahren, Fontane oft auch nicht). Statt mit Kutsche und Bleistift reisen die beiden „modernen“ Wanderer mit Navi und Laptop und meist mit Fahrrad.
Dank der Literaturwissenschaftlerin und Herausgeberin zahlreicher Fontane-Ausgaben sowie der digitalen Fontane-Notizbuch-Edition haben Gabriele Radecke und Robert Rauh einen ganz besonderen Schatz in ihrem Gepäck: Fontanes unbekannte Skizzen und Notizen öffnen ihnen die Herzen ihrer Gesprächspartner. Die meist verschlossenen Havelländer sind nicht leicht „zu knacken“. Aber eine unbekannte Bleistiftzeichnung aus den Tagebüchern öffnet dann doch ab und an über eine Tasse Kaffee den Sprachfluss ihrer „Aussageträger“. Die brauchte auch Fontane, wenn er an die Geschichte(n) seiner „erwanderten“ Ziele kommen wollte. Nicht alle Aussagen seiner Protagonisten stimmten, wie sollte es Fontane auch ohne Internet überprüfen?
Um so interessanter ist es, wenn die Protagonisten der heutigen Autoren, Korrekturen anbringen können. „Zu viel Poesie, zu viele Fehler und zu wenig Gartenbaukunst. Bei diesem pensionierten Sanssouci- Gartendirektor (Michael Seiler) konnte Fontane nicht punkten.“, urteilen Radecke und Rauh nach ihrem zweiten Besuch auf der Berliner Pfaueninsel („exotischer Außenposten“).
Es ist nicht nur der „pointierte und poetische Erzählstil“, der Fontanes Havelland-Band zum „weitaus besten“ (Fontane) gemacht hat. Der Autor bekam an den Ufern und Seen der Havel alles geboten, war er für ein ideales Wanderungen-Menü brauchte: architektonisch gescheiterte Schlösser und lachende Dörfer, malerisch verfallene Klöster und kahle Kirchen, dunkle Grüfte und eine Geister-Grotte, gutmütige Seen und eigentümliche Landschaften, selbst eine Feeninsel – wie Radecke und Rauh in ihrem Vorwort schreiben. „Ihm gelingt, was in der Rezeption häufig übersehen wird: der schwierige Spagat zwischen dichterischer Verklärung und kritischer Distanz.“
Für die Spurensuche der Autoren ist nicht nur wichtig, „was heute noch zu entdecken ist“, sondern sie gehen auch neuen Fragen nach. Und auch das macht die neue Publikation für uns um so spannender. Etwa Paretz: Warum hat sich Fontane dem „merkwürdigen Kult um Königin Luise entzogen“?
In Wust(Ortsteil der Gemeinde Wust-Fischbeck bei Stendal gehen sie dem „Zweifel an der Echtheit der sterblichen Überreste des enthaupteten Jugendfreundes Friedrichs II.“ nach.
In Glindow schildern sie seine „temporäre Wandlung vom Dichter zum Journalisten, der uns vor Augen führen wollte, wie einst Industrialisierung und Proletarisierung den Orten und der Landschaft die Unschuld nahmen und wir fragen, ob der letzte in Betrieb befindliche Ziegelofen eine Überlebenschance hat.“
Fontane besuchte den Hoffmannschen Ringofen in Glindow, hier erfahrt ihr mehr darüber.
Wo befindet sich die „Blaue Grotte“ ?
In Marquardt am Rande von Potsdam suchen die beiden Fontane-Kenner nach den Resten der geheimnisvollen „Blauen Grotte“. Marquardt enthielt für Fontane überhaupt alle Züge der Wanderungen vereinigt: „Schloss-, Park- und Landschaftsbeschreibung, Historisches, Anekdotisches, Familienkram und Spukgeschichte. Mehr kann man am Ende nicht verlangen.“
Nach dieser sympathischen Beschreibung möchte man fast den morbiden Anblick von Schloss und Gutshof für immer so belassen, ein Ort zum (Weg)Träumen eben … Radecke und Rauh träumen sich nicht weg, sie möchte mehr über die „Blaue Grotte“ im nach Plänen von Peter Joseph Lennè vor nunmehr 200 Jahren angelegten Schlosspark erfahren und treffen auf einen Ortschronisten und Archivar im Stillen. Dieser gibt sein sorgsam gehütetes Wissen preis, aber es scheint noch ein langer Weg zu sein, bis man die Überreste der Öffentlichkeit von Grotte oder von Hans Rudolph von Bischoffwerders Begräbnisstätte präsentieren kann. Aber die Autoren erhalten bei ihrem Besuch vom Ortschronisten ein „Souvenir“: zunächst einen kleinen blauen Schlackestein, später wird er gegen einen größeren aus der Sammlung des Ortschronisten ausgetauscht. Bleibt zu hoffen, dass eines Tages aus dieser „Sammlung“ auch im Potsdamer Stadtmuseum oder Stadtarchiv einiges für die Allgemeinheit an die Öffentlichkeit kommt.
Der Mai kommt, und damit viele Wanderer in das Havelland. Wir wünschen uns, dass sie mit den Wanderungen von Radecke und Rauh unterwegs sind und das Havelland in all seinen Facetten kennenlernen und wiederkommen.
Die beiden heutigen Wanderer waren auch in Uetz und besuchten Henry Sawade und Sabine Swientek.
Auch einfachraus war in Uetz, hier erfahrt ihr mehr über diesen lebendigen Fontaneort.
Hier geht es zu den Notizbüchern Theodor Fontanes.
Gabriele Radecke/Robert Rau: Fontanes Havelland – Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg.
be.bra Verlag, Berlin 2023. ISBN 978-3-89809-222-7. Im Internet: www.bebraverlag.de
Tipp: Ausstellung: Fontane on Tour – Skizzen und Notizen aus dem Havelland, wird am 21.Mai in der Kulturkirche von Petzow eröffnet.
Gabriele Radecke, geboren 1967 in Berlin, ist Literaturwissenschaftlerin und Herausgeberin zahlreicher Fontane-Ausgaben sowie der digitalen Fontane-Notizbuch-Edition. 2017 wurde sie für ihre Vermittlung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit mit dem Stiftungspreis der Universität Göttingen ausgezeichnet.
Von ihm stammen auch die bebra-Titel „Fünf Schlösser“ , „Fontanes Fauen“ sowie der Band “ Fontanes Ruppiner Land“.
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