Einer der authentischsten Fontaneorte im Land Brandenburg ist das im Norden von Potsdam gelegene Dorf Uetz. Wie auf einer Perlenkette aufgereiht gehörten Bornstedt, Marquardt, Uetz und Paretz zur Reiseroute Theodor Fontanes. Er besuchte die Orte um 1865 mehrmals.

In seinem Band „Havelland“ der Wanderungen widmet Fontane Uetz (das seit 1961 Teil des Doppeldorfes Uetz – Paaren ist) ein eigenes Kapitel. Darin beschreibt er unter anderem ein Gespräch mit dem  Fährmann. Wahrscheinlich war es der Fährmann (oder dessen Sohn), der 60 Jahre zuvor das preußische Königspaar über die Wublitz setzte.“

Vis a vis der Autobahn steht das Fährhaus in Uetz. Foto: Weirauch

Vis a vis der Autobahn steht das Fährhaus in Uetz. Foto: Weirauch

“ Als der Kahn auflief, blieb sein Insasse stehen und sah mich an. Ich ihn auch. Endlich gewann er’s über sich und bot mir »Guten Abend«. Nach dieser Konzession von seiner Seite, denn so schien er es aufzufassen, glaubte auch ich ein Übriges tun zu müssen. So entspann sich denn, während der Kahn langsam wieder zurückglitt, folgende Unterhaltung:
»Guten Abend, Fährmann. Geht’s Geschäft?«
»I, wie wird’s denn gehn?«
»Na, ich sollte doch meinen. Da sind erst die Uetzer…«
»Die fahren umsonst.«
»Und dann all die Dörfer, die hier hinten liegen…«
Er schüttelte griesgrämig den Kopf, beschrieb mit der Hand nach Norden hin eine Kurve und brummte: »Alles rum, immer rum!«
»Aber die Phöbener und Paretzer werden doch nicht über Falkenrehde fahren? Das ist ja die Meile sieben Viertel!«
»Das ist es. Aber was ein richtiger Bauer is, der geht nich übers Wasser.«
»Weil’s ihm zu unsicher ist?«
»Nich doch. Es is ihm bloß sicher, daß der Fährmann sein Fährgeld kriegt. Das zahlt kein Bauer, wenn er nich muß. Und er muß nich. Eine Meile oder zwei, ihm ist’s all‘ eins. Er braucht sie nich zu laufen. Er nimmt seine Peitsche, knipst und ruft seinen Gäulen zu: ›Der Hafer is teuer heut; verdient ihn euch!‹ Und der Uetzer Fährmann – na, der mag sehen, wo er seine Pacht hernimmt.«

Uetz.Fontane Potsdam

Die Spitze des Kahns war jetzt auf dem Trockenen; ich sprang hinaus und fragte nach meiner Schuldigkeit. Die Taxe war niedrig; ich gab ihm ein Stück Geld, etwa das Fünffache. Er nahm es, sagte nichts und erwiderte meinen »Guten Abend« durch ein Geknurr, das über seine Enttäuschung keinen Zweifel ließ. Die Fährleute sind ein eigen Geschlecht und haben ihren eigenen Artigkeitskodex.“ Soweit Fontane.

Seit dem Jahr 1797, als der preußische König Friedrich Wilhelm III. und seine Frau Luise Paretz als Sommersitz wählten, führte der Weg nach Paretz stets über die Wublitz bei Uetz. An  die  letzte Passage von Königin Luise  kurz vor ihrem  Tod  im Jahr 1810 erinnert noch heute die prächtige Eiche auf dem Fährgrundstück.

Hier, an dieser Stelle könnte die junge Königin Luise nach der Überfahrt gestanden haben. Foto: Weirauch

Hier, an dieser Stelle könnte die junge Königin Luise nach der Überfahrt gestanden haben. Foto: Weirauch

Von Uetz nach Paretz

Erst um 1830 besuchte der König wieder öfter Paretz. 1834 ließ er nach Plänen von Ludwig Persius das noch heute erhaltene Fährhaus in Fachwerk – Holzarchitektur im Schweizerstil an der Wublitz errichten. Was bislang kaum bekannt war: Im Innern enthält das Gebäude eine Stube für den Fischer und das Teezimmer des Königs. Das Fährhaus überdauerte die Zeiten. Die Wublitz ist seit dem Bau der Autobahn in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verlandet.

Mit viel Liebe und Detailkenntnis restaurierte Fassade. Foto: Weirauch

Mit viel Liebe und Detailkenntnis restaurierte Fassade. Foto: Weirauch

Fährhaus ohne Fährstelle

Nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf restaurieren seit mehreren Jahren Henry Sawade und Sabine Swintek das so geschichtsträchtige Fährhaus. Die Arbeiten sind mittlerweile weit fortgeschritten. Henry Sawade weiß um den Aufwand: „Das ist eine Lebensaufgabe.“ Der gelernte Steinmetz  und  studierte Bildhauer hat das Denkmal aber mittlerweile originalgetreu erlebbar gemacht. Ein Großteil der Ziegelsteine der Außenwände wurde herausgenommen, nummeriert und gesäubert wieder eingesetzt.

1834 nach Plänen von Ludwig Persius errichtet: das Fährhaus im Schweizerstil, Foto: Weirauch

1834 nach Plänen von Ludwig Persius errichtet: das Fährhaus im Schweizerstil, Foto: Weirauch

Ein großes Stück ‚Arbeit liegt noch vor den Denkmalenthusiasten. Eine Augenweide ist das nach originalen Plänen bemalte Fachwerk samt Türen. Das Mauerwerk im Fachwerkverbund wurde gestrichen und Fugen aufgemalt.

Zum Fontanejubiläum im Jahr 2019 planen die Einwohner von Uetz mehrere Veranstaltungen. Henry Sawade ist sozusagen der Spiritus Rector. „Uetz war viel wichtiger, als bisher angenommen. An dem Ort kann man vieles erleben.“ Über das genaue Programm werden wir hier demnächst berichten.

Auf der Seite von Marquardt - Ausbau endet die Wublitz. Dann kommt der Damm der Autobahn. Foto. Weirauch

Auf der Seite von Marquardt – Ausbau endet die Wublitz. Dann kommt der Damm der Autobahn. Foto. Weirauch

Sawade: „Uetz kann man als Verkehrs – Hotspot bezeichnen. Hier gab es bereits im elften Jahrhundert eine Fährverbindung. Und im 19. Jahrhundert sind an dieser Stelle Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise übergesetzt, um zu Schloss Paretz zu gelangen.“

Die Wublitz wurde durch den Autobahnbau geteilt und verlandete. Foto: Weirauch

Die Wublitz wurde durch den Autobahnbau geteilt und verlandete. Foto: Weirauch

Erst ab 1905 wurde hier eine Brücke als Übergang gebaut. Die Von – Wilms – Brücke existiert seit 1905 nicht mehr. Mitte der 1930er ließen die Nazis den Berliner Autobahnring bauen. Und der kreuzt als Damm den alten Wublitz-Arm. Auf der anderen Seite des Dammes reichte das Wasser, sechs bis sieben Kilometer bis nach Falkenrehde runter. An der Stelle, wo jetzt noch das Fährhaus steht, war der Wublitz – Arm über hundert Meter breit. Sawade: „Die Wasserlinie ist inzwischen versumpft, aber man erkennt sie noch.“

2019 soll eine Stele am Fährhaus als Station des überregionalen Fontane – Radweges eingeweiht werden. Dazu gibt es eine Reihe von Festivitäten, auf die wir hier später eingehen wollen. Eines ist Henry Sawade wichtig: „Die ganze Dorfbevölkerung wird mitmachen. Und es gibt eine fiktive Figur, eine Ur-Ur-Ur-Enkelin von Fontane wird uns besuchen – mit einem Motorrad.“

Uetz.Fontane Potsdam

Für die Fontane – Feiern in Uetz wurden Fördermittel bei der Stadt Potsdam und im Rahmen des Projektes „fontane200“ beantragt. „Wir sind zu spät, hoffen aber, dass unser Konzept überzeugt.“

Persius Erstlingswerk

Henry Sawade hat sich tief in die Geschichte des Fähr- und Fischerhauses und des kleinen Ortes eingearbeitet. „Das Fährhaus, anstelle der bisherigen reetgedeckten Fischerhütte errichtet, gilt als eines der Erstlingswerke von Persius. Persius entwarf das Haus für mehrere Zwecke: Zum einen als Wohn- und Arbeitsstätte für den Fischer, der gleichzeitig auch Fährmann war. Zum anderen erhielt der König einen separaten Aufenthaltsraum, das Teezimmer.“

Blick in den als " Altenteil" bezeichneten Raum im Fährhaus Uetz, Foto. Weirauch

Blick in den als “ Altenteil“ bezeichneten Raum im Fährhaus Uetz, Foto. Weirauch

Das Haus wird von Denkmalpflegern mittlerweile als lange unterschätztes Kleinod der Potsdamer Baugeschichte bewertet. Es ist eine Überraschung, wenn Sawade erläutert: „Wir haben sowohl im Teezimmer als auch in der Fischerstube aufwändige Wandfassungen freigelegt. Und selbst das Altenteil war ungewöhnlich aufwändig gestaltet. Die Standesunterschiede wurden also nicht durch die Aufwändigkeit in der Gestaltung verdeutlich, sondern, wie sich zeigte, durch die verschiedene Symbolik.“

Bildhauer Henry Sawade Foto: privat

Bildhauer Henry Sawade Foto: privat

Laut Sawade war die Absicht des Königs entscheidend, einerseits der früh verstorbenen Luise zu gedenken, andererseits seinem treuen Untertanen, dem Fährmann, zu danken. „Deshalb weisen die Malereien in der Teestube königliche Attribute wie Palmette und Lilie auf, während wir an den Wänden der Fischerstube ein Eichenlaubfries nachweisen konnten.“

Denn als Luise gestorben war, hatten die Uetzer zu ihrem Gedenken die Eiche gepflanzt, die auf dem Grundstück des Fährhauses noch steht. Und spannend dabei: „Die Außenfassung des Hauses nimmt Bezug zu diesem Solitär. Das Fachwerk, obwohl in Kiefernholz errichtet, wurde aufwändig in Eichenholzoptik maseriert. Dem entsprechen die Fensterladen, deren Bemalung farblich auf die jeweiligen Innenräume abgestimmt war und im geschlossenen Zustand eine sogenannte Kassette ergeben.“

Und noch einen Aha – Effekt gibt es zu bestaunen: „Die Innentüren sind einfache Kieferntüren, die aber aufgewertet wurden, indem man sie wie edle Kassettentüren aus Nussbaum mit Ebenholzintarsien illusionistisch bemalte.“

Theodor Fontane schrieb zum Abschied seines Besuches in Uetz: „Ich schritt nun die Querallee hinauf, kreuzte die Dorfstraße und erstieg den Mühlenberg, hinter dessen Kamm, bereits erblassend, die Abendröte stand. Ein schwacher rötlicher Schimmer säumte nur noch den Himmel gegenüber. Das Dorf, die Wublitz waren still; im Fährhaus schimmerte ein Licht, die Schwäne sammelten sich am Schilf, die Abendglocke klang in langsamen Schlägen über Uetz hin.“

Und zitiert aus dem Gedicht, das einst Schmidt von Werneuchen über Uetz schrieb die letzten Sätze: „Du schönster Ort im ganzen Havelland, Wer könnte je dich ungerührt verlassen!“

Tipp. Auf Seite 17 der Stationen der Fontane – Radroute wird Uetz erwähnt. noch ohne Infostele, aber sie wird kommen, ist sich Henry Sawade sicher. Hier geht es zur Fontane-Radroute.

Unsere nächste Station ist Paretz.

Im Magazin „Potsdamer“ wurde im Januar über Henry Sawade und die Vorbereitungen zum Jubiläum „200 Jahre Theodor Fontane“ berichtet. Hier geht es zur Seite von „Potsdamer“.

Informationen zum Fontanejahr 2019

Als ein Baustein von „Fontane.200“ reiht sich Kulturland Brandenburg im nächsten Jahr neben der Leitausstellung „Fontane.200/Autor“ im Museum Neuruppin, der Ausstellung„Fontane.200/Brandenburg“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam dem Schülerbegleitprogramm und dem Jugendprojekt „Word&Play“ ein.
Weiterhin beteiligen sich die Universität Potsdam, das in Potsdam ansässige  Theodor-Fontane-Archiv sowie die Theodor Fontane-Arbeitsstelle, Seminar für Deutsche Philologie bei der Georg-August-Universität Göttingen mit einem wissenschaftlichen sowie die Fontanestadt Neuruppin in Kooperation mit zahlreichen Partnern mit einem vielfältigen kulturellen Programm. Das Fontanejahr wird  am 30. März 2019 in Neuruppin eröffnet.

Hier einzelne Fontanetipps auf einfachraus.eu:

+ BeHerrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

+ Robert Rauh und Erik Lorenz empfehlenswertes Buch zu den fünf Schlössern

+ Zum Grab von Theodor Fontane in Berlin

+Spurensuche in Wustrau

+ Spurensuche in Neuruppin

Fontane und der Ziegelringofen von Glindow

Der Bornstedter Friedhof

Josef Grütter aus Marquardt dichtete über Fontanes Wanderschuh sowie den Wanderstock

+ Besuch bei Königin Luise in Paretz

+ Die Wiedergeburt des Fähr- und Fischerhauses in Uetz