Im südlich von Karlsbad im tschechischen Bäderdreieck gelegenen Marienbad (Mariánské Lázně) erinnert heute nichts mehr daran, dass sich hier noch Anfang des 19. Jahrhunderts Sumpfgebiete erstreckten. Bei meinem Besuch traf ich auf einen höchst lebendigen Kurort mit vorzüglicjh geführten Kurhäusern und einem 5-Sternehotel, dem Falkensteiner Spa Resort Marienbad..
Wasser trinken in Marienbad
Nicht so mondän wie Karlsbad, aber schicker als das ebenfalls zum Bäderdreieck gehörende Franzensbad, präsentierte sich Marienbad. Heute besuchen die Gäste den Kurpark und die mittlerweile nach Sanierungen wieder erstrahlenden Kuranlagen.
Das Kurzentrum mit den vielen „Zuckertortenbauten“ und pittoresken Pavillons, in denen die Quellen sprudeln, nimmt wohl jeden Gast gefangen. Beim Spaziergang durch das überschaubare Zentrum hat man das Gefühl, eine Zeitreise ins beginnende 20. Jahrhundert zu unternehmen: prächtige Kurhäuser, Jugendstil und art deco, im Frühling und Sommer blühende Parks, in denen Kurgäste gemütlich entspannen und das weithin auch hier berühmte Heilwasser trinken.
Überall ist zu spüren: Marienbad ist auf dem besten Weg, um an seine Blütezeit um die Jahrhundertwende anzuknüpfen. Damals kurten hier viele Prominente, doch dazu hier später mehr.
„Marienbad ist unbegreiflich schön“
„Marienbad ist unbegreiflich schön“, schwärmte einst Franz Kafka. Auch heute noch gehört der Ort zu den wohl schönsten Kurstädten Europas. Gemeinsam mit Baden Baden, Bad Kissingen, Bad Ems und weiteren Kurorten in England, Italien und Frankreich wurden in 2021 Franzensbad, Marienbad und Karlsbad als Europäische Heilbäder mit der Aufnahme auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes geadelt.
Bei einer Fahrt mit der Pferdekutsche durch die Alleen und entlang der prächtigen Kolonnaden kann man die alten Zeiten erahnen. Spürt aber auch, sobald man die aufwändig sanierten Kurhäuser betritt, moderne Eleganz.
Seinen Wohlstand verdankt Marienbad zuvorderst den Heilquellen, die im Gegensatz zum benachbarten Karlsbad hier als sogenannte kalte Quellen aus der Erde kommen. Johann Josef Neher, der als Arzt im Kloster in Tepl (Teplá) tätig war, bewies die Heilkraft der Quellen. Die Mineralquellen sind reich an Kohlensäure und Mineralsalzen. Empfohlen werden noch heute Trinkkuren, Moorpackungen und andere Behandlungen gegen Atmungs-, Stoffwechsel- und Nierenerkrankungen, Verspannungen und Schmerzen im Bewegungsapparat.
Hier war Goethe wirklich
In der Umgebung von Marienbad gibt es etwa 160 Quellen, in Marienbad selbst sind es über 40 kalte, mineralhaltige Quellen. Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe weilte 1820 zum ersten Mal in Marienbad. Ihm zu Ehren wurde in dem Haus, in dem er wohnte, der Pension „Zur Goldenen Traube“, das heutige Stadtmuseum eingerichtet. Auf dem Platz vor dem Museum (dem Goetheplatz) ist ein Denkmal für den Dichterfürsten errichtet. Goethe, der sich als 76-jähriger in Marienbad in die damals 17 Jahre alte Ulrike von Levetzow verliebte, schrieb die „Marienbader Elegien“ als wehmütige Reminiszenz an die Aufenthalte.
Bedeutende Kurstädte Europas
Das europäische Kur-Phänomen hatte seine stärkste Ausprägung zwischen 1700 und den 1930er-Jahren. „Auf Kur zu gehen“ beinhaltete dabei sowohl das Baden in als auch das Trinken und Inhalieren von Wasser aus Mineralquellen, um die herum sich alle Kurstädte entwickelten. Darüber hinaus gab es ein eng geplantes Tagesregime, das medizinische und sportliche Elemente ebenso berücksichtigte wie Muße, Unterhaltung und Sozialleben. Dieser ganzheitliche Ansatz brachte eine Architektur aus einzigartig vernetzten Innen- und Außenräumen hervor, deren Kernelemente sich auf dem ganzen Kontinent wiederfinden. Aus den hunderten Kurstädten Europas wurden die dynamischsten und internationalsten ausgewählt: Spa (Belgien), Bad Ems, Baden-Baden und Bad Kissingen (Deutschland), Vichy (Frankreich), Montecatini Terme (Italien), Baden bei Wien (Österreich), Karlovy Vary, Františkovy Lázně und Mariánské Lázně (Tschechien) sowie Bath (Vereinigtes Königreich).
Richard Wagner und Frédéric Chopin
Auch Richard Wagner fand in der Abgeschiedenheit und Ruhe des Marienbader Tales Inspiration. Er entwarf dort u.a. den „Lohengrin“ und „Die Meistersinger von Nürnberg“. Den internationalen Durchbruch für das Ansehen als Kurort brachte der Kuraufenthalt des späteren britischen Königs Edward VII. im Jahr 1897. Der Behandlungsraum, in dem der König seine Bäder nahm, wird heute noch genutzt.
Auch Frédéric Chopin besuchte Marienbad, um in der Nähe seiner Liebe, der jungen Künstlerin Maria Wodzinská, zu sein. Im malerischen Kurort, umgeben von tiefen Wäldern, hat er mehr als einen Monat verbracht und hatte dabei auf eine Vermählung gehofft. Diese haben jedoch Marias Eltern untersagt und Chopin blieb nichts anderes übrig, als dies zu akzeptieren. Marienbad pflegt die Erinnerung an ihren berühmten Besucher in Form eines Chopin-Denkmals und veranstaltet jedes Jahr Festspiele zu seinen Ehren. Der polnische Komponist war natürlich nicht der einzige, der Marienbad besuchte. Auf der Liste der berühmten Gäste stehen auch Franz Kafka, Sigmund Freud oder Thomas Alva Edison.
„Singende Fontäne“
Eines der Wahrzeichen Marienbads sind die herrlichen Parks, dank derer die Stadt als eine der schönsten „grünen Städte“ Europas gilt. Man kann hier gemütlich spazieren und die vielen Springbrunnen beobachten. Der berühmteste ist die „Singende Fontäne“, ein computergesteuerter Springbrunnen in Form einer Blume. Zu den Lieblingsbeschäftigungen gehört auch der Genuss der leckeren Marienbade Oblaten.
Der eigentliche Aufschwung des Kurbetriebs kam ab 1872 mit dem Anschluss an die Eisenbahn, wodurch eine direkte Verbindung nach Wien und Prag geschaffen wurde, ab 1898 auch nach Karlsbad.
Neoklassizistische Kurkolonnade
Zu einem Besuch Marienbads gehört unbedingt auch ein Spaziergang durch die elegante, neoklassizistische Kurkolonnade aus dem Jahr 1899. Sie zählt zu den schönsten in Tschechien. Während der Kursaison finden hier regelmäßig Klassikkonzerte und im August das Internationale Frédéric-Chopin-Festival, sowie Konzerte des Marienbader Sinfonieorchesters statt.
Ob der Berliner Eisenhändler Louis Ravene´ seine Hand beim Bau der gusseisernen imposanten Kolonnade im Spiel hatte, konnte ich nicht erfahren. Ravenè jedenfalls war oft in Marienbad zur Kur, letztlich verstarb er dort auch während eines Kuraufenthaltes. Seinen Sommerwohnsitz hatte er im Schloss Marquardt, einem Ortsteil von Potsdam.
Hier weitere Informationen zu Marienbad
Info: www.marianskelazne.cz
https://www.marianskelazne.czInformation Center Mariánské Lázně, Hlavní 47+420354622474
www.kisml.cz
Buchtipp: Michael Bussmann, Gabriele Tröger: Tschechien, Michael Müller Verlag, 24,90 Euro
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