Wir begrüßten das „musikalische“ Neue Jahr am 11. Januar 2025 mit einem phänomenalen Konzert in der Philharmonie in Stettin (polnisch Szczecin). Die Anreise war dieses Jahr schwierig, bei dichtem Schneefall in der Uckermark, der sich fast bis nach Stettin hinzog, gelangten wir aber noch pünktlich in unser Hotel, von wo aus wir nicht zum ersten Mal unseren Konzertbesuch starteten. Diesmal leuchtet „unser Eispalast“ schon von weitem in türkis-blauen Farben. Dazu der leichte Schneeniesel, man könnte meinen, in einer nördlichen Märchenwelt zu sein.
Gegenüber, auf dem Platz der Solidarität, zieht Kinderlachen im abendlichen Winterzauber die in die Philharmonie eilenden Konzertbesucher an. Eine Mitarbeiterin streut vor dem Eingang Streumittel, damit die Gäste unbeschadet in den „Eispalast“ kommen.
Warmer „Eispalast“
Innen ist er keineswegs eisig, ein Lichterfest empfängt die Gäste auch innen. Eine Tischreihe mit im Quadrat aufgestellten Sektgläsern und Kerzen funkelt und lädt ein, weiter in das preisgekrönte Gebäude der Mieczysław-Karłowicz-Philharmonie Szczecin einzutreten. Wir blicken in strahlende, erwartungsvolle und lächelnde Gesichter. Auf der Leinwand über der Garderobe werden wir zum Neujahr-Präsidentenkonzert der Stadt Szczecin begrüßt. Das an zwei hintereinander folgenden Abenden veranstaltete Präsidentenkonzert ist seit vielen Jahren ein Ereignis, das von den Stettiner Musikliebhabern wegen seiner einzigartigen Atmosphäre, des originellen Repertoires und des hervorragenden Klangs, den die Musiker des Sinfonieorchesters garantieren, mit Spannung erwartet wird. Das Interesse an diesem Konzert ist so groß, das es an zwei Abenden gespielt wird.
Johann Strauß, Edward Cherny und Ted Ricketts in 2025
Und so gelangen wir auch am Samstag in den Genuss des Konzerts und werden – wie immer – nicht enttäuscht. Im Gegenteil, wir erleben einen berauschenden Abend mit Klängen von Polka, Walzer und weiteren Tanzkompositionen der populärsten Stücke von Johann Strauß (1825-1899), dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. In die Musikgeschichte ist er als Johann Strauss Sohn eingegangen. Edward Czerny (1917-2003), der zweite Komponist des Abends, ist heute etwas in Vergessenheit geraten. Der in Berlin ausgebildete Komponist wurde schnell zu einer bedeutenden Persönlichkeit in der Musikbrache. Er war eine der wichtigsten Figuren der populären Musik in den fünfziger und sechziger Jahren, einer der Wegbereiter des polnischen Jazz, Multiinstrumentalist und Dirigent von Rundfunk- und Fernsehorchestern. Einen kleinen winzigen Ausschnitt dieses imposant reichen Oeuvres lernen wir heute Abend kennen. Gekrönt wird das Konzert mit „Satchmo! A Tribute to Louis Armstrong“, arrangiert von Ted Ricketts. Erinnert wird an Satchmo mit Stücken wie „What A Wonderful World“, „When the Saints Go Marching In“, Saint Louis Blues“ und „Hello Dolly“. Man möchte am liebsten mitsingen und mitswingen. Mein linker Nachbar hat wie so viele andere Gäste im Saal jedenfalls riesengroße Freude, ihn hält es kaum auf seinen Sitzplatz. Es ist eine Spezialität der Stettiner Philharmonie, „vergessene“ Komponisten zu würdigen.
Erinnert sei beispielsweise an das Grandioso-Konzert für Emilie Mayer, schaut hier.
Piotr Krzystek und Przemysław Neumann begrüßen die Gäste
Doch bevor es im Konzertsaal losgeht, werden die Gäste schon auf der Treppe, die in den Hauptsaal, dem sogenannten „Goldenen Saal“, der in warmem goldenen Licht in einzigartiger Pracht erstrahlt, begrüßt. Freudestrahlend, mit offenen Armen erwarten Piotr Krzystek, Präsident der Stadt Szczecin, und Przemysław Neumann, seit dem 1. September 2024 Intendant der Stettiner Philharmonie. Er leitete davor die meisten polnischen Orchester, darunter die Ensembles der Nationalphilharmonie Warschau, der Posener Philharmonie und der Sinfonia Iuventus. Zwischen 2015 bis 2024 war er Direktor der Philharmonie Oppeln. Mit dem Präsidentenkonzert in der Konzertreihe Grandioso begann unter seiner Leitung ein grandioser Konzerteinstieg in das Jahr 2025.
Schnell war die ungelenke Moderation von Magdalena Modra und Marek Krupski vergessen, als nach der Pause Przemysław Neumann selbst in die aufgeführten Stücke einführte, das Publikum mitriss und teilweise zum Mitmachen aufforderte. Das brachte dem wunderbaren Dirigenten großen Beifall. So war es auch kein Zufall, dass am Ende des Neujahrskonzertabends nicht nur ein großer Blumenkorb auf der Bühne an den Dirigenten übergeben wurde, sondern das Publikum mit viel Beifall sich mehrere Zugaben eroberte.
Zu allerletzt gab es den wohl in keinem Neujahrskonzert fehlende „Radetzkymarsch“. Froh gelaunt verließen die Gäste den Konzertsaal.
Unser Wunsch: Bessere Bahnverbindung Berlin – Stettin
Für uns gab es noch in diesem Konzert eine kleine Überraschung für die Zukunft: Die schnelle Polka „Vergnügungszug“ – sie entstand anlässlich der Eröffnung einer der Eisenbahnlinien, die den Wienern Ausflüge aufs Land anboten, wünschten wir uns, wenn endlich die Eisenbahnlinie von Berlin nach Stettin auf schnelleren Gleisen durchstarten könnte. Der 2012 unterzeichnete Staatsvertrag zwischen der deutschen und der polnischen Regierung sieht unter anderem die Schließung der jetzt noch bestehenden Elektrifizierungslücke zwischen Passow und Stettin vor. Mit einer durchgehenden Elektrifizierung würde die jetzige Fahrtzeit deutlich verkürzt und damit die Verbindung attraktiver werden. Jetzt schreiben wir Januar 2025 und die BahnAG verkündete, dass es wohl bis 2026 dauern würde, bis die Bahnstrecke Berlin-Stettin mit Zügen durchgehend befahrbar sei. Es besteht die Hoffnung, dass Berlin und Stettin nach dem Streckenausbau endlich eine attraktive Fernverkehrsanbindung erhalten. Bislang vekehren die Züge nur bis Angemünde und von dort geht es beschwerlich fast zwei Stunden über Dörfer der Uckermark bis zum gerade renovierten Hauptbahnhof Stettin. Die immer wieder verschobene Eröffnung sollte nun endlich der Vergangenheit angehören. Der „Vergnügungszug“ von Johann Strauss Sohn könnte ja die neue Ära einleiten …
Und so danken wir allen Beteiligten am Neujahrskonzert mit den Worten des Stettiner Stadtpräsidenten Piotr Krzystek: „Ich wünsche Ihnen, dass die kommenden Monate eine Zeit voller guter Entscheidungen, und Momente voller Glück und Gesundheit für uns alle sein werden. Möge das Jahr 2025 uns ermöglichen, unsere wichtigsten Projekte und Pläne zu verwirklichen, möge jeder Tag viel Zufriedenheit bringen!“.
Mehr Infos zur Philharmonie von Stettin und Ausflugstipps für die Stadt erhaltet ihr hier.
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