Am 7. Juni 2021 erinnern nicht nur Freunde der Industriekultur an Conrad Matschoss. Der Altmeister der deutschen Dampfmaschinengeschichtsschreibung wurde vor 150 Jahren geboren. Sein Grab befindet sich auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf am Rand von Berlin. Vor über 110Jahren erschien in Berlin das zweibändige Werk „Die Entwicklung der Dampfmaschine, eine Geschichte der ortsfesten Dampfmaschine der Lokomobile, der Schiffsmaschine und Lokomotive“. Verfasser dieses bis heute zu den technikgeschichtlichen Standardwerken zählenden Buches ist Conrad Matschoß. 1987 erschien im VDI-Verlag ein Nachdruck dieses technikhistorischen Klassikers. Das Grab des 1942 verstorbenen Conrad Matschoß befindet sich auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof. Biegt man am Eingang des Friedhofs hinter dem Informationshaus des Fördervereins Südwestkirchhof rechts ab, gelangt man in wenigen Schritten zum Grab. Hinter Rhododrendon-Büschen lugt auf dem moosbewachsenen Gehweg rechts der Grabstein hervor. Ein Zahnrad mit einer heute kaum mehr sichtbaren Eule ziert den Grabstein. Es ist das Zeichen des Vereins Deutscher Ingenieure. „Sein Leben und Wirken galt dem Verein Deutscher Ingenieure und der Geschichte der Technik“ – So steht es auf dem Grabstein des deutschen Ingenieurs, Hochschullehrers, Technikhistorikers, Publizisten und Direktors des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI).
Wer war dieser Conrad Matschoss
Wer war dieser Conrad Matschoss, dessen Standardwerk zur Geschichte der Dampfmaschine mich schon seit Jahren begleitet ? Als Sohn eines evangelischen Geistlichen erblickte Matschoß am 9. Juni 1871 in Neutomischel, damalige Provinz Posen, das Licht der Welt. Geschichte war sein Lieblingsfach, er „las Weltgeschichte, wie andere Buben Indianergeschichten lasen“, bekannte er später. Im April 1891 begann er als Schlosserlehrling in einer Görlitzer Maschinenfabrik. Nach erfolgreichem Maschinenbaustudium in Hannover arbeitete Matschoß u.a. in Hannover, Berlin und Köln. Um seinen geschichtlichen Neigungen entsprechen zu können, wandte er sich an den Berliner Fachbuchverleger Julius Springer mit dem Vorschlag, eine „Geschichte der Technik“ zu schreiben. Dieser lehnte ab, erklärte sich aber mit einer „Geschichte der Dampfmaschine“ einverstanden. Sie erschien 1901. Unmittelbar darauf begann Matschoß seine Recherchen für eine umfassende „Entwicklung der Dampfmaschine“. Solch eine Arbeit war bereits 1896 vom Verein Deutscher Ingenieure (VDI) in einem Preisausschreiben angeregt worden. Im Frühjahr 1908 legte Matschoß sein stattliches Werk vor. Matschoss begriff Technikgeschichte als ein eigenständiges Fach. Er stellte die Geschichte der Dampfmaschine in den Kontext der Entwicklung und Bedeutung für die Gesellschaft. Besondere Bedeutung gewann seine Untersuchung, da sie von einem Ingenieur und nicht von einem Historiker vorgenommen wurde. Matschoß Arbeit fand im VDI Anerkennung und Förderung.
Ab 1909 gab Matschoß, der seit 1906 in der Direktion des VDI in Berlin, ab 1916 als dessen Direktor, arbeitete, die „Beiträge zur Technik und Industrie“ heraus. Damit entstand erstmalig in Deutschland eine regelmäßig erscheinende Zeitschrift, die sich ausschließlich der Geschichte der Technik und Industrie widmete. Matschoß gilt auch als Pionier der Erfassung technischer Denkmale. Er verfasste zahlreiche Festschriften zu Betriebsjubiläen von Industriebetrieben, oder Geburtstagen von Ingenieuren, Firmengründern oder Industriellen wie Max Eyth, August Thyssen, Werner Siemens, Robert Bosch, Gottlieb Daimler und anderen.
Einer der Höhepunkte des Wirkens von Matschoß war die unter seiner maßgeblichen Initiative gemeinsam mit der Deutschen Reichsbahn durchgeführte Eisenbahntechnische Tagung und Ausstellung in Berlin und dem benachbarten Seddin, die im Jahr 1926 von 370.000 Interessenten besucht wurde.
Federführend war er auch an der Vorbereitung der Werkstoffschau 1927 und der zweiten Weltkraftkonferenz 1930 beteiligt. Im Rahmen der „Gesellschaft der Freunde des neuen Rußland“ wirkte er gemeinsam mit dem Begründer von „Telefunken“, Graf Georg von Arco, für die Verständigung zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Auf Vorschlag von Albert Einstein organisierte die sowjetische-deutsche Gesellschaft ab 1928 regelmäßig „Tage der Deutschen Technik“, wo deutsche Fachleute, darunter auch Conrad Matschoss in Moskau und anderen Städten Lektionen und Vorträge hielten.
Matschoß erhielt für sein technikgeschichtliches Wirken die Ehrendoktorwürde der Universität Münster und der Hochschule Hannover. Matschoß, der nicht der NSdAP angehörte, schied 1934 aus der Direktion des VDI aus. Seinen technikgeschichtlichen Studien blieb er treu. Kurz vor seinem Tod am 21. März 1942 in Berlin erschien sein Buch „Die Geschichte des Zahnrades“. Einige seiner Bücher kann man heute antiquarisch erwerben, darunter „Männer der Technik.“
Der Verein Deutscher Ingenieure vergibt auch 2021 den im Jahr 2006 wiederbelebten Conrad-Matschoß-Preis für Technikgeschichte. Dieser Preis ist mit 3.000 Euro prämiert und gilt für Leistungen sowohl der wissenschaftlichen als auch populärwissenschaftlichen Darstellung von Technik im Zusammenhang mit Gesellschaft, Umwelt und Wissenschaft. Hier geht es zu den Bewerbungsunterlagen für den Conrad Matschoss-Preis.
Der VDI führt am 18. und 19.2. eine wissenschaftliche Jahrestagung zum Thema 150 Jahre Conrad Matschoß – Technikgeschichte für die Gegenwart
Jahrestagung des VDI Ausschusses Technikgeschichte in Kooperation mit dem Fachgebiet Technikgeschichte, TU Berlin, und dem Deutschen Technikmuseum Berlindurch (online).
Hinterlasse einen Kommentar