Dieser Neubau der Axel Springer Media in Berlin ist in vieler Hinsicht außerordentlich bemerkenswert und auch einmalig. Da ist schon auf den ersten Blick die Architektur zu nennen: Kohlrabenschwarz der ganze Block, so dass ihn Karsten Rongstedt, Mitarbeiter des Journalistenclub im Springer-Hochhaus gegenüber, „schwarzer Diamant“ nannte. Wer die Eingangshalle betritt, fühlt sich wie in einer ausufernden, stockwerklosen Kathedrale. 45 Meter hoch! Und der Dachgarten – wahrhaft einmalig ist das, was dieser Begriff bedeutet – begrünte Flächen, Weinreben, Erdbeeren, Tomaten, verschiedene Gemüsesorten sowie Kräuter, und zwischen den Grünanlagen laden lange Wege zu Spaziergängen ein – oder in die Bar, in ein Restaurant. Hier können sich die Mitarbeiter erholen. Im kommenden Jahr – Nach-Corona-Zeit! – gibt es vielleicht sogar Führungen für die Öffentlichkeit.
Rundumblick über die Hauptstadt!
Aber auch ein Politikum darf als sensationell bezeichnet werden: Die beiden Hochhäuser des Verlages sind von Axel Springer seinerzeit mit voller Absicht direkt an der Mauer errichtet worden, denn Springer glaubte zeit seines Lebens an die Wiedervereinigung – und der Neubau steht genau auf der anderen Straßenseite, im ehemaligen Osten der Stadt. Welch eine Einheit! In diesem Neubau, der 300 Millionen Euro gekostet hat und über 52.000 Quadratmeter Fläche aufweist, gibt es Büros und Studios für 3 500 Personen. Aus dem Springer-Hochhaus ist die Welt-Gruppe in den Neubau umgezogen, also die Tageszeitung „Welt“ und die „Welt am Sonntag“ sowie der Welt-TV-Nachrichtenkanal.
Der Rotterdamer Stararchitekt Rem Koolhaas, der den faszinierenden Bau entworfen hat, war zu Beginn seiner Karriere selbst Journalist. Er wusste also sehr gut, was bei der Innengestaltung zu berücksichtigen war, um Print- und Digitalredaktionen enger als in der Vergangenheit mit dem Welt-TV-Bereich zu „verzahnen“. „Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt ist zum regelrechten Koohlhaas-Fan geworden, wie er einmal andeutete, denn: Das neue Gebäude verkörpert für ihn genau das, wofür sein Blatt steht – „die Stimme der liberalen Vernunft an der Avantgarde-Stelle zum zukünftigen Arbeiten – digital, ästhetisch und intellektuell“. Mathias Döpfner, Vorstandvorsitzender des Springer-Unternehmens, spricht von „einem Ort der Begegnung, wo Menschen sich austauschen und besser zusammenarbeiten werden“.
In der Broschüre „Springer: Ling 2020“, die den neuen Azubis – einst: Lehrlinge, liebevoll auch „Lehrpiepse“ genannt – gewidmet ist, wird der Neubau auch als „flexibel“ hinsichtlich des Arbeitsplatzes definiert. Vom „Arbeiten an einem selbstgewählten Ort außerhalb und innerhalb des Büros“ ist da die Rede, „gelöst von festen Arbeitsplätzen“. Ermöglicht werde dies „durch die vielen multifunktionalen Arbeitsflächen“. Das bedeutet offensichtlich nicht nur „Großraumbüro“, sondern auch „Arbeitsfläche ohne Wände“ – ein Experiment, ein gewagtes zweifellos.
Dieser Neubau steht auf einem rund 10 000 Quadratmeter großen Areal zwischen Axel-Springer-, Schützen-, Zimmer- und Jerusalemer Straße. In den 20er Jahren war hier Berlins Zeitungsviertel, mit den größten Verlagshäusern Deutschlands. Von Bomben während des Krieges schwer getroffen, war das Gebiet nach dem Mauerbau Teil des Todesstreifens. Es diente nach dem Ende der DDR lange Zeit als Parkplatz, vor allem für die Angestellten im Springer-Hochhaus gegenüber.
Am 6. Oktober 2016 war hier der offizielle Baubeginn des Springer-Neubaus – auf den Tag genau 50 Jahre nach Eröffnung des goldverzierten, 19stöckigen Hochhauses. Apropos Gold: Das findet sich als eine Art „Bindeglied“ auch an einer Fassade des „schwarzen Diamant“. Und in seinem Innern sind die Fahrstuhlschächte entsprechend umrahmt.
Die außergewöhnliche Architektur des Neubaus bringt auch den Wandel des Unternehmens Axel Springer zum Ausdruck: Das hat sich vom Zeitungs-Verlag zum Medien-Konzern „gemausert“. In die 13 Geschosse des Neubaus zogen deshalb auch digital-orientierte Springer-Töchter ein, wie etwa UX Product Design, Visual Media. Media Impacts oder die Vergleichsplattform idealo sowie die Redaktion von WELT Print und WELT Digital, WELT Fernsehen sowie verschiedene Zentralbereiche von Axel Springer.
Der Neubau, von Springer-Chef Matthias Döpfner „Edelstein in der Stadtlandschaft“ genannt, hat 300 Millionen Euro gekostet. Er ist an einen norwegischen Staatsfonds verkauft worden, so dass Springer nur Mieter ist.
alle Fotos: Dieter Weirauch
Ungewöhnlich erscheinen die Betonpoller rund um den Neubau – sie gleichen Panzersperren. Aber dieser Schutz erscheint angesichts steigender Terrorgefahren und immer radikaler werdender links- wie rechtsradikaler Attentate notwendig. Zumal Senatsdienststellen eine verkehrsberuhigte Straße zwischen den beiden Springer-Grundstücken abgelehnt hatte.
Wie der Bau entstand
Die Dokumentation „DAS NEUE GEBÄUDE“ beleuchtet die Entwicklung von der abstrakten Idee zum konkreten Gebäude sowie die übergreifende Vision des Neubaus als Kommunikationslandschaft im digitalen Zeitalter.
Wolfgang Will, Der Verfasser dieses Beitrags war mehrere Jahrzehnte lang für Axel Springer tätig. Als Reporter, Redakteur, Chefredakteur in Hamburg und Berlin. Zudem war er 20 Jahre lang Auslandskorrespondent in den USA, mit Sitz in New York: Er berichtete von dort für alle Springer-Publikationen vor allem auf dem Gebiet Luft- und Raumfahrt. Schwerpunkt dabei die Mondlandungen.
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