Eröffnung des neuen Schiffshebewerkes Niederfinow iam 4.Oktober 2022.

Bei Kulturland Brandenburg steht in diesem Jahr (2021) die Industriekultur im Fokus des Themenjahres. Der Begriff Industriekultur stand bisher hauptsächlich für die Auseinandersetzung mit der Kulturgeschichte und der Kulturlandschaft des Industriezeitalters. Das Themenjahr „Zukunft der Vergangenheit – Industriekultur in Bewegung“ wagt den Versuch eines „Updates“, bei dem es nicht nur um einen Rückblick, sondern ebenso um eine industrielle Zukunftsperspektive einzelner Regionen und Anlagen der Industriekultur gehen soll. einfachraus.eu stellt in einer Serie Industriedenkmale vor: 

Schiffshebewerk Niederfinow 

Ein Schifffahrstuhl am Rande Brandenburgs. In Niederfinow bei Eberswalde befindet sich eines der bedeutendsten technischen Denkmäler Nordost-Deutschlands. Es umfasst den historischen Hohenzollernkanal, den Finow-Kanal mit 12 Schleusen, das historische Schiffshebewerk Niederfinow, das Schiffshebewerk-Baustrom-Dieselkraftwerk (Krafthaus) und die historische Schleusentreppe. Ergänzt wird das einzigartige Ensemble technischer Denkmale durch den in Europa einzigartigen Schiffshebewerk-Neubau. Wie beim BER – Flughafen zieht sich auch hier der Termin der Fertigstellung noch hin. Bereits vor 6 Jahren sollte das neue Beton-Ungetüm eröffnet werden.

Schiffshebewerk Niederfinow

Der Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete Oder-Havel-Kanal (Havel-Oder-Wasserstraße) verläuft nördlich des Finowkanals und erreicht bei Niederfinow das Odertal. Von hier aus bietet sich ein schöner Blick über das Niederoderbruch. Allerdings ist für die Schifffahrt an dieser Stelle ein 36 Meter hoher Abstieg von der Scheitelhaltung zur Oderniederung zu überwinden. Mit einer Schleuse war das nicht zu erreichen. Abhilfe schaffte eine gewaltige Schleusentreppe aus vier Kammern mit je neun Metern Gefälle und drei Zwischenhaltungen. So wurde die bis dahin größte Hubhöhe eines Schifffahrtskanal überwunden. Die Schleusentreppe war von 1912 bis 1927 in Betrieb.

Her kann man Führungen durch das Schiffshebewerk buchen

Größtes Gegengewichts-Hebewerk

Die Verkehrszunahme und der bauliche Zustand der Schleusentreppe erforderten den Bau eine neuen Abstiegsbauwerks. Baubeginn des damals größten Gegengewichts-Hebewerks war 1927. Es galt von Anfang an als Wunder deutscher Ingenieurstechnik und nahm am 21. März 1934 seinen Betrieb auf. Das neue Hebewerk ersetzt nun nach über 80 Jahren nahezu störungsfreier Betriebszeit das alte Bauwerk. Es soll wohl 2022 in Betrieb gehen. Das alte, fast 90 Jahre alte stählerne Schiffshebewerk, ist das bundesweit erste Objekt, das 2007 mit dem Titel „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ ausgezeichnet wurde.

Das neue Schiffshebewerk hat bewährte Funktionsprinzipien wie die Gegengewichtsanlage, den Zahnstangenantrieb und die Trogsicherung mittels frei mitlaufender Ritzel in einer fest am Traggerüst montierten Mutterbackensäule übernommen. Dennoch unterscheidet sich die neue Anlage nicht nur in ihren zukunftssicher auf die Wasserstraßenklasse Va ausgelegten Abmessungen und der konstruktiven Gestaltung sehr deutlich von der alten Anlage. So ist z. B. das filigran wirkende Tragwerk als Kombination aus Stahlbeton- und Stahlbauteilen ausgeführt und der Betrieb der gesamten Anlagentechnik ist konsequent für eine Ein-Mann-Bedienung durchdigitalisiert und automatisiert.

 

 

„Ich bedanke mich bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes für ihr Vertrauen und die Erteilung dieses herausfordernden Planungsauftrages an die heute in der Tractebel engie Gruppe aufgegangenen Unternehmen Hydroprojekt Ingenieurgesellschaft mbH und Lahmeyer International GmbH. Planung und Realisierung einer so außergewöhnlichen Anlage lässt das Herz jeden Ingenieurs höherschlagen. Deshalb war es für uns eine Freude dabei mitzuwirken“, sagte Ulrich Kanzow als Geschäftsführer der Tractebel Hydroprojekt GmbH.

„Für unser Dorf mit aktuell 604 Einwohnern ist der jedes Jahr von über 200.000 Touristen besuchte Hebewerkspark mit den beiden Schiffshebewerken und der 1972 stillgelegten Schleusentreppe an der Havel-Oder-Wasserstraße sowie dem seit 1743 schiffbaren Finowkanal Herausforderung und Chance zugleich. Über eine im Jahr 2021 abgeschlossene Kooperationsvereinbarung mit dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oder-Havel haben wir mit der von uns als Eigengesellschaft gegründeten SHW Tourismus- und Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Niederfinow mbH die Vermarktung der touristischen Chancen unmittelbar selbst in die Hand genommen und freuen uns über die außerordentlich positive Entwicklung dieser Unternehmung“, sagte Peggy Fürst als Bürgermeisterin der Gemeinde Niederfinow im Juli 2024..

Altes und neues Schiffshebewerk Niederfinow Foto: Weirauch

Altes und neues Schiffshebewerk Niederfinow Foto: Weirauch

Schiffshebewerk Niederfinow

Wie kommt man hin ?

Erreichbar sind die Niederfinower Schiffshebewerke mit dem Auto, der Regionalbahn sowie mit dem Bus. Eine Ladesäule für Elektrofahrzeuge steht auf dem Parkplatz an den Hebewerken zur Verfügung. Mit dem Fahrrad empfehle ich den gut ausgebauten  Treidelweg von Eberswalde entlang des Finowkanal. Es gibt zudem mehrere Schleusen entlang des Finowkanals zu besichtigen.Technik Industriekultur Technische Denkmale

  • Schiffshebewerk Niederfinow
    Hebewerkstraße 70A, 16248 Niederfinow
    Fragen zu Führungen: schiffshebewerk@niederfinow.de
  • Öffnungszeiten: Winter: 10-16 Uhr, Sommer: 9.30-17.30 Uhr
hier Informationen zum Besucherumlauf und Info-Zentrum

Die Verantwortung für die touristischen Angebote und die Betreuung der Besucher auf dem Areal ist an die SHW Tourismus- und Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft Niederfinow mbH (SHW Touristik) übertragen worden. Diese bietet während der Saison Besuchern die Möglichkeit, das alte Schiffshebewerk im Rahmen von geführten Rundgängen zu besuchen.

Altes und neues Schiffshebewerk Niederfinow Foto: Weirauch

Altes und neues Schiffshebewerk Niederfinow Foto: Weirauch

Die Besichtigung des Hebewerkes ist für maximal 150 Besucher/- innen gleichzeitig täglich im Zeitraum von 9 Uhr bis 16 Uhr zugelassen. Tickets werden im Infozentrum der WSV und an den davor befindlichen Automaten verkauft. Die Beschilderungen vor Ort sind zu beachten.

Blick in das Krafthaus des Schiffshebewerkes

Blick in das Krafthaus des Schiffshebewerkes

An den Wochenenden (Samstag, Sonntag) und an Feiertagen werden zur Gewährleistung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzregelungen in Spitzenzeiten ausschließlich rund einstündige, kostenpflichtige Führungen über das Besuchergelände angeboten. Diese starten während der Zeit von 10:00 bis 16:00 Uhr mindestens jede halbe Stunde und können ohne Voranmeldung von individuellen Besuchern oder Gruppen vor Ort in der Touristeninformation im Krafthaus und im Infozentrum gebucht werden.

Anmeldung von Gruppen über 10 Personen (Tag, vorauss. Uhrzeit) unter Schiffshebewerk@niederfinow.de

Weitere Infos unter https://niederfinow.de/schiffshebewerk/

Auch hier findet ihr Intzeressantes es hier

Wunderwerk der Technik

International bedeutsam ist das Schiffshebewerk Niederfinow nicht nur für Technikfreaks. Das gigantisch anmutende Bauwerk, es gab in der fast 90-jährigen Geschichte, so gut wie keinen Störfall, gehört zur Europäischen Straße der Industriekultur. Helmut Kluge, der 40 Jahre als Elektromeister im Schiffshebewerk arbeitete, gibt sein fundiertes Wissen heute als Gästeführer weiter.

Kenner des Schiffshebewerkes: Gästeführer Helmut Kluge

Kenner des Schiffshebewerkes: Gästeführer Helmut Kluge

Industriekultur.JNiederfinow

Gegengewichte des Troges

Schiffshebewerk Niederfinow

Einfahrt in den Trog des Schiffsfahrstuhls

Eine Schleusung

Ich empfehle an einer Schleusung an Bord eines Fahrgastschiffes teilzunehmen. Hier gibt es weitere Informationen bei der Fahrgastschifffahrt Neumann, die u.a. mit dem Motorschiff „Münchausen“ das Schiffshebewerk befährt. So ist man hautnah dabei bei einer Fahrt mit dem einzigartigem Schiffsfahrstuhl. Übrigens ist der Weg vom Parkplatz am Schiffshebewerk zur Anlegestelle für Mobilitätseingeschränkte und Behinderte beschwerlich. Gut wäre, wenn man Elektroshuttles anschaffen könnte. Eine Aufgabe für die neu gegründete Betreibergesellschaft.

Hier geht es zur Fahrgastschifffahrt Oderberg.

Fährt in das Schiffshebewerk: "Freiherr von Münchhausen"

Fährt in das Schiffshebewerk: „Freiherr von Münchhausen“

Hier könnt ihr Fahrten mit der Reederei Neumann durch das Schiffshebewerk anmelden.

Das alte Schiffshebewerk Niederfinow wurde 1934 in Betrieb genommen gilt als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“. Die alte Anlage wurde jährlich von rund 14.000 Wasserfahrzeugen passiert.  Wegen der Abmessungen von 82 Meter Länge, 9,50 m Breite, 2 Meter Abladetiefe sowie 4,10 Meter Durchfahrtshöhestellte das alte Schiffshebewerk einen Engpass im transeuropäischen Wasserstraßennetz dar. Deshalb entstand nebenan seit 2008 ein Neubau, der mit mehreren Jahren Verspätung 2022 eingeweiht wurde. Die neue Anlage ist auf die Passage von Fahrzeugen mit 110 m Länge, 11,45 m Breite, 2,80 Abladetiefe und 5,25 Durchfahrtshöhe ausgelegt. Daraus ergeben sich insbesondere für den Transport von Containern und großformatigen Projektladungen, aber auch für den Ausbau der zuletzt boomenden Flusskreuzschifffahrt neue Chancen für die Nutzung der Wasserstraßenrelation zwischen Berlin und dem Seehafenverbund Szczecin–Swinoujscie. Mit der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße, einem 40 km langen Parallelkanal zur Oder, kann die Wasserstraßenrelation Berlin–Eberswalde–Szczecin zudem unabhängig von Niedrigwasserereignissen auf der Oder befahren werden. Das neue Schiffshebewerk ist auf die Bewältigung eines Ladungsaufkommens von bis 4 Mio. Gütertonnen pro Jahr ausgelegt. Güterschiffe können Container künftig in zwei Lagen übereinander transportieren und damit bis zu 104 20-Fuß-Standard-Container (TEU) pro Fahrzeug laden. Das alte Schiffshebewerk soll mindestens noch für die Dauer der Gewährleistungsfrist für den Ersatzneubau (mindestens 5 Jahre) betriebsbereit bleiben.

Schiffshebewerk könnte UNESCO-Welterbe werden

Auch Fachmann Kluge befürwortet, wie auch die Mitglieder des Fördervereins Finowkanal, die Aufnahme dieser Inkunabel deutscher Ingenieurbaukunst auf die Vorschlagsliste für das UNESCO-Welterbe. Ob es gelingt ? Das Land Sachsen-Anhalt zumindest hat unlängst das Schiffshebewerk Magdeburg-Rothensee für höchste UNESCO-Weihen vorgeschlagen.

Anmerkung: die Recherche in und um Eberswalde im Rahmen von Kulturland Brandenburg wurde unterstützt von TMB Brandenburg und Kulturland Brandenburg. Vielen Dank !

Weitere Informationen zum „Kulturland Brandenburg“: www.kulturland-brandenburg.de

Kulturland Brandenburg 2021 »Zukunft der Vergangenheit – Industriekultur in Bewegung«
Der Begriff Industriekultur stand bisher hauptsächlich für die Auseinandersetzung mit der Kulturgeschichte und der Kulturlandschaft des Industriezeitalters. Kulturland Brandenburg wagt 2021 den Versuch eines Updates, bei dem es um eine industrielle Zukunftsperspektive gehen soll. Während die Industrie im traditionellen Gewand im Alltag der Menschen kaum mehr eine Rolle spielt, setzt sich die Industrialisierung mit beschleunigtem Tempo fort. Brandenburg ist schon längst zu einem Industrieland 4.0 geworden. Mit dem Themenjahr 2021 setzt Kulturland Brandenburg kulturelle Impulse, denn nicht nur die Industrie steht für clevere Ideen und nachhaltige Konzepte. Die künstlerischen und kulturellen Projekte, die im gesamten Land umgesetzt werden, zeigen, wie kreativ, anpassungsfähig, interdisziplinär, stilbildend und identitätsstiftend die Kulturakteure und Kunstschaffenden in Brandenburg wirken können.

Ausführliche Informationen zum Programm finden Sie unter
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Hier einige Impressionen vom Finowkanal

Finowkanalich (2)