Von Wolfgang Will
Berlin ist Flughafenschließungen schon in der Vergangenheit gewöhnt, schließlich gab es deren einige. Eine besondere aber steht bevor. Dabei geht es um Tegel, den vielleicht einzigen Airport der Welt, von dem man weiß, dass da Liebe mit im Spiel ist. Und zwar die wirklich große Liebe. Das werden auch jene bestätigen, die dieses Ende herbei sehnen, weil sie der Lärm nervt. Tegel letztlich ist nicht nur Millionen Berlinern ans Herz gewachsen, das gilt auch für weitere Millionen in aller Welt. Da kommen Liebe, Verehrung und Bewunderung zusammen, denn dieser Flugplatz, der am 8. November vom Netz geht, ist ein wahres Juwel. In vieler, vieler Hinsicht . . .
Warum bei Tegel Liebe im Spiel ist ?
Die Architektengemeinschaft Gerkan, Marg und Partner (gmp) aus Hamburg sowie Klaus Nickels schufen mit dem Hauptgebäude einen sechseckigen Bau, der über 14 Fluggastbrücken verfügt. Das mag aus heutiger Sicht wenig sein, aber war damals schon deshalb eine Sensation, weil quasi in direkter Nachbarschaft zu jedem dieser Boarding Gates Autos halten und Passagiere aussteigen lassen konnten. Von dieser Straßenzufahrt bis zum Check.in-Schalter hatte der Passagier – man staune! – lediglich 15 Meter zurück zu legen.
Der sechseckige Hauptbau hat eine Länge von 620 Metern, außen – zu den Startbahnen hin – wie auch innen, wo die Autos vorfuhren. Mehr noch: In diesem Innen“ring“ gab es sogar Parkplätze für Hunderte von Autos.Und: Dieser Flugplatz ist nur acht Kilometer von der Innenstadt entfernt. Da er von Wohngebieten umschlossen und insgesamt nur 466 Hektar groß ist, haben die beiden Start/Landebahnen nur einen Abstand von 205 Metern zueinander. Damit verbot sich der zeitgleiche Parallelbetrieb.
BER, der künftige Hauptstadtflughafen, ist 1 470 ha groß, seine beiden Flugbahnen liegen 1 900 Meter auseinander und können somit gleichzeitig betrieben werden. Für Gastronomie- und Einkaufsmöglichkeiten standen in Tegel von Anfang an nur 6 800 qm zur Verfügung, während andere europäische Flugplätze damals schon über Shopping Center verfügten. Immerhin gab es auf dem Dach des Gebäudes eine Besucherterrasse.
Die Nordbahn Tegels ist 3 023 Meter lang, die südliche kommt auf 2 428 m. Beide sind für Schlechtwetterbetrieb zugelassen. Dieser Flugplatz war in der Inselstadt West-Berlin für 2,5 Millionen Passagiere konzipiert worden – niemand hatte seinerzeit auch nur gedacht, dass der Flugverkehr so schnell und stürmisch wachsen würde. Auch dank der Flugpreise. Schließlich kostete die Taxifahrt nach Tegel mitunter mehr als ein Flug nach Teneriffa. Das Sechseck-Gebäude platzte deshalb bald aus allen Nähten und wurde als heutiger Terminal A nach und nach um vier weitere Terminals vergrößert, indem große Hallen entsprechend „umfunktioniert“ wurden – das waren und sind im Grunde schreckliche Provisorien. Immerhin wurden diese fünf Terminals 2018 von 22 Millionen Fluggästen benutzt, bei stetig steigenden Zahlen bis zur Corona-Krise. Phänomenal: In den Hauptflugzeiten gab es alle 90 Sekunden einen Start oder eine Landung.
Das Gelände war ursprünglich Teil der Jungfernheide, dem Jagdrevier der Adligen Preußens. Seine militärische Nutzung begann im 19. Jahrhundert. Es wurde Artillerieschießplatz und schließlich „Luftschiffhafen Reinickendorf“, mit Hallen für Zeppeline. Auch Aufklärungsdoppeldecker des kaiserlichen Heeres waren hier stationiert. 1930 eröffnete Rudolf Nebel eine experimentelle Raketenstartbasis, der sich bald auch Wernher von Braun anschloss, bevor er seine zum Mond führenden Tätigkeiten 1937 nach Peenemünde auf Usedom verlagerte. Während des Zweiten Weltkriegs war Tegel Militärflugplatz, vorwiegend von der Flak genutzt, von der Flugabwehr. Alliierte Bomber zerstörten das alles. 1945 wurde Tegel Teil des französischen Sektors von Berlin und damit französischer Militärflugplatz. Während der Blockade West-Berlins durch die Sowjets und die DDR (1948/49) war Tegel neben Tempelhof (US-Sektor) und Gatow (britischer Sektor) Landeplatz der Alliierten zur Versorgung der eingeschlossenen West-Berliner.
Der heutige Flughafen entstand ab 1969 (1.Spatenstich). Eingeweiht wurde er am 23. Oktober 1974, die offizielle Eröffnung war am 1. November 1974. Dafür wurden die damals vier größten Großraummaschinen der Welt begrüßt: eine Lockheed L-1011, eine McDonnellDouglas DC-10, eine Boeing 747-100 und ein Airbus A-300/B2. Die Kosten des Flugplatzbaus beliefen sich auf 430 Millionen Mark. Auch einmalig: Damit blieben sie unter der eingeplanten Summe.
Und nun hat Tegel bald ausgedient, obwohl sich die Berliner immer und immer wieder für den Weiterbestand auch nach der BER-Eröffnung ausgesprochen hatten. Viele Weltstädte haben mehr mehr als nur einen Airport. Schließlich war der BER auch von Beginn an eine äußerst kostspielige Fehlplanung: Viel zu klein, äußerst schlecht auch erreichbar, rund 20 Kilometer vom Stadtinneren entfernt. Tegel hätte als innerdeutscher Flughafen – wie etwa London City – und Ausweichplatz für den BER dienen können, außerdem als Militär/Regierungsflugplatz. Aber . . . Nein.
Berlin ist – wie wohl kaum eine andere Stadt – an Flugplatzschließungen gewöhnt. Da war einst Johannisthal im Südosten der Stadt, 1909 eröffnet, 1952 stillgelegt. Da war Staaken ganz im Westen Berlins, Airport von 1915 bis 1993. Da war mitten in der Stadt der Zentralflughafen Tempelhof, 1923 eröffnet, 2008 stillgelegt. Da war auch Gatow, 1935 eröffnet, 1994 geschlossen – hier sitzt heute das Kommando Luftwaffe.
Und demnächst Tegel. Das ist besonders traurig . . .
Hier ein Tagesausflug von Berlin Tegel nach London-City
Hinterlasse einen Kommentar