Ein Kleinod deutscher Rechtsgeschichte besitzen wir mit dem Klage- und Rügegericht von Volkmannrode im Südharz (Sachsen-Anhalt). Die heute wüste Siedlung Volkmannrode in der Nähe von Stangerode wurde um das Jahr 1000 erstmals erwähnt. Die Dorfstätte Volkmannrode liegt zwei Kilometer südsüdwestlich von Stangerode im Harz. Das Klage- und Rügegericht existierte bis 1875. Die Gerichtshütte steht heute noch. Dabei handelt es sich – so schrieb der hallesche Rechtshistoriker Prof. Dr. Rolf Lieberwirth – wahrscheinlich um das einzige Gebäude dieser Art in der damaligen DDR. Es ist vor allem ein Verdienst ehrenamtlich wirkender Heimatfreunde, dass sich die Hütte heute im originalgetreuen Zustand befindet, sie leisteten in ihrer Freizeit alle notwendigen Instandsetzungsarbeiten. Stand 1992.

Beurlaubt waren nur die Forellenempfänger

Die Hütte liegt nahe der Burg Falkenstein, deren  Geschichte mit Eike von Repgow eng verbunden ist. Er soll hier den „Sachsenspiegel“ geschrieben haben. Es war das erste deutsche Rechtsbuch und zugleich älteste Prosawerk in deutscher Sprache. Bis nach Aschersleben sind es rund 23 Kilometer Autofahrt.

Burg Falkenstein hoch über dem Selketal

Burg Falkenstein hoch über dem Selketal Foto: Weirauch

„Es ist bei Strafe untersagt, Walderzeugnisse anderer Art, insbesondere Gras, Kräuter, Heide, Moor, Laub, Nadeln und anderes Strauchwerk, Kienäpfel, Tannenzapfen, Eicheln, Buchen, Waldsämereien und Harz sich anzueignen, Borke zu reißen, Bast zu schälen, wildes Obst zu sammeln oder grünes Laub zu streifen …“. Die Verbote ordnete das Klage- und Rügegericht im Jahre 1607 an. Diese 1489 zum ersten mal erwähnte Gericht von Volkmannrode stammt noch aus der Zeit der fränkischen Rechtsprechung.

Das Harzgeroder Saalbuch von 1608 informiert darüber, dass das „Land- und Rügegericht“ alljährlich zweimal zu Walpurgis (1. Mai) und Michaelis (19. September) abgehalten wurde. Es fand unter mächtigen Linden, die größte ist heute rund 6,50  Meter dick und rund 400 Jahre alt, statt. Als Gerichtsherr fungierte der jeweilige Herzog von Anhalt, auf dessen Gebiet das alte Dorf Volkmannrode als Sitz des Gerichts lag. Dem Gericht waren die Einwohner mehrerer Dörfer unterworfen. Das bedeutete für die betroffenen Einerlei zweierlei: Sie mussten in allen Feld- und Forststreitigkeiten und -strafsachen vor dem Rügegericht Klage anbringen oder sich verantworten und an den beiden Gerichtstagen ihre Abgaben an den fiskalischen Steuereinnehmer zahlen. Um 1870 waren noch 200 Familien dem Gericht unterstellt. Wollten sie nicht für fünf Groschen Strafe zahlen, hatten sie mindestens einen erwachsenen Vertreter männlichen oder weiblichen Geschlechts zu den Gerichtstagen zu senden. Nur zwei Familien jeder Ortschaft waren davon freigestellt. Sie hatten für das Gerichtspersonal die „pflichtschuldigen“ Forellen zu fangen; wenn die ausblieben, mussten sie eine Strafe von zehn Silbergroschen zahlen.

Wie es bei Gericht zuging

Die Gerichtsverhandlungen spielten sich nach offenbar altem Ritus ab. Die Gerichtspersonen nahmen an einem Tisch Platz, bei schlechtem in dem kleinen dahinterliegenden Haus. Die anwesenden Dingpflichtigen traten um den Tisch herum. Richter und Schöffen eröffneten in einem formelhaften Dialog das Gericht. Nach der Verlesung der Rügegerichtsartikel – sie bezogen sich auf die Dingpflichtigen, Polizeigewalt, Abgaben und Strafen – wurde das Erscheinen der einzelnen Einwohner festgestellt. Danach kamen Feld- und Forstrügesachen zur Verhandlung. Hier wurden vor allem Eingriffe in die herzogliche Forstherrschaft geahndet. So steht zum Beispiel im anhaltischen Saal- und Lagerbuch aus dem Jahre 1737, wenn man Abgaben nicht termingerecht bringe, „so würden die Ländereien der Ungehorsamen gekreuzigt oder einige Stücke Vieh von der Weide genommen, wodurch sie mehrenteils zum Gehorsam gebracht werden“.Harz.Volkmannrode.Rügegericht.Sachsen-Anhalt

Noch schlimmer ahndete man andere „Vergehen“. So wurde das Abpflügen von Ackerflächen mit zehn Reichstalern Strafe belegt. Untersagt war ferner die Benutzung von Barten (Beilen), Hackmessern und „Hauenst“ (Waffen) durch Hirten und „Holzweiber“ im Walde. Verboten war es dem Volk, in den Wassern der Eine, Leine und Wiesbeck über das bisher übliche Maß hinaus zu fischen.

Aktualisierung 2021: Die hüte steht immer noch. Gottseidank ! Ist aber schwer zu finden. Tipp: Gegenüber dem alten Forsthaus Volkmannrode und dann über den Acker gehen. Das Flächendenkmal hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.

Nicht weit davon entfernt besuchten wir die Burgruine Arnstein, darüber später hier mehr.

Arnstein Burg

Blick zum Arnstein bei Harkerode

Sehenswert auch Schloss Wiederstedt im wildromantischen Wippertal.