Von Jörg Berghoff

Ein Museum im Umbruch: Ab dem 18 Juli 2025 präsentiert das LVR-Niederrheinmuseum in Wesel seine Neukonzeption mit neuer Dauerausstellung und Geschichten rund um das Leben am Wasser. Museumsbesucher/innen werden modern, medial und emotional angesprochen.

 Was für ein Gebäude: Eine langgezogene Fassade zur linken Seite aus hellrotem Stein, zur rechten Seite aus einer Glas-Stahl-Konstruktion bestehend, vor dem Gebäude drei Mäste mit Fahnen, auf denen LVR für den Landschaftsverband Rheinland steht. Und in einer Vitrine vor dem Eingang der liegende Kaiser Wilhelm I. Von der Regionalgeschichte bis zur Weltgeschichte zeigt das LVR-Niederrheinmuseum Wesel seine Dauer- und Sonderausstellungen in der ehemaligen Festung, die als Zitadelle Wesel 1687 am Rheinufer auf Initiative der mit dem Kurfürsten von Brandenburg verbündeten Niederlande errichtet wurde. Der Stützpunkt war Nachschubbasis und Rückhalt für brandenburgisch-niederländische Operationen gegen den gemeinsamen Widersacher Frankreich. Der wehrhafte Charakter der Anlage ist noch heute spürbar und beeindruckend.

Wesel-Zitadelle-a-PRB.JPG: Im Jahre 1718 wurde das Haupttor der Zitadelle Wesel im Auftrag von Friedrich Wilhelm I. von Preußen errichtet.

Im Jahr 1718 wurde das Haupttor der Zitadelle Wesel im Auftrag von Friedrich Wilhelm I. von Preußen errichtet. Foto: Berghoff

Leben in der Grenzregion

Das Leben am Niederrhein wird grenzüberschreitend beleuchtet und bezieht die Niederlande mit ein. Wie eng die deutsche und niederländische Geschichte miteinander verknüpft ist – das zeigt das LVR-Niederrheinmuseum in Wesel eindrucksvoll. Als Regionalmuseum widmet man sich natürlich zunächst der Geschichte des Niederrheins aus verschiedenen Perspektiven. Dabei nimmt man einen Imagewechsel vor und die Zielgruppe Familien besonders in den Fokus. Zentrales Erzähl- und Architekturelement in der Dauerausstellung ist der Rhein, der die erste Museumsetage als verbindende „Welle“ durchzieht. An diesen Strom knüpfen sich Geschichte und Geschichten der Region – es gibt darüber hinaus Bezüge zu übergeordneten Entwicklungen wie dem Buchdruck oder  wissenschaftlichen Errungenschaften in Medizin und Naturkunde. Aber auch der technologische Fortschritt zur klimaneutralen Logistik im Duisburger Hafen durch den Einsatz von Wasserstoff wird thematisiert. Durch diese enge Verzahnung zwischen dem Rhein als naturräumlichem Fundament und überregionalen Ereignissen als Bindeglied werden den Museumsbesuchern Dimensionen und Auswirkungen des menschlichen Handelns von der Mikro- zur Makroökonomie erläutert.

Rheinschifffahrt-Wesel-a-PRB.JPG: Auch die Binnenschifffahrt spielt am Niederrhein eine bedeutende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung.

Kaiser Wilhelm I. bewacht liegend den Eingang zum Niederrheinmuseum. Foto: Jörg Berghoff

Grenzüberschreitende Entwicklung

Zu den Themenschwerpunkten der Dauerausstellung gehören Humanismus und Reformation,tädte und Märkte, Kunst und Kirche, Fernhandel und Hanse, Absolutismus und AufklärungNationalismus und Imperialismus, Industrialisierung und Massenanfertigungen,  Zeitgeschichte und Zukunftsvisionen, Rohstoffe und Baustoffe, Europa mit Krisen und Konflikten, Biografien sowie Sprache und Bräuche. Als zweiten wichtigen Schwerpunkt greift die neukonzipierte Ausstellung grenzüberschreitende Entwicklungen und die Beziehungen zu den Niederlanden auf und setzt sich mit Themen aus Gesellschaft und menschlichem Dasein auseinander. So zum Beispiel mit der persönlichen und politischen Freiheit, mit Brauchtum, Sprache, Tradition und Identität oder auch mit dem Karneval. Dadurch entsteht ein lebendiges Bild des Niederrheins als Beispiel für die kulturelle und dynamische Entwicklung Europas in einer Grenzregion.

Die Ausstellungsräume des Niederrheinmuseums greifen die Wellen des Rheins als Gestaltungselement auf.

Die Ausstellungsräume des Niederrheinmuseums greifen die Wellen des Rheins als Gestaltungselement auf. Foto: Jörg Berghoff

Auf den Spuren der Esel

Und was hat es mit den Eseln in Wesel auf sich? Den wenig schmeichelhaften Spruch „Wie heißt der Bürgermeister von Wesel? Esel.“ hat beinahe jeder schon einmal gehört, er wurde bereits im 19. Jahrhundert vom deutschen Heimatdichter und Volksliedforscher Anton Wilhelm von Zuccalmaglio, der sich selbst Wilhelm von Waldbrühl nannte, festgehalten. Auch im Niederländischen ist dieser Schmähruf bekannt: „Wie is de burgemeester van Wezel? Ezel.“

In Wesel ist der Esel zum Markenzeichen geworden, er ist überall im Stadtbild wie hier an der Zitadelle zu finden.

In Wesel ist der Esel zum Markenzeichen geworden, er ist überall im Stadtbild wie hier an der Zitadelle zu finden. Foto: Jörg Berghoff

Hansestadt am Niederrhein

Ursprünglich wurde er auf Rheinschifffahrten gebraucht und bezog sich nicht auf die niederrheinische Stadt Wesel, sondern auf Oberwesel am Mittelrhein. Das stört heute keinen mehr, Wesel hat sich mit dem Esel angefreundet, vermarktet ihn als Symboltier, stellt ihn als lebensgroße Skulpturen aus, verleiht den jährlichen Eselsorden und feiert ein gut besuchtes Esel-Rock-Festival. Auf dem offiziellen Stadtwappen allerdings sind drei silberne Wiesel zu sehen, die erstmals im 14. Jahrhundert im Wappen auftauchten und bildhaft den Namen der Stadt transportieren: Wesel bedeutete im am Niederrhein gesprochenen Niederdeutschen „Wiesel“. Und bereits 1269 zeigen das große Siegel der Stadt und das dazugehörige Rücksiegel je ein Wiesel. Ob man sich nun für den Esel oder das Wiesel als Sympathieträger entscheidet, ist nebensächlich, denn die Hansestadt Wesel hat auch ohne Tiersymbolik eine ganze Menge Attraktionen zu bieten. Und, das muss auch erwähnt werden, seit 2004 mit Ulrike Westkamp eine Bürgermeisterin. Ob das PPP-Stadtfest mit Pauken, Plunder und Promenade im August oder das große Historische Hansefest im Oktober, Feiern am Rhein wird in Wesel groß geschrieben. Beeindruckend ist auch vor allem der Willibrordi-Dom, eine spätgotische Basilika aus dem 16. Jahrhundert, die Befestigungsanlage Zitadelle aus dem 18. Jahrhundert, der Große Markt mit der spätgotisch-flämischen Rathausfassade, das beliebte Ausflugsziel Auesee vor den Toren der Stadt und die 2009 fertig gestellte Niederrheinbrücke mit der imposanten Stahlseilkonstruktion.  www.wesel.de und https://niederrheinmuseum-wesel.lvr.de

 © Text/Fotos: Jörg Berghoff