Wie die Leipziger Volkszeitung am 9.11.2022 berichtet, soll die Antonov 225 wieder aufgebaut werden.

Leipzig. Das ehemals größte Frachtflugzeug der Welt, die Antonov An-225, wird nach Angaben des ukrainischen Botschafters in Deutschland wiederaufgebaut. Wie Oleksij Makejew am Montag auf einer Veranstaltung am Flughafen Leipzig/Halle sagte, hätten die Arbeiten in der Ukraine schon begonnen.

———————————————————————————————————————————————————————————————————————————

Pleiten, Pech und Pannen standen Pate bei diesem Flugzeug, der Antonow 225, diesem wahren Ungetüm – dem größten Flugzeug der Welt. Es hat unglaubliche Zulademöglichkeiten – was immer sich nicht oder kaum auf Straße und Bahn befördern lässt, passt in den einmaligen Rumpf der An225. Zwei Beispiele für Rekorde bei einer Luftfracht : Von Prag nach Taschkent wurde eine Ölpipeline-Ausrüstung mit einem Gewicht von 247 Tonnen transportiert. Ein „nur“ 190 Tonnen schwerer Generator für ein Gaskraftwerk wurde von Frankfurt-Hahn nach Armenien geflogen. Beide Frachten fanden im „Guinness Buch der Rekorde“ Berücksichtigung. Die maximale Zuladung wird offiziell mit 345 Tonnen angegeben – doch auch weitere Maße sind beeindruckend:

Größtes Flugzeug der Welt: Antonov 225

Die Antonow 225, von der es nur ein Exemplar gibt, ist bei einer Flügelspannweite von 88,4 Meter 84 Meter lang. Zum Vergleich die Boeing 747: 76,4 Meter lang, bei einer Flügelspannweite von 68,5 Meter. Die 225 , Heimatland die Ukraine, hat auch beachtliche Frachtraumabmessungen: 43,3 Meter Länge, 6,4 Meter Breite, 4,4 Meter hoch. Das Frachtraumvolumen liegt bei 1 220 Kubimeter. Die Bundeswehr chartert die 225 immer dann, wenn schweres Gerät – etwa Panzer oder Haubitzen – für einen Auslandseinsatz verlegt werden müssen. Oder, wie kürzlich Corona-aktuell, rund 10,5 Millionen Schutzmasken ihren Weg aus China nach Leipzig fanden.

Antonov 225 in Leipzig Foto: Bundeswehr/Neumann

Antonov 225 in Leipzig Foto: Bundeswehr/Neumann

zum heutigen Dauerbrenner

Die Antonov kann von beiden Enden des Rumpfes beladen werden – vorn wird das Cockpit nach oben gefahren, hinten steht eine Rampe zur Verfügung, über die etwa Lastwagen oder Busse direkt ins Innere gefahren werden können. Bei maximaler Zuladung hat die 225 eine Reichweite von 2 500 km. Sie hat eine Höchstgeschwindigkeit von 850km/h, ihre Dienstgipfelhöhe – um den entsprechenden aerodynamischen Begriff zu verwenden – liegt bei 11 000 m.Bei höchster Zuladung wird eine Startbahn von 3,5 km Länge benötigt. Außergewöhnlich und besonders fotogen auch dies: Die 225 hat sechs Düsentriebwerke, je drei unter jedem Flügel. Das überdimensionierte Fahrwerk hat 32 Räder – ein Airbus A380, größtes jemals in Serie gebaute Passagierflugzeug, hat 12 Räder. Diese A380, die ab 2022 nicht mehr gebaut wird, hatte 2018 einen Stückpreis von 445 Millionen Euro. Auf eine vielfach (!) höhere Summe darf die Antonow 225  veranschlagt werden.

Das hängt auch mit ihrer dramatischen Geschichte zusammen, mit den damit verbundenen russischen Pleiten, Pech und Pannen. Das ganze ist ein spannendes Politikum aus dem Kalten Krieg. Den Amerikanern war es gelungen, die Sowjetunion beim Rennen zum Mond zu schlagen, indem die  USA sechsmal hintereinander jeweils zwei Astronauten auf dem Erdtrabanten landeten und danach sicher wieder zur Erde zurückholten – dank der Saturn-5-Rakete des Deutschen Wernher von Braun. Sie hatten zudem ein spektakuläres Nachfolgeprojekt verwirklicht, den Space Shuttle. Diese Raumfähre war im Grunde genommen ein Weltraumflugzeug. Außer einer achtköpfigen Mannschaft konnte es 24,5 Tonnen Fracht befördern und somit Personen und Nachschub zu Raumstationen, etwa der heute noch existierenden ISS (International Space Station), transportieren. Den Mond hatten die Sowjets abschreiben müssen, aber beim Shuttle wollten sie mitmischen. Deshalb entwickelten sie ihre eigene Raumfähre, „Buran“ genannt. Um sie vom Produktionsort Kaliningrad ins sibirische Startzentrum Baikonur zu befördern, wurde die Antonow 225 in Auftrag gegeben. Sie transportierte Buran Huckepack. Das gesamte Projekt Buran/An225 beschäftigte zeitweise 30.000 Menschen – und wurde schließlich 1991 eingestellt. Zu teuer, zu kompliziert. Auch Amerikas Space Shuttle hatte nach zwei verheerenden Unglücken keine Zukunft.

leistungsstärkster fliegender Frachter der Welt

Das wurde auch von der Antonow 225 erwartet. Weit gefehlt! Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit der Ukraine wurde das bei Kiew gelegene Antonow-Werk in den ukrainischen Rüstungskonzern Ukroboronprom integriert. Die einzige Antonow 225 wurde zunächst quasi eingemottet, da sie als veraltet galt und die Ukraine keine Verwendung für den fliegenden Riesen sah. Bis den Verantwortlichen in Kiew, der Hauptstadt der Ukraine, die eigentlich naheliegende Idee kam – die Antonow 225 aus der Mottenkiste zu holen, zu modernisieren und zu vermieten, als den größten und leistungsstärksten fliegenden Frachter der Welt. Kein Zweifel – dieses Geschäft lohnt sich.

„Europäischer Frachtflughafen des Jahres“

Flughafen Leipzig/Halle, Uwe Schossig

Pressefoto: Flughafen Leipzig/Halle, Uwe Schossig

Der Flugplatz Halle/Leipzig, unmittelbar nach der deutschen Wiedereinigung als „Flugfeld Schkeuditz“ unterschätzt, gehört inzwischen zu den weltbekanntesten Frachtflugplätzen Europas. DHL, das Paketunternehmen der Deutschen Post, hat Leipzig mit rund 300 Millionen Euro zu einem Drehkreuz ausgebaut. Die Ukraine hat sechs Antonow 124 in Leipzig stationiert, weitere können binnen Stunden parat stehen – die clevere Ukraine baut ihre Charterangebote in Leipzig ständig aus. Die Antonow 124 kann bis zu 150 Tonnen Nutzlast befördern. Auch die US-Armee nutzt Leipzig für Transporte, zum zwischenlanden oder auftanken. 2014 und 2017 wurde Leipzig von einer Fachtagung zum „Europäischen Frachtflughafen des Jahres“ gewählt. Natürlich hat Leipzig auch Bedeutung als Passagierflugplatz. 2019 wurden hier 2,6 Millionen Passagiere abgefertigt. Ein Ausbau der Anlage mit einer Jahreskapazität von sieben Millionen Passagieren ist möglich.

Hier ein weiterer Text auf einfachraus.de von unserem Luftfahrtautoren Wolfgang Will