Von Kärstin und Dieter Weirauch
Das Frühstück im Schloss Moszna ist eine sehr gute Grundlage für die Erlebnisse des heutigen Tages. Es geht nach Paczków, einer kleinen Stadt im Landkreis Nysa, Woiwodschaft Opole, am Fuße des Goldenen Gebirges, in der Nähe dreier Stauseen (Otmuchowskie See, Neisser- und Patschkauer-Stausee). Die Atmosphäre in und um Paczków ist idyllisch. Wir möchten länger bleiben, erst recht, nachdem wir mit unserem Stadtführer Herrn Michał einen mehrstündigen Stadtrundgang durch das ganz gut sanierte Städtchen Patschkau mit vielen Überraschungen erlebten. Die Stadt zog uns mit ihrer erhaltenen mittelalterlichen Architektur in ihren Bann. Die Altstadt wird von einer 1200 Meter langen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert umgeben, bis heute in nahezu unveränderter Form erhalten. Den Mittelpunkt des Marktplatzes dominiert das Rathaus mit einem schönen Renaissance-Turm.
Hier ist auch die Tourismus-Info zu finden, wo wir unseren deutsch sprechenden Guide treffen, einen jungen Mann, der seine Stadt liebt und das auch seinen Gästen gut vermittelt.Die Führung ist zu keinem Zeitpunkt langweilig, zügig geht es voran, um möglichst viele Sehenswürdigkeiten an diesem Vormittag kennenzulernen.
Zunächst geht es zum Stadtmodell, nur wenige Schritte seitwärts vom Rathausturm. Eine mittelalterliche Stadt – wie vom Reißbrett durch die Stadtplaner angelegt. Senkrechte Straße beiderseitig mit Mietshäusern wie an einer Perlenkette gereiht. Vier gut erhaltene Stadttore (Breslauer Tor, Neisser Tor, Glatzer Tor und Frankenstein Tor) führen aus der Altstadt hinein oder heraus.
Marktplatz mit Rathausturm
Das Rathaus mit seinem Turm dominiert den Marktplatz. Erbaut in den Jahren 1550-52, finanziert durch den damaligen Bischof von Breslau, Baltazar Promnitz. In den Jahrhunderten mehrmals umgebaut, hat nur der Rathausturm seinen Renaissancecharakter bewahrt. 144 Treppenstufen, zum Teil ausgetreten, führen uns in die Turmspitze. Im Vergleich zum Piastenturm in Opole ist dieser Aufstieg beschwerlicher. Keine neugebaute hölzerne Treppe mit Handlauf, sondern eine steinerne ohne Handlauf, die kaum Spielraum in die Höhe bietet, für größere Menschen bietet sie den direkten Kontakt zur mittelalterlichen Wand, der z. T. sehr schmerzhaft sein kann. Der 45 Meter hohe Turm ist einer der besterhaltenen Renaissance-Türme in Schlesien und für alle „Aufsteiger“ ein großartiger Aussichtspunkt. Alle Mühen und Blessuren sind vergessen, als wir die Aussichtsterrasse betreten. Ein historisches Uhrwerk, 1858 von dem Uhrmacher Carl Weiss aus Glogów hergestellt sowie drei Glocken aus den Jahren 1714 bis 1735 sind zusätzliche Sehenswürdigkeiten. Seit dem 20. Juni 1964 ist das Rathaus von Patschkau in das Denkmalregister der Stadt eingetragen.

Blick über den Rynek auf die Kirche St. Johannes
Paczków (Patschkau) – polnisches Carcassonne
Aufgrund ihrer gut erhaltenen mittelalterlichen Befestigungsanlage wird trägt Paczków (Patschkau) den Beinamen „Polnisches Carcassonne“. Die Stadtmauer, ein ovaler Ring von Verteidigungsmauern, die die Stadt in einer Länge von 1200 Metern umgibt und eine Höhe von bis zu sieben Metern hat und mit 19 Muscheltürmen und vier Toren ausgestattet ist, ist unser nächstes Ziel.
Die erste Mauerkonstruktion wurde um 1300 erbaut und war komplett aus Holz, etwa 20 Jahre später zur besseren Verteidigung durch eine Steinmauer ersetzt. Weitere feindliche Überfälle mit großen Schäden führten dazu, dass ab 1514 eine dauerhafte Rekonstruktion der Mauern zu einem neuen Befestigungssystem führte. Neben der 9 Meter hohen Innenmauer wurde eine vier Meter hohe Mauer mit zahlreichen Artillerieständen errichtet, ein Wassergraben bot einen zusätzlichen Schutz. 2013 wurde der heute nicht mehr existente Wassergraben mit Kastanien und Linden bepflanzt, so dass der Spaziergang entlang der Mauerkrone wie eine grüne Lunge der Stadt wirkt und Schatten bei sonnigem Wetter bietet.
Die historischen Gebäude rund um den Rynek bieten einen Querschnitt durch die Baustile der letzten Jahrhunderte: Renaissance, Barock, Klassizismus und sogar Gotik.
Pfarrkirche St. Johannes Evangelist
Die Kirche gilt als die berühmteste Wehrkirche Mitteleuropas. Als höchstes Gebäude in Patschkau thront sie mit ihrem 64 Meter hohen Turm über der Stadt. Sie bezaubert mit einem mächtigen Turm und einem Dach, dessen Abschluss in Form sogenannter Schwalbenschwänze besticht. Sie wurde an der Stelle eines hölzernen Tempels zwischen 1350 bis 1380 errichtet. In den Jahrhunderten wurde sie mehrfach umgebaut, so dass die heutige Kirche Formen verschiedener Architekturstile aufweist.
Weiter kommen wir auf unserem Stadtrundgang am legendären Henkerhaus außerhalb der Stadtmauer, direkt hinter dem Neisser Tor, vorbei. Es ist ein Ort, der mit zahlreichen Legenden und Anekdoten behaftet ist. Hier wohnten Berichten zufolge seit Generationen der Stadtfolterer und seine Familie. Sie waren aufgrund des zweifelhaften Ruhmes ihres Berufes in der Stadt nicht gelitten. Ihnen wurde kein anderes Handwerk zugetraut, also mussten die Kinder bei dem Gewerk ihrer Väter bleiben. Außerdem wollte im Todesfall niemand ihrer Sarg tragen. Heute ist das unter Aufsicht der Denkmalpflege wunderbar restaurierte Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert eine besondere Sehenswürdigkeit. Neben historischen Exponaten befindet ist auch eine „Kammer des Henkers“, die die Wohnung des Patschkauer Henkers rekonstuiert, zu sehen.
Gaswerk-Museum
Auf unserem Stadtrundgang gelangen wir in der Nähe vom Frankensteintor zum Gaswerk-Museum. Es befindet sich in der Strße Pocztowa 6. Dort wurde das ehemalige Gaswerk zwischen 1898 bis 1901 erbaut. Am 31. Dezember 1901 strömte erstmals Gas in die Stadt. Zu Beginn war in der Gasanlage nur ein Fünf-Heißluftofen in Betrieb, mit dem die Straßen des Marktes beluchtet, Wasserpumpen angetrieben und Mahlzeiten zubereitet wurden.
In den Folgejahren Um- und Neubauten weiterer Anlagen Verbesserungen in der Energieversorgung. Ein gusseisernes Gasnetz, eine neue Entschwefelungsanlage, die Sanierung des Gastanks, Erneuerung der Eisenleitungen u. v. m. führten dazu, dass die steigende Anzahl der Gasverbraucher bis 1977 gut mit Energie versorgt wurden. Nach der Schließung des Gaswerks Patschkau wurde mit der Einrichtung des heutigen Museum begonnen, das am 23. November 1991 eröffnet wurde.
Alte Architektur, historische Produktionslinien und Gasaufbereitungsanlagen sowie Tausende von Exponaten (3000), die zur Gasindustrie gehören bilden eine einzigartige museale Einrichtung, in der die Anlagen zur Erzeugung von Stadtgas vollständig erhalten sind. In den Jahren 2005 bis 2007 wurde das Museum umgestaltet. Ausstellungs- und Schulungszentrum verbinden heute moderne Technologie mit Tradition.
Ein großer Teil der Ausstellungen ist auch interaktiv erlebbar. Das Museum hat auch die größte Sammlung von Haushaltsgaszählern in Europa (rund 600 Exemplare), untergebracht im Gasometer, dort, wo einstmals das Gas gespeichert wurde.
Ein einzigartiges Museum in Polen, dessen Besichtigung bei einem Besuch in Paczków unbedingt auf dem Programm stehen sollte.
Und wieder ist Musik im Spiel … Die Gas-Licht-Orgel gibt Mozart-Weisen wider.

Dampfspeicherlok, 1927 beiRrichard Hartmann in Chemnitz gebaut
Paczków (Patschkau) – die Stadt der Dohlen

Die Dohle von Patschkau als Werbeträger für die charmante Stadt
Wir verabschieden uns mit einer weiteren Anekdote von der liebenswerten Stadt. Vor vielen Jahren nisteten zahlreiche Dohlenschwärme in den Paczków-Türmen. Bald wusste man nicht, gibt es mehr Dohlen als Einwohner in der Stadt? Mit der Zeit wurden die Dohlen zu Helden eines in Schlesien gebräuchlichen Sprichwortes. Böswillige Junggesellen, die die allzu wählerischen Mädchen ärgerten, so dass diese ihnen nachriefen: „Du wirst ein alter Mann und musst nach Paczków gehen, um die Türme zu waschen. Ich werde gern die Leiter halten.“ Auf diese Weise wurden die Dohlen bald zum Symbol der Stadt, die bald den Beinamen „Stadt der Dohlen“ erhielt. Wie anderswo Tauben im Stadtbild nicht erwünscht sind, so wurden die Dohlen auch aus Paczków vertrieben. Doch findige örtliche Bäcker begannen, Kekse herzustellen, die in Form und Farbe den Dohlen ähnelten. Heute erfreuen sie Groß und Klein und erinnern auf einem Beizettel an die Legende. Und eine Dohle als Kuscheltier kann man natürlich auch als Souvenir aus Patschkau mitbringen.
Auto-Motor-Metamuseum
Doch das Motor-Metamuseum geht auf eine einzigartige Initiative der Stiftung der Biernacki-Familie zurück. Eine bekannte polnische Rennfahrerfamilie, die unter dem „Konzept der Vorstellungskraft“ ein besonderes Museum gegründet hat.

Rennfahrerlegende, Ingenieur und Mäzen Marcin Bernacki ion sienem Mitmachmuseum
Marcin Bernacki gehörte in den 60er Jahren zu den bekanntesten polnischen Formel 1 – Piloten. Sein Sohn Marcin , Jahrgang 1974, ist erfolgreich die fußstapfen seines Vaters getreten.

Dem Auto unter den Rock schauen, hier ist es möglich
Nach der von Konfuzius formulierten Idee „Sag es mir und ich werde es vergessen. Zeige es mir und ich werde es mir merken. Lass es mich tun und ich werde es verstehen“ entstand ein Mitmachen-Museum Explorium?. Auf einer 1200 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche finden Automobilbegeisterte wahre Autoschätze internationaler Automarken, viele von ihnen sind schon Oldtimer. Aber wichtiger sind den Stifungsmitgliedern die Experimente, die jeder Musumsbesucher, ob groß oder klein, durchführen kann. An über 30 interaktiven Stationen erfährt man durch selbstständiges Betätigen Wissenswertes auf dem Gebiet der Physik und Technologie, Einfach, aber mit großer Wirkung. Nicht nur Touristen kommen hierher, auch Schulausflüge führen häufig ins Museum, befriedigen die Schüler in ihrer Neugierde z.B. auf die Funktionsweise eines Automotors.
Weingut Hople
Gleich nebenan können Weinliebhaber an einer Weinverkostung in einer weiteren zu einem Weinkeller ausgebauten Scheune teilnehmen, sofern sie vor einem Besuch des Motor-Metamuseums diese gebucht haben. Der sehr kundige Winzer Herr Ryszard, der in Frankreich das Handwerk eines Weinbauers erlernt hat, gibt gern sein Wissen weiter. Uns empfiehlt er den Vette (Kerner, Kernling), den Integral (Trainer) und den Carrera (Pinot Blanc). Mir gefällt der Vette sehr gut, da er sehr herb und fast zuckerfrei ist. Übrigens sind alle Weinsorten nach Automarken benannt, die natürlich auch im Museum zu sehen sind.
Und auch auf diesem Komplex spielt an manchen Tagen die Musik eine große Rolle. So am 31. Mai 2025, wo im oberhalb des Weinkellers ausgebauten Konzert- und Konferenzsaal mehr als 300 Musikliebhaber einem von der Stiftung gesponserten Konzert erleben können. Nahe am Weinberg – ein wunderschönes Fleckchen Erde, um im Oppelner Land einen kleinen Urlaub einzulegen.

Blick vom Rathausturm auf den Weinberg des Weingutes Poraj, auch Hople genannt.
Motor-Metamuseum und Weingut Hople
Straße Kościuszki 4 C und 4 B Mehr im Intertnet unter www.hople.pl
Tipp zum Mittagessen
Restauracja Paczkowska
Wojska Polskiego 40

Das freundliche Gastwirtspaar im Restauracja Paczkowska in Patschkau/Paczków
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