update 2024 : auch 2024 soll „Gustav“ nicht in See stechen, wie die PNN berichtet.
Dampfschiffkapitän oder Lokführer zu sein – das war einer meiner Kindheitsträume. Und heute, mit über 60 Jahren (ein so genannter Best Ager), bin ich mindestens einmal im Jahr bei Uli Kuhberg zu Gast auf dem Dampfschiff „Gustav“ in Potsdam. Ulli ist nämlich Dampfschiffkapitän. Er steuert einen der letzten noch mit Kohle beheizten Dampfschiffe auf deutschen Gewässern.
… runter zur Dampfmaschine
Und dafür, dass immer genügend Druck auf dem Kessel (15 bar) ist, damit also die Dampfmaschine flott arbeiten kann, sorgt Maschinist Oliver Hildebrand, ebenfalls ein Könner seines Fachs.
Die Dampfschiffexperten überschlagen sich geradezu vor Freude, wenn sie mit DS Gustav fahren.
Vor allem wollen allen die Dampfmaschine sehen, hier ein kleiner Vorgeschmack. Begeistert sind nicht nur die Fans aus der Schweiz, die regelmäßig mit der „Dampferzeitung“ nach Potsdam und Berlin fahren. Thomas Erne, der Geschäftsführer der Bieler Schifffahrtsgesellschaft, bekommt feuchte Augen, wenn er an seine letzte Fahrt mit DS „Gustav“ denkt.
Kapitän hat immer gute Laune
Meist vergessen die Passagiere, dass Kapitän Uli Kuhberg vor allem steuern muss (an manchen Wochenenden sind Havel und Seen übervoll mit Freizeitkapitänen, diversen Hausboot-Neulingen und neuerdings mit paddelnden Surfern (auch so etwas gibt es), und kleinen Jollen, die schon mal in der Hauptwasserstraße der Berufsschifffahrt herumgeistern. Trotzdem verliert er nie die gute Laune.
Dampfschiff „Gustav“ hat Kultstatus
Und Oliver unten bei der Maschine muss so nebenbei während einer Fahrt 150 Kilogramm Briketts in den feurigen Schlund schaufeln. Alle Achtung !!! Das Thermometer im Maschinenraum zerbarst bei 50 Grad, wenn’s draußen 38 Grad sind – das ist das da unten schon mehr als subtropisch. Auch die Arbeitsweise der einzigartigen oszillierenden Dampfmaschine wird gut illustriert. Physiklehrer, die das Thema Dampfmaschine behandeln, können hier Anschauungsunterricht bekommen.
Der „Gustav“ wurde in Brandenburg gebaut
Hier gibt es auf Modellskipper Infos zu DS Nordstern.
In Brandenburg dampfte „Nordstern“
Wer noch ein tolles Dampfschiff erleben will, der sollte in der Domstadt Brandenburg fahren. Dort schnaufte bis vor kurzem die „Nordstern“ meines Freundes Lothar Bischoff (verstorben 2020). DS Kaiser Wilhelm in Lauenburg auf der Elbe fährt nach langer Reparatur nun endlich auch wieder.
Die wenigen kohlenbefeuerten Dampfschiffe in Deutschland werden immer weniger. Die „Diesbar“ der Sächsischen Dampfschifffahrt fährt ab und an. Auch die „Krippen“. Ebenso die kohlenbefeuerte „Sachsenwald“, auf der Oberelbe.
Dampfmaschinen haben auch der Eisbrecher „Wal“ in Bremerhaven und die„Stettin“, die „Alexandra“ und „Scharhörn“ im Museumshafen Ovelgönne. In Schweden entdeckte ich unlängst auch ein Dampfschiff. Dipl.-Ing. Andreas Westphalen, den ich beim Dampfrundum in Flensburg traf, gab mir weitere Tipps, wo diese Veteranen alter Technik noch so herumdampfen. So lernte ich die Dampfbarkasse „Otto Lauffer“, ebenfalls Hamburg und Dampfschlepper „Klaus D“ kennen. In Leer dampft „Prinz Heinrich“. Übrigens seit einiger Zeit habe ich nichts mehr von „Geheimrat Garbe“ gehört, zuletzt in Potsdam ansässig. Wo ist der Dampfer abgeblieben ?
Wo gibt es noch Dampfschiffe ?
Eine Attraktion ist zweifellos auch Schaarhörn in Hamburg, ebenso der mit Kohle beheizte Eisbrecher Stettin. Der Eisbrecher ist während der Sommermonate für Gästefahrten auf der Elbe sowie der Nord- und Ostsee unterwegs. Dann können Besucher im Maschinenraum den Heizern dabei zusehen, wie sie per Hand bis zu 1.500 Kilogramm Kohle pro Stunde verfeuern, um die zwei riesigen Kessel unter Dampf zu halten.
Da hat es Oliver Hildebrand auf DS „Gustav“ in Potsdam etwas leichter, aber nur etwas. Andreas Mebold aus Albstadt schwitzte während seines Potsdam-Besuches bei dem Versuch eine volle Schippe Briketts in die Feuerluke zu werfen, die Zeit der Heizer ist wohl vorbei. Umso mehr sollten wir die Arbeit derjenigen schätzen, die uns mit ihrer Dampfnostalgie in unsere Kindheit zurückversetzen.
Wer kennt noch Dampfschiffe ?
Ach so, eine Bitte. Kennt noch jemand echte Dampfer, wo noch wie vor 100 Jahren Kohle in den Feuerraum geschmissen wird? Die Gemeinschaft Deutscher Dampfschiffe, seinerzeit initiiert von Knut Friedemann, hat sich aufgelöst, mittlerweile vermittelt www.modellskipper.de einen guten Überblick über die letzten kohlebefeuerten Dampfschiffe auf deutschen Wasserstraßen. Und wenn mehrmals am Tag die dampfbetriebene Sirene vom „Gustav“ über Potsdam erschallt – dann heißt es auch: einer der letzten Dampfer verrichtet seinen Dienst, wie vor mehr als 100 Jahren. Techniktrumpf aus Uropas Tagen. Kindheitserinnerungen werden wach. Der Hang zur Nostalgie nimmt in unserer Generation ja zu, wie ich bei diversen Treckertreffen oder Eisenbahnfesten immer wieder erlebe. Aber auch Kinderaugen leuchten, wenn sie das Dampfschiff elegant durch die Havel pflügen sehen. Nur, dass es einer der letzten kohlebetriebenen Schiffe ist, das erfährt man erst, wenn man mitfährt.
Mehr im Internet unter Haveldampfschifffahrt Potsdam.
Hier geht es zum aktuellen Fahrplan von DS „Gustav“
Parken: Am Lustgartenwall
Gut essen im El Puerto direkt am Hafen Lange Brücke
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