Es gibt Kunstinteressierte, die alle bisherigen Ausstellungen von Rohkunstbau bisher gesehen haben.  Sie werden auch ab Samstag zur 25. Schau nach Lieberose am Rand des Spreewaldes fahren. Das etablierte Brandenburger Kunstfestival feiert im Jubiläumsjahr gemeinsam mit Künstlern*innen der vergangenen 25 Ausgaben, darunter viele bekannte Namen aus der internationalen Kunstszene. Es gleicht einem Wunder, dass der engagierte Förderverein Rohkunstbau mit Gründer Dr. Arvid Boellert in so kurzer Zeit die spektakuläre Schau in dem morbiden Schloss Lieberose (Dahme-Spreewald) hat aufbauen können. Chapeu!Schloss Lieberose Brandenburg

Schloss Lieberose Rohkunstbau

Im von der Corona-Pandemie und dem Gebot des „Social Distancing“ geprägten Jubiläumsjahr lautet das Rohkunstbau-Motto – scheinbar paradox – „Zärtlichkeit. Vom Zusammenleben.“ Kuratorin der  Ausstellung ist seit diesem Jahr Dr. Heike Fuhlbrügge. Sie löst den langjährigen Rohkunstbau-Kurator Maik Gisbourne ab. Brandenburgs bekanntestes Festival für zeitgenössische Kunst wird in unabhängiger Trägerstruktur vom Verein der Freunde des Rohkunstbau e.V. fortgeführt. In der Vergangenheit war die Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg Träger der Ausstellungsreihe.

Was will Rohkunstbau ?

Eine Antwort könnte lauten: Rohkunstbau will dem Zeitgeist kultureller Coolness und sozialer Härte gezielt die sanfte Macht einer Politik der Zärtlichkeit und eine Strategie der „Revolution der zärtlichen Liebe“ (Isabella Ganzini) entgegensetzen. Das Spektrum der gezeigten Werke reicht von subtilen Interventionen in den historischen Schlossräumen (Karin Sander) über die gemalte Wucht „Zärtlicher Landschaften“ (José Noguero) bis hin zur massenmedialen Konservierung zarten Gefühle (Objektkunst von Gregor Hildebrandt aus auf DVD-gepressten Liebesfilmen).

Lieberose Brandenburg

In den Kriegswirren 1945 gingen der Nordflügel und ein Teil des Westflügels mit dem alten Schlossturm verloren

Patchwork aus deutschen UniformenAntithese zum Zarten formuliert Michael Sailstorfer: Der Künstler rollt mit einem Patchwork aus deutschen Uniformen Fragen nach Polizeigewalt wie auch Gewalt gegen Polizisten auf. Das Publikum darf den „Polizeiteppich“ betreten und sogar darauf herumtrampeln. Thomas Rentmeister berührt Schmerzpunkte, die aus fehlender Solidarität und Humanität resultieren. Das Material seiner Installation – Bettgestelle und Kinderspielzeug – stammt aus einem verlassenen deutschen Flüchtlingsheim. Eine Klammer der ausgewählten Werke bilden Zwischentöne, der Charme des Beiläufigen, das Spiel der Fantasie, die Auflösung der Grenzen des Eindeutigen und die besondere Kraft des Subtilen, Sensitiven und Imaginären. „Die Imagination ist die stärkste Kraft in meiner Kunst“, sagt die Künstlerin Leiko Ikemura. Die 20 Künstler*innen der Jubiläumsausstellung kommen aus unterschiedlichen Nationen, leben aber überwiegend in Berlin. In der Presseinformation der Agentur Art.Weingarten lese ich zum anliegen von Rohkunstbau: „Rohkunstbau ist von Beginn an auch ein Schaufenster der Kunstmetropole Berlin im brandenburgischen Naherholungsraum. „

Warum der Name Rohkunstbau ?

Die Wortschöpfung Rohkunstbau ist abgeleitet vom ersten Ausstellungsort 1994: eine Betonhalle in Groß Leuthen bei Lübben, die 1989 für die Arbeiterfestspiele der DDR errichtet worden war und Rohbau geblieben ist. Seit dem besucht die Ausstellungsreihe wechselnde Orte, vor allem Gutshäuser und Schlösser.  Austragungsorte waren u.a. die Schlösser Roskow, Groß Leuthen, Sacrow, Potsdam-Marquardt oder die Villa Kellermann in Potsdam. Jahresthemen wie „Kinderszenen“ (2005), „Atlantis“ (2009), „Macht“ (2011), „Revolution“ (2014), „Apokalypse“ (2015), „Die Schönheit im Anderen“ (2017) oder „Achtung – Mind the Gap“ (2018) waren Impulsgeber für ein vertieftes Nachdenken über kulturelle, soziale und politische Zusammenhänge.Lieberose schloss Lausitz

Im Jubiläumsjahr ist es erneut das Barockschloss Lieberose am Rande des Spreewaldes. Seit Jahren sucht die Brandenburgische schlösser GmbH zusammen mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz nach einem Käufer für das, trotz Teilabriss nach 1945, immer noch zu den größten Barockschlössern Brandenburg gehörende Anwesen mit einem zauberhaften Park.  Für mich ist das Schloss Lieberose ein begehbares Objekt, wie man bei einem Rundgang durch die einzelnen Ausstellungsräume erleben kann. Rohkunstbau belebt diesen lost places gehörig in diesem Sommer.

Auch Einheimische werden kommen, wie seinerzeit in Marquardt. Sie erinnern sich an die Zeit nach 1945, als in dem Schloss Kindergarten, schule und Einkaufsladen waren. Träume, wie der Einzug eines deutsch-europäisches Begegnungszentrum zerplatzen in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die neuste ‚Idee, um lieberose bekannter zu machen ist ein „Putin-Radweg“, wie der rbb unlkängst vermeldete.

Hier geht es zur Naturwelt der Lieberoser Heide.

Lieberose lädt Tagesgäste ein

Der 1500-Einwohner zählende Ort hat eine gut informierende Touristinformation in der Darre, gleich neben dem Schloss. Es gibt eine schier uimfangreiche Auswahl an Prospekten und die kundige Dame am Tresen weiß auf Anhieb, wo man Eis oder Kuchen bekommt. Leider ist das Darre-Restaurant seit kurzem geschlossen. Im Ort gibt es aber weitere Lokalitäten.

Blick vom Schloss in den Ortskern von Lieberose

Blick vom Schloss in den Ortskern von Lieberose

Das Schloss Lieberose ist eines der größten Barockschlösser im Land Brandenburg. Zum Schloss gehört ein 34 Hektar großer Park. Schloss und Park besitzen eine prägende, städtebauliche Bedeutung. Herausragend ist der verbliebene, plastische Schmuck des späten 17. Jahrhunderts im Inneren. In einigen Räumen befinden sich noch qualitätvolle Stukkaturen (spätes 17. Jh.), historische Kamine und Wandpaneele. Über die wechselvolle Baugeschichte informiert das Heft Lieberose, herausgegeben vom Freundeskreis der Schlösser und Gärten der Mark.

Die Ursprünge des Schlosses gehen auf das 13. Jahrhundert zurück. Seine heutige Form erhielt das Schloss im 18. Jahrhundert unter den Reichsgrafen von der Schulenburg. Das Barockschloss wurde im Stil eines Residenzschlosses erbaut und diente dem sächsisch-polnischen Hofe als Reisestation. Die ehemals barocke Vierflügelanlage wurde durch Bombardierungen 1945 teilweise zerstört. Überaus bedeutend ist der teilweise fast vollplastische, figürliche Innenstuck aus dem ausgehenden 17. Jahrhunderts mit mythologischen Szenen von üppigem Ornamentenreichtum und Rahmen in Knorpel- und Rollwerkformen. Schloss Lieberose ist eines der interessantesten und kunsthistorisch wertvollsten Schlösser im ehemaligen Kurfürstentum Sachsen bzw. im heutigen Brandenburg.

Die Sicherung von Schloss Lieberose wurde von der Brandenburgischen Schlösser GmbH seit 1993 unterstützt, die für das Gebäude bislang keinen neuen Nutzer fand. Mehr als ein Dutzend Schlösser und Herrenhäuser, fast ebenso viele Parkanlagen und viele denkmalgeschützte Nebengebäude, konnte die BSG seit ihrer Gründung 1993 retten. Für die akut vom Verfall bedrohten Kulturschätze wurden nachhaltige Wege gesucht, sie für die Zukunft zu sichern. Nun ist der Punkt erreicht, dass die historischen Gemäuer einen Betreiber für die nächsten Generationen finden und somit „in die Selbständigkeit entlassen“ werden.

Informationen zu Rohkunstbau

  • Schloss Lieberose, Schlosshof 3, Lieberose (Spreewald)
  • Ausstellungsdauer: 27. Juni bis 20. September 2020
  • Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag: 12 bis 18 Uhr
  • Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 7 Euro, Kinder unter 12 Jahren kostenlos
  • Zutritt nur mit vorab gebuchtem Ticket über www.rohkunstbau.net

Wie kommt man hin ?

Die Kleinstadt Lieberose mit 1500 Einwohnern liegt an der B 320 zwischen Lübben und Guben. Die Entfernung nach Berlin-Mitte beträgt ca. 120 km.