Das wohl größte in Deutschland noch erhaltene Scheunenviertel befindet sich am Stadtrand der historischen Altstadt von Kremmen im Landkreis Oberhavel (Brandenburg). An die 40 Scheunen, in mehreren Zügen zusammengebaut, bilden hinsichtlich Grundrissen und Fassaden, die symmetrisch angeordnet sind, ein einmaliges Ensemble. Das Areal wurde im August 1993 vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege unter Schutz gestellt.
Geschichte des Scheunenviertels reicht bis ins 17. Jahrhundert
„Hinaus fürs Tor“ forderte ein kurfürstlicher Erlass aus dem Jahr 1659. Der verbot Stroh und Futter weiterhin innerhalb der Wohnhäuser in der Ackerbürgerstadt zu lagern. Denn mehrere Brandkatastrophen , die in Kremmen fünfmal von 1606 bis 1680 wüteten und mehrmals beinahe die ganze Stadt in Schutt und Asche legten, bedrohten die Landbevölkerung in ihrer Existenz. Saatgut, Futtervorräte, Vieh und ganze Straßenzüge fielen den Flammen zum Opfer. 13 Jahre nach dem Verbot folgte eine kurfürstliche Verordnung, bestehende Scheunen innerhalb der Stadt zu Ställen umzubauen. Neue Scheunen und Lagerhallen sollten fortan nur noch außerhalb der Ackerbürgerstadt aufgebaut werden. In Kremmen wurde dafür der südliche Stadtrand genutzt.
Die Zeit der Kollektivierung der DDR-Landwirtschaft bescherte dem Scheunenviertel ein nutzloses Dasein. Einige Scheunen verfielen und wurden abgerissen. Dank eines unermüdlichen Engagements einiger Kremmener Bürger, die sich 1995 als Freunde und Förderer des Viertels als gemeinnütziger Verein Scheunenviertel Kremmen e.V. gründeten, ist nach der Wende wieder Leben ins Scheunenviertel eingezogen. Geselligkeit, Kunst, Genuss, Musik und Handwerk sind in den historischen Bauwerken heimisch geworden. Ein Projekt der Stadt Kremmen reichte sogar bis zur Expo 2000 in Hannover. Sein Hauptinhalt: die Revitalisierung des historischen Scheunenviertels. Seit November 1999 bildet die Agrar- und Museumsscheune den beliebtesten Anlaufpunkt. Hier befindet sich die Touristikinformation mit Informationsmaterial und der Möglichkeit, Stadtführungen zu organisieren. In der Scheune Besuchern Haushaltsgeräte und landwirtschaftliche Geräte wie Dreschkästen, Pflüge, Kannen, alte Möbel und Küchengeschirr präsentiert. Paare, die ein rustikales Ambiente für den schönsten Tag im Leben bevorzugen, können sich in der Scheune trauen lassen. Wegen Corona können die Ausstellung erst nach weiteren Lockerungen besucht werden. Hochzeiten werden in diesem Jahr auch nicht mehr in der Scheune stattfinden.
Genießen, erleben und stöbern in Scheunen
In den Scheunenreihen findet man in einer Feinkost- und Probierscheune das Restaurant Coldehörn. Auf der Speisenkarte gibt es Rindfleisch-Bratwurst mit mediteranem Gemüse und Grenaille-Kartoffeln. Im Angebot sind auch Wein und Käse auf der Terrasse. Viel Betrieb herrscht an Sommer-Wochenende an der Bikerscheune „Um’s Luch“ mit ihrem rustikalen Biergarten. Daneben findet man das Scheunenwerk mit Friseur und Café. Remy’s Martscheune ist ein bunter Laden zum Stöbern. Es gibt auch eine gut aufgestellte Eventscheune, eine Künstlerscheune von Wolf Rüdiger von Haase und einige Scheunen mit verschiedensten Möbeln.
Scheunentheater „Tiefste Provinz“
Bekannt bis nach Berlin hinein ist das Scheunentheater „Tiefste Provinz“. Hier werden zu normalen Zeiten Talkshows und Comedy-Highligts angeboten. Das Theater, neben dem noch ein Bistro „Kombüse 11“ zum Verweilen einlädt, hat Andreas Dalibor aus Beetz 2006 gegründet.
In Coronazeiten setzt Dalibor auf Vorstadtkult der Kulturinitiative Oberhavel auf der Wiese vor dem Theater. Die Zuschauer erleben, auf Picknickdecken mit Abstand platziert, Künstler aus Oberhavel. Die erste Vorstellung fand am 9. September statt, einem Tag, an dem eigentlich das Kremmener Erntefest im Scheunenviertel stattfinden sollte.
Kremmen ist eine Ackerbürgerstadt im Landkreis Oberhavel mit über 7.000 Einwohnern in sieben Ortsteilen. Wie oft im Land Brandenburg anzutreffen, ist Stadt und Landwirtschaft hier kein Widerspruch, sondern historische Gegebenheit und ein typisches Merkmal Brandenburger Geschichte. Der landwirtschaftlichen Tradition folgt Kremmen bis heute. In Kremmen konnte ein Scheunenviertel mit rund 50 historischen Gebäuden der Nachwelt erhalten werden. Nach oftmals aufwändiger Restaurierung der Scheunen haben sich verschiedenste Handwerker, Künstler und Gastronomen niederlassen. In direkter Nachbarschaft zum Scheunenviertel hat sich der Spargelhof Kremmen etabliert. Beide Lokalitäten locken nicht nur zu den zahlreichen Veranstaltungen viele Besucher an.
Genau vor zehn Jahren wurde in Kremmen im Scheunenviertel und auf dem Spargelhof bereits das 10. Brandenburger Dorf- und Erntefest gefeiert. Zum Jubiläum des 725 Jahre Stadtrechts in 2023 soll das alljährliche Kremmener Erntefest zum Höhepunkt des Jubiläumsjahres am 9. September 2023 mit dem Landesfest gekrönt werden.
Feste Programmbestandteile eines jeden Brandenburger Dorf- und Erntefests sind der Handwerker- und Bauernmarkt, der Festumzug, der Landeserntekronenwettbewerb sowie die Wahl einer Landeserntekönigin.
Das Brandenburger Dorf- und Erntefest wurde 2004 erstmals gefeiert. Bis dahin wurde durch den Landesbauernverband ein Landeserntefest ausgerichtet. Parallel dazu hatte das Landwirtschaftsministerium eine Gemeinde als Gastgeberin für ein landesweites Brandenburger Dorffest gekürt, das seinen Schwerpunkt auf Dorfentwicklung, aktive Vereine und engagierte Kommunalpolitik legte. Die Vergabe des Brandenburger Dorf- und Erntefests wird durch eine Jury aus Vertretern des Landesbauernverbands, des Brandenburger Landfrauenverbands, des Verbands pro agro sowie aus dem Agrar- und Umweltministerium nach eingehender Prüfung der Bewerbungsunterlagen empfohlen.
Wer gerne stöbert, der kann am 18. Oktober jeweils ab 10 Uhr zu Trödelmärkten ins Scheunenviertel kommen. Das traditionelle Kürbisfest vom 19. und 20. Oktober des Vorjahres wird in einem Fotoalbum präsentiert.
Hier geht es zur Homepage des Scheunenviertels von Kremmen.
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