Kraniche begleiten uns jährlich von Januar bis November, sie kündigen uns den Frühling und Winter an. Sie lassen unsere Erkundungen im Havelland immer zu einem Erlebnis werden. Hören und sehen wir sie, lösen sie Glücksgefühle in uns aus. Fliegen die grazilen Tänzer über uns, gehen unsere Gedanken mit auf Reisen. Hoch fliegende Kraniche sollen zudem gutes Wetter ankündigen. Manche ihrer Rufe empfinden wir als Abschiedsgruß, manche als freudigen Willkommensgruß. Überwinternde Kraniche nehmen übrigens in Brandenburg zu, wie wir feststellten.
Lesenswerte Publikation
Wir möchten mehr über die rätselhaften Vögel wissen. „Kranichwissen kompakt: die Mythen und die Fakten“ – nur eins von 15 Kapiteln in der kürzlich von Bernhard Weßling im Verlag Goldmann erschienenen Publikation „ Der Ruf der Kraniche – Expeditionen in eine geheimnisvolle Welt“. Als Kranichbeobachter und -bewacher zugleich am Nordrand der Millionenstadt Hamburg berichtet der promovierte Chemiker und Freizeit-Naturschützer über seine mehr als 30-jährigen Beobachtungen und Expeditionen in die geheimnisvolle Welt der Kraniche. „Dies führt uns zu Fragen über uns selbst und unser Bewusstsein: Wie rational, wie bewusst handeln wir Menschen, und wie verschieden ist dies vom Handeln und Denken der Tiere, hier speziell der Kraniche?“ Weßling mahnt, „dass wir viel umfassender über Naturschutz nachdenken, dass wir ganzheitlicher handeln müssen – basierend auf einem tiefen Respekt vor der Natur.“
Was fressen Kraniche?
Wurzeln, Knollen und Zwiebeln verschiedener Pflanzen, Kartoffeln, Samen und Getreidekörner; größere Insekten und ihre Larven, Regenwürmer, gelegentlich Eidechsen, Frösche oder Mäuse. Im Gegensatz zu Reiher oder Störchen sind sie keine guten Jäger. Kraniche ernähren sich nicht räuberisch – allerdings scheint sich diese Ansicht laut Weßling zu wandeln. Friedfertige Kraniche? Nein grenzenlos friedfertig sind sie nicht. Aber, so Weßling, „zumindest regeln sie ihre innerartlichen Konflikte fast immer unblutig.“ Warum gelingt das den Menschen nicht?
Das Buch ist mittlerweile für uns ein Kompendium, beantwortet es doch jede Menge Fragen über das Leben und Verhalten von Kranichen.
Wieviel frisst ein Kranich?
Am Tag durchschnittlich etwa 130 Gramm, im Winterquartier etwa 180 Gramm. Im Durchschnitt fliegen die Kraniche zwischen 50 und 200 Kilometer am Tag. Ein Kranichweibchen wiegt trotz seiner Größe (Kraniche werden 1,10 bis 1,30 Meter groß bei einer Flügelspannweite von 2,20 bis 2,40 Meter) bescheidene 4,5 bis 6,1 Kilogramm. Während des Zuges ins Winterquartier verbringen die Kraniche etwa drei Viertel der Zeit in Rastgebieten. Je nach Brutgebiet und Lage des Winterquartiers beträgt die Gesamtflugleistung 4000 oder sogar 5000 Kilometer. Im Gegensatz zu Störchen lassen sie sich nicht überwiegend im Segelflug tragen, sie sind sogenannte Ruderflieger mit rund 45 Stundenkilometer. Die Schwarmgrößen variieren beim Flug: von 100 Vögeln beim Abflug sind es gegen Ende der Strecke nur noch 25, bis schließlich nur noch zehn Kraniche einen Schwarm bilden.
Was können Kraniche besonders gut?
Unüberhörbar sind die trompetenartigen Rufe der Kraniche am Boden, zumeist paarweise im Duett. Kilometerweit sind sie zu hören, ihre 1,30 Meter lange Luftröhre macht die Lautstärke möglich. Laut Weßling hören Kraniche gut, sie können exzellent sehen, aber vermutlich nicht gut riechen. Sie erkennen jede verdächtige Bewegung von Weitem. Das Gedächtnis und die Differenzierung von Bildern scheinen bei Kranichen ebenfalls sehr ausgeprägt zu sein. „Eigentlich sehen sie für uns alle gleich aus – wir offenbar für sie nicht. Kraniche sind etwa ab dem vierten Lebensjahr geschlechtsreif. Sie können rund 25 Jahre (im Durchschnitt angeblich 13 Jahre), im Zoo über 40 Jahre alt werden.“ Literatur zum Verhalten der Kraniche gibt es nur wenig. Verhaltensforscher Weßling: „Mir ist keine einzige Veröffentlichung bekannt, die sich mit dem eigentlichen Verhalten der Kraniche befasst, also ihrem Sozialverhalten, ihren Reaktionen auf die Umgebung, ihrer Intelligenz und Lernfähigkeit, vor allem nicht im Freiland.“ Auf seinem Instagram-Account lässt uns Bernhard Weßling teilhaben an seinen Forschungen.
Naturwunder Vogelzug
Wir konnten eintauchen in die Lebensweise und das Bewusstsein der Kraniche. Der Kranichexperte hat ihr Verhalten erforscht und Teile ihrer Sprache entschlüsselt. Die Fotografien in dem Band sind eindrucksvoll. Wir werden künftig den Rufen der Kraniche noch aufmerksamer zuhören. Und sie bleiben unsere Glücksbringer, denn auch uns zaubern sie immer ein Lächeln ins Gesicht, sobald wir sie sehen und hören.
Bernhard Weßling, Der Ruf der Kraniche – Expeditionen in eine geheimnisvolle Welt. München 2020. www.goldmann-verlag.de ISBN 978-3-442-31543-7.
Es lohnt auf die Homepage von Bernhard Weßling zu schauen, Tolle Fotos und Lautbeispiele erwarten uns dort.
Unlängst besuchten wir den Beobachtungsturm der Naturstiftung Kranichland, zwischen Ketzür und Lünow im Havelland, gelegen. Wir empfehlen euch diese sehr interessante Homepage.
Hier geht es zu den Winterlichen Impressionen im Havelland.
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