Kirchtürme als Orientierungspunkte …

Die Abbildung auf der Umschlagseite zog mich als erstes in ihren Bann. Auf unseren Fahrten – per Rad oder mit dem Auto – durch das Havelland zog uns die Kirche in Bagow immer in ihren Bann. Das in der Sonne leuchtende Kreuz auf der Kirchturmspitze, das rote Ziegeldach des Kirchenschiffes, die gelb blühenden Rapsfelder, das satte Grün der Bäume … kommt die Kirche mit ihrem Umfeld in unseren Blick, ist es nicht nicht mehr weit, bis wir zu Haus sind. Auch als Kind waren Kirchtürme wichtige Orientierungspunkte für mich, etwa wenn wir als Jugendliche nach der Schule mit dem Fahrrad von Pritzwalk über Steffenshagen, Triglitz, manchmal mit einem Abstecher nach Laaske, Richtung Putlitz fuhren. Die hohen Kirchtürme wiesen uns den Weg. Auf dem Kirchplatz traf man sich am Abend im Freundeskreis.

Blick auf die Dorfkirche von Bagow

Blick auf die Dorfkirche von Bagow

Kirchentour durch Brandenburg

Im 200. Fontane-Jubiläumsjahr gibt die kleine liebevoll gestaltete Publikation von Antje Leschonski (Hrsg.): Von Dorf zu Dorf, von Kirche zu Kirche. Auf Fontanes Spuren in märkischen Kirchen, erschienen jüngst im Verlag für Berlin-Brandenburg (Internet: www.verlagberlinbrandenburg.de) vielfältige Anregungen für eine Kirchentour durch das Land Brandenburg. 19 kurzweilige Geschichten bezeugen, dass für Theodor Fontane Kirchen Orte zum Innehalten waren. Für ihn sind Kirchen Kulturdenkmale, über die er historisch Wissenswertes zusammengetragen hat. Auch Kurioses gibt es zu berichten. Antje Leschonski ist gelernte Buchhändlerin und Mitgründerin der Initiative „Dorfkirchensommer in Brandenburg“. Ihre bisherigen Bücher zur Brandenburger Kirchen- und Kulturgeschichte lesen wir immer wieder gerne.

„Leute von heute“ folgen Fontanes Wanderungen

19 Autorinnen und Autoren („Leute von heute“) nehmen in ihren unterhaltsamen Beiträgen Bezug auf Fontanes Beschreibungen, führen diese bis in die Gegenwart fort. Schön, dass die jeweiligen „Fundstellen“ in Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (Große Brandenburger Ausgabe, 1991 ff.) im Anmerkungsapparat aufgeführt sind, so dass der Leser das gesamte Kapitel nachlesen kann.

Jeder Beitrag ist illustriert mit Fotos der Kirchengebäude aus der Gegenwart (Karwe, Wusterhausen, Friedersdorf, Kossenblatt, Potsdam-Bornstedt, Wust, Alt-Geltow, Siethen, Quitzöbel, Seedorf, Nikolaikirche Berlin).Bornstedter Friedhof

Fotos von bis heute erhaltenen innenkirchlicher Zeugnisse (Epitaphien, Gemälde, Reliefdarstellung auf Chorgestühl) der Kirchen in Rheinsberg, Meseberg, Wusterhausen, Bad Freienwalde, Groß Glienicke, Etzin, Plötzin, Schmetzdorf, Siethen sowie Zeichnungen von Kirchengebäuden aus Fontanes Tagebüchern (beispielsweise die Kirchen von Gnewikow, Buskow und Karwe).

Sagen, Legenden und historische Erinnerungen in Kirchen

Antje Leschonski, die kundige Herausgeberin, schreibt im Vorwort, dass Fontane vor allem wegen solcher „Sagen und Legenden“, und um „auf historische Erinnerungen zu stoßen“ oft in Kirchen und Herrenhäuser eingekehrt ist. Das vorliegende Buch versammelt solche Entdeckungen und Wiederentdeckungen durch „Leute von heute“ (G. Radecke, K. Freiherr von dem Knesebeck-Milendonck, B. Forck, A. v. Oppen, A. Obert, B. Wiesener, W. Krätschell, H.-G. v. d. Marwitz, A. u. H. Lenschonski, K. Büstrin, M. v. Katte, P. Schäfer, Ch. Seydich, S. Badstübner-Gröger, U. Czubatynski, K.-P. Möller, W. Hüffmeier), die sich auf Fontanes Spuren begeben haben.

Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm zum Thema Fontane 200 führt u. a. auch in einige der in den Beiträgen erwähnten Kirchen. Dank der nach der politischen Wende zurückgekehrten Nachfahren, beispielweise derer v.d. Knesebecks und von der Marwitz´, von Oppen, von Katte, sind die Kirchen heute wieder zugänglich.

Zum Schmunzeln gibt es auch etwas: Wer erfahren möchte, was ein Beutelbuch ist, das –Fontane in der Stadtkirche St. Peter und Paul in Wusterhausen/Dosse entdeckte, der lese Dr. Barbara Wieseners Geschichte „Kleinkram“ aus Wusterhausen/Dosse.

Christoph Seydich sucht das kleine Dorf Böhne im Havelland auf und entdeckt dort das große Welttheater. Das kleine Dorf ist heute fast vergessen, aber Effi Briest ist in aller Munde – Dank der Familie von Briest, zu deren Besitz einmal das Dorf Böhne gehörte.

Fontane und Plagiat?

Fontane und Plagiat? Klaus-Peter Möller geht dem Plagiats-Vorwurf von Eduart Handtmann in seiner Geschichte „Der Ring der Quitzows und die Seedorfer Pfarre“ nach. Der 1842 in Potsdam geborene Eduart Handtmann versah von 1875 bis 1907 das Pfarramt in Seedorf bei Lenzen (Prignitz). Das bekannteste Werk des Dorfpfarrers und Sagensammlers sind die „Neuen Sagen aus der Mark Brandenburg“. Einen großen Abschnitt aus dieser Sagensammlung hat Fontane „beinahe wörtlich ein seinem Band Fünf Schlösser übernommen“.

Der kleine Band  von Antje Leschonski (Hrsg.): Von Dorf zu Dorf, von Kirche zu Kirche. Auf Fontanes Spuren in märkischen Kirchen hat fast Taschenbuchcharakter. Er wird auf unseren nächsten Touren durch Brandenburg unser ständiger Begleiter sein. Eine Bank findet sich immer auf Kirchhöfen oder in den Kirchen – ich freue mich schon, wenn wir uns vor Ort die Geschichten aus „Von Dorf zu Dorf, von Kirche zu Kirche“ vorlesen und das noch oder wieder Gegenwärtige selbst betrachten werden.

Antje Leschonski (Hrsg.), Von Dorf zu Dorf, von Kirche zu Kirche. Auf Fontanes Spuren in märkischen Kirchen. Verlag für Berlin-Brandenburg. Berlin 2019. www.verlagberlinbrandenburg.de