Es gibt wieder eine neue Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam. Wegen Corona sollte sie längst geöffnet sein. Nun strömen die Besucher wieder in das noble vom Kunstmäzen Hasso Plattner errichtete Palais Barberini am Alten Markt von Potsdam. Die Schau widmet sich der bislang kaum erforschten Rezeption französischer Lichtmalerei in Russland. Paris war vor 1900 der Anziehungspunkt für russische Künstler. Hier begegneten sie den Werken von Claude Monet und Auguste Renoir und ließen sich von den Themen und der Malweise der französischen Impressionisten anregen. Zurück in Russland malten sie en plein air und spürten der Flüchtigkeit des Moments in Portraits der Szenen des russischen Alltags nach. Auch Maler, die später die russische Avantgarde bildeten, entwickelten aus dem impressionistischen Studium des Lichts ihre neue Kunst.
Rezeption französischer Malerei in Russland
Die Ausstellung im Museum Barberini zeigt anhand von rund 80 Werken die Internationalität der Bildsprache um 1900 und integriert die russischen Künstler der damaligen Zeit – von Ilja Repin bis Kasimir Malewitsch – in das Projekt der künstlerischen Moderne. „Ein kurzer Blick auf ein impressionistisches Bild hat Kunstgeschichte geschrieben“, erklärt Ortrud Westheider, Direktorin des Museums Barberini. „Als Wassily Kandinsky 1896 in einer Ausstellung in Moskau vor ein Gemälde aus der Serie der Getreideschober von Claude Monet trat, sah er zu seiner Irritation ein Bild leuchtender Farben – ohne einen Gegenstand erkennen zu können. Diese Störerfahrung bestätigte ihn darin, in seiner Malerei auf das Motiv zu verzichten. Sie inspirierte seine künstlerische Entwicklung zur ungegenständlichen Malerei. Diese Anekdote ist ein kleiner Mosaikstein in einer vielschichtigen Wirkungsbeziehung zwischen dem französischen Impressionismus und der russischen Kunst zwischen 1860 und 1925.
Kunstmetropole Paris zog Maler aus Russland an
Impressionistische Anregungen haben nicht nur Kandinskys Œuvre revolutioniert. Sie waren vielmehr Ausgangspunkt zahlreicher Avantgardekünstler, die impressionistische Lichtmalerei in Rayonismus, Kubofuturismus und Suprematismus transformieren sollten. “Seit den 1860er Jahren zog Paris als führende europäische Kunstmetropole Maler der Akademien von Moskau und St. Petersburg an. In der Auseinandersetzung mit der impressionistischen Malerei des modernen Lebens befreiten sie sich vom Regelwerk des akademischen Realismus in Russland. Die Begegnung mit der französischen Malerei inspirierte Künstler wie Ilja Repin, Konstantin Korowin und Valentin Serow zu Darstellungen, die neben dem Eindruck des Gegenwärtigen Momente einer sinnlichen, dem Leben zugewandten modernen Welt zeigten. Elektrisches Licht, die Auslagen der Schaufenster und die Architektur der modernen Boulevards boten ihnen Motive, denen sie mit großer malerischer Freiheit begegneten. Die malerischen Effekte im Wechsel der Tageszeiten fesselten sie. Die nächtlich beleuchteten Straßenzüge faszinierten insbesondere Künstler wie Korowin und Nicolas Tarkhoff, die das Thema in Russland populär machten.
Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde
Um die Jahrhundertwende wurden die Sommerhäuser auf dem Land zum Refugium der russischen Stadtbewohner. Die Künstler fingen das Unbeschwerte des modernen Freizeitvergnügens auf der Datscha in lichtdurchfluteten impressionistischen Interieurs ein. Das Studium des Lichts in Innenräumen und auf den Gegenständen von Stillleben führte zur Aufwertung dieser an der Moskauer Akademie gering geachteten Gattungen. Eine zweite Generation russischer Künstler in Paris lernte zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Postimpressionismus eine Malerei kennen, die mit leuchtenden Reinfarben experimentierte.
Landschaftsmalerei wurde zum Experimentierfeld
Wie die französischen Postimpressionisten strebten viele russische Maler dieser Generation eine internationale Laufbahn an und sahen im Aufenthalt im Westen nicht nur den Studienzweck. Die Landschaftsmalerei wurde zum ersten Experimentierfeld für Künstler wie Michael Larionow, Natalja Gontscharowa und Kasimir Malewitsch. Die Künstler sahen sich als Impressionisten, bevor sie nach 1910 die russische Avantgardekunst begründeten. In der befreiten Farbe fanden die Maler eine Energie, die für die Dynamik und Erneuerung einer neuen Zeit stand. Impressionistische Beobachtung wurde in kubistische und futuristische Flächenzergliederung transformiert.
Renommierte Leihgeber und erfahrene Kuratorinnen
Die Ausstellung umfasst rund 80 Leihgaben, darunter der ABA Gallery New York, des Museo Nacional Thyssen-Bornemisza Madrid, der Sammlung Iveta und Tamaz Manasherov Moskau, der Sammlung Vladimir Tsarenkov in London, der Staatlichen Tretjakow-Galerie Moskau, des Staatlichen Museums der Bildenden Künste der Republik Tatarstan, der Kasan Sammlung Elsina Khayrova London, des Stedelijk Museum Amsterdam sowie aus Privatsammlungen. Die Ausstellung wurde von Ortrud Westheider und Alla Chilova kuratiert.
Dauer: bis 9. Januar 2022
Ausstellungsort:
Museum Barberini, Humboldstr. 5-6, Alter Markt, 14467 Potsdam.
www.museum-barberini.de
Eine Ausstellung des Museums Barberini, Potsdam, und des Museums Frieder Burda, Baden-Baden, in Zusammenarbeit mit der Staatlichen Trejakow-Galerie, Moskau.
Pressemeldung: Museum Barberini
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