Das Kleinod Weimar, Kulturhauptstadt Europas von 1999, ist um eine weitere Perle bereichert worden – den Neubau des Bauhaus-Museums. So  begrüßenswert es selbst Kritiker des Neubaus finden, dass das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus endlich einen sehenswerten Museums-Neubau hat – so umstritten wird dessen Architektur und Platzierung direkt am Eingang zur Innenstadt eingeschätzt. „Steckt die Seele des Bauhauses wirklich in diesem Klotz?“, fragt beispielsweise die Springer-Zeitung „Welt“. Ablehnend äußern sich auch viele Einwohner der Stadt.

Aber das ist keineswegs gerechtfertigt, und deshalb muss diesem Negativismus energisch widersprochen werden – etwa mit dieser Feststellung: Dieses Bauhaus-Museum ist eine Perle – und die bereichert das Kleinod Weimar!

Der Fundus dieses Museums ist einmalig, denn es handelt sich in Weimar um die weltweit älteste Sammlung von Werkstattarbeiten und Ideen des Bauhauses,  mit inzwischen 13 000 Objekten. Bauhaus-Gründer Walter Gropius hat diese grandiose Sammlung gleich zu Beginn, also in den frühen 20er Jahren, begonnen.

Vieles verbleibt in den Lagerstätten, aber in den auch thematisch wechselnden Ausstellungen werden die Schätze der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Permanent gezeigt werden Stücke, die weltweit bekannt sind und Aufsehen erregen, seinerzeit wie auch noch heute – die berühmte Tischlampe etwa von Wilhelm Wagenfeld und Carl Jakob Jucker, die hinreißend schöne Teekanne der Marianne Brandt, der aufsehenerregende Lattenstuhl von Marcel Breuer. Oder geradezu aus der Rolle gefallene, dafür sehr praktikable Möbel von Ludwig Mies van der Rohe oder Arbeiten von Paul Klee, Laszlo Moholy-Nagy und Lyonel Feininger. Oder Bestecke, von Rosenthal hergestellte Porzellanservice, Stoffe, selbst Kleiderbügel und Türklinken. Vieles, sehr vieles wird in Weimar erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das neue Museum in Weimar liefert auch endlich den Beweis dafür, dass „Bauhaus“ eben nicht nur eine bestimmte Architektur war, wie berühmte Baudenkmäler ja auch vermuten lassen, etwa das Haus am Horn in Weimar oder das Hansaviertel und die Gropius-Stadt in Berlin. Gropius und sein Bauhaus haben zwar den Plattenbau erfunden – aber sie waren in ihrem Denken und Handeln absolut nicht architektonisch beschränkt, wobei letzteres Wort durchaus in seiner zweifachen Bedeutung verstanden werden darf. Nein – das Bauhaus wollte ein neues Lebensgefühl vermitteln, seine Ideen sollten jedermanns Dasein erleichtern und verschönern. Entsprechend lebten Gropius und die Seinen auch in Weimar – voller Lust am Leben, ausschweifend auch, jegliche Konvention negierend. Das letztlich war es auch, was Gropius 1925 veranlasste, das damals stockkonservative  Weimar zugunsten des freieren Dessau zu verlassen.

Wer sich über den „Klotz“ als architektonische Form aufregt – etwas liebevoller und harmonischer würde „Würfel“ klingen – , lässt einen bedenklichen Mangel an Bauhaus-Historie erkennen. Denn gerade das Quadrat war neben dem Dreieck und dem Kreis ein Grundelement der Bauhaus-Schule, ebenso die Farben Rot, Gelb und Blau. Mit diesen Basisformen wollten die Bauhäusler zu Beginn ihrer durchaus als revolutionär einzustufenden Existenz die Reduzierung aufs Wesentliche dokumentieren. Der „Klotz“ übrigens erinnert an den Zauberwürfel, das von einem Ungarn erfundene bunte Würfelspiel, korrekt Rubik`s Cube genannt.

Was die Platzierung an städtebaulich prominenter Stelle zwischen Hauptbahnhof und zentralem Goetheplatz nahe des klassizistischen Neuen Museum betrifft – diese Standortwahl ist eine politische. An dieser Stelle gab es bis 1937/38 ein tieferes Tal, durch das der Asbach floss, gesäumt von Weimarer Altstadtbauten. Eine filigrane Brücke, über die auch eine Straßenbahn fuhr, überbrückte dieses Tal. Das alles wurde von den Nazis zerstört, um Platz zu schaffen für das sogenannte Gau-Forum. Dabei handelt es sich um ein riesiges Aufmarschfeld, seitlich begrenzt von typischen Nazi-Bürokolossen und einer feldherrenartigen Kongresshalle – daraus wurde nach der Wiedervereinigung das moderne Einkaufszentrum „Atrium“. Aber dieses im über 1000 Jahre alten Weimar wie ein architektonisches Krebsgeschwür erscheinende Ungetüm wird nun durch das lichte, luftige, helle, heitere neue Bauhaus-Museum konfrontiert und auch aufgelockert. Schach der Großkotzigkeit – sozusagen.

Diese Art Lebenselixier bringt auch die Innenausgestaltung des Gebäudes, das sich über fünf Ebenen erstreckt, zum Ausdruck – die optische Freundlichkeit überstrahlt alles. Eine Besonderheit ist die sich geradeaus über alle Stockwerke erstreckende Treppe – fast höhlengleich. Die Baukosten des Museums von 27 Millionen Euro haben sich das Land Thüringen und der Bund geteilt. Eine Führung empfiehlt sich in jedem Falle (03643 545401) – um danach zu der Einsicht zu gelangen, einen zweiten Besuch zu planen. Der Internet-Auftritt des Museums ist eher dürftig, wenig professionell

Wer über Nacht in Weimar bleiben will und ein Frühstück der wirklich ausgefallenen Art mag – hier zwei besondere Tipps:

  1. Das Hotel „Anna Amalia“ (03643 49560) in der Geleitstraße liegt „mittenmang“. Es besteht aus drei antiken, miteinander verbundenen Häusern. Baujahr des Haupthauses: 1792. Die 53 Zimmer und ihre Bäder sind natürlich modern. Weimar hat mit der Bauhaus-Universität und der Hochschule für Musik rund 4 000 Studenten. Das entspricht sieben Prozent der Bevölkerung (knapp 65 000). Und diese Jugend kann ausgiebig und laut feiern – wer es im „Anna Amalia“ um und nach Mitternacht ruhig haben möchte, sollte die Zimmer mit Fenster zur Geleitstraße meiden. Denn draußen gibt es Kneipe neben Kneipe – mit feiernden Studenten und Touristen.
  2. In der Kaufstraße 20 bewirten Mutter und Tochter (Natascha und Michelle) ein wahrhaft einmaliges Café (03643 4437 417). In einem ehemaligen Ladengeschäft, das gemütlich wie ein Wohnzimmer eingerichtet ist – wie das von Muttern anno dunnemal. Die Frühstückskarte ist „literarisch“. Zum Frühstück namens „Sonnenschein“ etwa heißt es: „Mit Sonnenschein wünsche ich mir in den Tag zu gehen, Spiegelei mit Toast, ein kleiner Obstsalat und einem Glas Orangensaft“. Ein anderes Angebot heißt „Regenbogen“ – mit diesem Text: „Ich wünsche mir einen farbenfrohen Tag. Tomatensalat im Glas, Rührei, dazu ein gemischter Brotkorb mit Butter. Canapes mit Rucola-Feta-Creme und einem Heidelbeer-Milchshake“. Ein weiteres von vielen Angeboten, jedes unter 10 Euro, heißt „Land“: „Ich wünsche mir einen freien Tag auf dem Land. Gemischter Brotkorb mit Butter, Salami, Landschinken, Leberwurst, Schnittkäse, ein gekochtes Ei, hausgemachte Konfitüre und einem Café Creme“.
  • Informationen zum Bauhaus-Museum Weimar mehr im Internet hier.
    Stéphane-Hessel-Platz 1 | 99423 Weimar
    Öffnungszeiten
    Mo 10.00 – 14.30 Uhr
    Di – So 10.00 – 18.00 Uhr
    Eintritt
    Erw. 11,00 € | erm. 7,00 €
    Schüler (16 – 20 J.) 3,50 €
  • Neues Museum Weimar mehr im Internet hier.
    Jorge-Semprún-Platz 5 | 99423 Weimar
    Öffnungszeiten
    Mi – Mo 10.00 – 18.00 Uhr
    Di geschlossen
    Eintritt
    Erw. 8,00 € | erm. 6,50 €
    Schüler (16 – 20 J.) 3,00 €