Nach nach dem „Port Talk – Route Rendz-vous“ mit Monika Metral entschieden wir uns kurzfristig für die thematische Stadtführung „Stadt der Seide – Tour durch Lyon“. Etwas Glück muss man manchmal allerdings bei den „last minute“ Buchungen an Bord haben.

Diesmal startete die Exkursion in Vienne, 30 Kilometer südlich von Lyon gelegen. Bus und Stadtführerin Ilka nahmen uns pünktlich um 9 Uhr – nur wenige Meter vom Schiff entfernt – in Empfang. Vom Süden kommen wir durch das größte Industriegebiet Lyons hinein in das 496 Hektar große UNESCO-Weltkulturerbe.

Lyon ist weltweit bekannt für seine Kompetenz, Kreativität und hochwertige Verarbeitung in der Seidenherstellung. Bereits im 16. Jahrhundert wurde in Lyon zum ersten Mal Seide gewebt. Seine glanzvollen Zeiten erlebte Lyon im 17. Jahrhundert. Damals belieferten die hier ansässigen Seidenweber ganz Europa mit dem kostbaren Stoff.

Le Atelier de Soierie

Wir fahren durch die Altstadt zum Atelier de Soierie, das nur wenige Meter vom Place des Terre entfernt liegt. In der Seidenwerkstatt empfängt uns Genet Gerrary. Er zeigt uns, wie die Seidenstoffe durch Siebdruck oder von Hand bemalt werden. Als Kopftücher, Schals, Stolen oder Krawatten werden sie später in eigenen Shops oder online verkauft. Aber bis dahin ist es ein langer Weg. Die Seidenwaren werden in der Region Lyon von talentierten Kunsthandwerkern mit langjähriger Erfahrung entworfen, produziert und vollständig veredelt. Das in fünfter Generation geführte Geschäft steht für traditionell und in hoher Qualität hergestellte Spitzenprodukte. Sie machen nach wie vor das Markenzeichen Made in France aus.

Schals in großer Auswahl und vielen Farben

Schals in großer Auswahl und vielen Farben

Die traditionelle Handwerksmethode, die die Einfärbung des Seidentuches ermöglicht, ist der letzte Schritt im langen Herstellungsprozess von Seidentuchen. Der in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte Siebdruck – auch als „A la lyonnaise“ bezeichnet – wird noch heute genutzt. Im Familienarchiv werden alle Muster aufbewahrt und bis heute immer wieder aufgelegt. Kürzlich wurde das Archiv durch den Ankauf einer Sammlung von Stempeln ergänzt, die vor der Erfindung des Siebdrucks für die Veredelung der Seidenstoffe genutzt wurden.

Genet Gerary erklärt uns, dass zunächst der weiße Seidenstoff auf einen großen Tisch gespannt wird. Das zu druckende Motiv setzt sich aus acht Klischees zusammen, jedes Klischee benötigt eine eigene Farbe. Insgesamt werden für den Siebdruck also acht etwa ein Meter große Rahmenschablonen (-siebe) benötigt. Jede Schablone besteht aus einem Rahmen, der eine feinlöchrige Kunststoffgase umspannt. Die Gase wurde zuvor mit dem Motiv für die jeweilige Farbe bedruckt. Die dickflüssigen Farben werden jeweils in der Werkstatt angerührt und dann in der Rahmenschablone mit einem Rakel gleichmäßig verteilt. Erst nachdem die Farbe vollständig getrocknet ist, kann mit der nächsten Rahmenschablone die nächste Farbe und damit auch das nächste Klischee aufgebracht werden. Der Seidenstoff wird zweiseitig bedruckt. Danach wird der bedruckte Stoff im Dampfbad „gewaschen“, ehe er appretiert und umsäumt wird. Nun fühlt sich der Seidenstoff weich und glatt an. Das Tuch schmeichelt der Haut.

Im oberen Teil der Werkstatt kann man einem Seidenmaler bei Arbeit zuschauen. Mit Wattestäbchen und feinem Pinsel bemalt er einen exklusiven Stoff, der aus Seidenchiffon und gewebten Motiven aus geformten Samt besteht. Das Muster greift Motive einer Stofftapete aus dem Schloss Chambord auf. Dort wird man das Seidentuch demnächst im Museumsshop kaufen können. Eine mühsame Arbeit, die eine ruhige Hand erfordert. Drei bis vier Tage werden benötigt, um drei Meter Seidenstoff zu veredeln.

Boutique Brochier Soieries

Boutique Brochier Soieries

Boutique Brochier Soieries

Während unseres kurzen Spaziergangs durch die Altstadt kehren wir auch in der Boutique Brochier Soieries 1890 ein, dem traditionellen Seidenhaus, ein. Hier erleben wir eine Überraschung. Auf dem Ladentisch liegen in drei Glasschalen Larven von Seidenraupen. Im Kokon – gerade drei Tage alt – und geschlüpft, nun bereits drei Wochen alt. Kinder standen staunend um den Tisch herum und beobachteten das Gewusel. Im hinteren Arbeitszimmer konnten wir dann auch sehen, wie der hauchdünne Seidenfaden auf eine Spule gewickelt wird, ehe er zum Seidenchiffon verarbeitet wird. Auch hier kann man beim Bemalen des Seidenstoffes zuschauen. Noch ist Vorsaison, der Besucherandrang hält sich in Grenzen, so dass Zeit und Platz zum ausgiebigen Zuschauen bleibt. Ich spüre den Stolz und die Freude, mit dem die Mitarbeiterin ihr umfangreiches Wissen über die Seidenherstellung und Farb-Veredelung an die Touristen weitergibt.

L’Atelier de Soierie
33 rue Romarin, 69001 LYON
www.atelierdesoierie.com

Brochier Soieries 1890
16-21 rue du Boeuf Lyon 5e
www.soierie-lyonnaise.com

Doch bald drängt unsere Stadtführerin, der Zeitplan ist dicht geschnürt. Weiter geht es mit dem Bus (aber auch steile Treppen und Gassen sowie eine Seilbahn führen hinauf) auf den 130 Meter hohen Fourvière-Hügel. Unübersehbar thront hier die

Rechts: die Basilika Notre-Dame auf dem Fourviere-Hügel

Rechts: die Basilika Notre-Dame auf dem Fourvière-Hügel

Notre-Dame de Fourvière

Die Stadtführerin berichtet, dass die erste Marienkapelle bereits 1168 auf den Ruinen des alten Forums, das sich vermutlich hier befand, errichtet wurde. 1830 wurde der Glockenturm der Kapelle wegen Baufälligkeit abgerissen und später durch einen neuen, höheren Turm in neuromanischen Formen ersetzt, dessen Spitze mit einer vergoldeten Bronzestatue der Muttergottes bekrönt wurde. Die Weihe am 8. Dezember 1852 (Mariä Empfängnis) wurde von einem Unwetter beeinträchtigt und das geplante Feuerwerk musste ausfallen. Daraufhin erleuchteten die Lyoner Bürger ihre Fenster mit Tausenden von Kerzen. Es ist der Ursprung des Stadtfestes Fête des Lumières, das alljährlich Tausende Touristen anzieht.

Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 legten die Bürger von Lyon das Gelübde ab, das Heiligtum von Fourvière zu vergrößern und zu verschönern, falls ihre Stadt von preußischer Besatzung verschont bliebe. Der Wunsch ging in Erfüllung, und schon 1872 wurde der Grundstein für die viertürmige neue Kirche nördlich neben der alten Marienkapelle gelegt. 1896 wurde sie geweiht. Seit 1897 ist sie eine Basilica minor (kleine Wallfahrtskirche). Die Wände und hohen Decken des Innenraums sind reich bemalt und mit vielen Mosaiken und Gold verziert. Besonders schön leuchten die Buntglasfenster mit den biblischen Motiven, wenn die Sonnenstrahlen auf sie treffen. Von der Aussichtsplattform direkt neben der Basilika hat man einen grandiosen Panoramablick hinab auf Lyon und den Zusammenfluss von Rhône und Saône – wenn das Wetter gut ist. Leider ist es an diesem Tag sehr diesig, die Sicht sehr eingeschränkt. Vor der Aussichtsplattform lassen wir an einem Modell der Altstadt noch einmal unsere Tour Revue passieren. Hier macht uns die Stadtführerin auf eine Ausgrabungsstätte von 1935 aufmerksam, die nur einen kleinen Fußweg entfernt von der Basilika liegt. Das kleine und das größere antike römische Amphitheater hoch oben auf dem Berg Fourvière wurden zwischen dem 1. und Mitte des 2. Jahrhundert nach Christus erbaut. Die Anlage zählt zu den drei ältesten außerhalb des heutigen Italien. Im Sommer finden hier Konzerte und Theateraufführungen statt.

Basilika Notre-Dame de Fourvière
8 Place de Fourvière, Lyon
www.fourviere.org
täglich geöffnet von 7 – 19 Uhr

Tour métallique de Fourvière

Auch Lyon hat seinen Eiffelturm

Auch Lyon hat seinen Eiffelturm

Der „Lyoner Eiffelturm“ ist ein weiteres Wahrzeichen von Lyon, nur wenige Schritte von der Basilika entfernt. Ein Stahlfachwerkturm, 85,9 Meter hoch 210 Tonnen schwer, zwischen 1892 und 1894 nach Plänen von Gustave Eiffel gebaut. Bis 1953 diente er als Aussichtsturm, heute ist er für die Öffentlichkeit leider nicht mehr zugänglich. Mit einer kleinen Verzögerung, die dem dichten Verkehr Lyons geschuldet ist, kehren wir kurz nach 13 Uhr zurück zum Schiff. Auch diese Tour war sehr informativ. Dank einer übersichtlichen Gruppe (15 Personen) und eines Audiogeräts war alles gut zu besichtigen und zu verstehen, die 39 Euro für das Ausflugsticket durchaus rechtfertigen.

Zurück an Bord genoss ich das Mittagessen: gebratenes Steinbeißerfilet mit Chardonnay-Emulsion, dazu wählte ich gebutterte Petersilien-Wurzeln und gebratene Zucchinischeiben mit Sesam. Nach dem gelungenen Ausflug war mir nach einem Glas Rotwein, es gab einen guten Bordeaux (Chateu Tour De Mirambeau) – auf dem Sonnendeck mit Blick zur Basilika und „Eiffelturm“ – das ist Urlaub pur für mich, was will das Herz mehr?

Die Recherche entlang der Rhône wurde unterstützt von der A-ROSA Flussschiff GmbH. Unsere Meinung über das Leben an Bord sowie zu den einzelnen Stationen des Ausflugsprogrammes wurde dadurch nicht beeinflusst.

Hier geht es zur Seite der A-Rosa Flussschiff GmbH Rostock