Eine Alpenüberquerung kann mittlerweile fast jeder schaffen – so las ich erst kürzlich in einem Reisebericht in der Zeitung. Ich musste schmunzeln, denn unsere nächste Übernachtung stand in Pontresina in der Jugendherberge an. Direkt gegenüber dem Bahnhof gelegen, kann man mit dem Zug oder Bus die nähere Umgebung erkunden.
Nicht so die Jugendlichen der 8. Klasse einer bayerischen Montessori-Schule. Sie nutzen die Jugendherberge als Etappenort ihrer einwöchigen Alpenwanderung. Die ersten zwei Etappen sind vorbei, nun erholt man sich am Abend beim Salatbüfet, Hörnli-Nudeln mit oder ohne Hackfleischsoße und Schokoladenpudding mit Birnenstücken. Klar, dass der Pudding gut ankommt und schmerzende Waden oder stärkeren Muskelkater und andere Unannehmlichkeiten schnell vergessen lässt.
Den Jugendlichen loben nicht nur das Essen, auch die Freundlichkeit der Herbergseltern Martin und Sabine Künzli steht hoch im Kurs.
Die Gäste stehen im Mittelpunkt des Herbergsgeschehen. Keine Frage ist zu viel, kein Anliegen zu gering, um nicht bearbeitet zu werden. Immer zuvorkommend und freundlich reagieren die Chefs. Da wird auch selbst neben dem Rezeptionsservice auch selbst mit angefasst, ob beim Frühstücks- oder Abendbrotservice. Wir konnten uns über den eigentlich nicht üblichen Gepäck- und Zimmerservice freuen. Als wir abends in der Jugendherberge ankamen, war unser Gepäck bereits im Zimmer und das übliche Bettenbeziehen hatte auch schon eine fleißige Fee übernommen. Die Schweizer können eben Service.
Ruhig und familiär ging es zu, wir spürten kaum, dass wir in einer Jugendherberge sind. Die Schweizer Jugendherbergen bewegen sich auf einer Gratwanderung zwischen dem Erreichen der sozialen Ziele als Non-Profit-Organisation und einer überlebensnotwenigen Rentabilität. Wichtigster Gradmesser bleibt dabei die Nachfrage. Für 35 CHF inkl. Frühstück, Abendbrot für 17,50 CHF, ist es auch eine alternative Urlaubsunterkunft für Familien mit Kindern. Von wenigen Monaten alt bis in die 80er Jahre – Gäste jeden Alters werden hier gern begrüßt. Langläufer, Moutainbiker und alle anderen Sonnenanbeter sind hier herzlich willkommen.
Eine Langlaufschule mit Shop (inkl. Vermietung) und ein trendiges Velofachgeschäft mit Miet- und Reparaturservice befinden sich in unmittelbarer Nähe. Bei einem Spaziergang durch das Dorf kann man sich an typischen Engadinerhäusern mit Sgrafitti erfreunen. Wir waren vollauf zufrieden; gut erholt und gestärkt ging es zur Wanderung ins Roseg-Tal.
Wanderung im Roseg-Tal
Unweit von der Jugendherberge startet am nächsten Morgen unsere gut zweieinhalbstündige Wanderung zum Roseg-Gletscher. Bei herrlichem Sonnenschein geht es entlang des Flusses langsam und gemütlich hinauf zum Roseg-Gletscher-Restaurant. Der Herbst mit seinen herrlichen Farben kündigt sich schon an, Butter- und Steinpilze am Wegesrand lassen kaum vermuten, dass es auch hier schon lange keinen Regen mehr gab. Wir genießen die frische, würzige Bergluft, müssen uns vor den wärmenden Sonnenstrahlen schützen und werden eigentlich nur gestört durch die vielen Bikes, die durch quietschendes Bremsen auf sich aufmerksam machen und Platz fordern. Nicht ganz ungefährlich, wie wir miterleben mussten. Fahrerin und Wanderer gingen zu Boden, Gott sei Dank nur schmerzhafte Schrammen und Blessuren …
Für die Rücktour hatten wir uns ein ganz besonderes Erlebnis gebucht, ein Pferdeomnibus brachte uns wieder an den Ausgangspunkt unserer Wanderung (Einzelfahrt 20 CHF pro Person). Doch bevor uns die Pferde-Troika, ruhig und erfahren geführt von Kathrin, einer jungen Frau mit feschem Hut, kehrten wir noch im Roseg-Gletscher-Restaurant ein. Auf der Sonnenterrasse gab es nicht nur imposante Ausblicke auf die Gletscher, sondern auch ein tolles Kuchenbüffet.
Wir ließen uns im Gasthaus am Roseg leckeren Apfelstrudel mit Vanillesoße schmecken (9,50 CHF) mit einer Tasse Kaffee (4,90 CHF). Wir blinzelten in die Sonne, das war einer von den Augenblicken, die man gern in Erinnerung hält. Frei nach Goethe „Augenblick verweile doch, du bist so schön.“ Doch die Abfahrtzeit des Pferdeomnibus rückte heran, wir mussten los, wenn wir nicht auch noch zurück laufen wollten.
Die rund einstündige Kutschenfahrt war ebenfalls ein Erlebnis. Zu keiner Zeit ließ Kathrin bei den Gästen Angst aufkommen, dass sie ihr Handwerk nicht beherrscht. Zweimal am Tag kutschiert sie Touristen entspannt zum Roseg-Gletscher hoch und runter. Unten angekommen können die Gäste den Pferden noch beim Tränken zuschauen, in der Zwischenzeit koppelt Kathrin den zweiten Wagen und den kleineren Transportwagen für Kinderwagen u.a. ab, um sie über Nacht auf dem Parkplatz für Kutschen abzustellen. Danach gibt es noch Streicheleinheiten von Kathrin für die Pferde und ab geht es zur Weiterfahrt in den Stall. Wir schauen wehmütig hinterher … und freuen uns schon auf den nächsten Tag.
Und beim abendlichen Blick aus dem Fenster der Jugendherberge sahen wir die Pferde in Sichtnähe auf der Weide, welch ein friedliches Bild. Und zum Abschied ein Regenbogen. Besser kann es nicht sein.
Jugendherberge Pontresina
Via da la stazium 46, CH-7504 Pontresina
Tel. +41 818427223
pontresina@youthhostel.ch
www.youthhostel.ch
check-in: 16.00-21.00 Uhr
check-out: 7.30-10 Uhr
Bei Aufenthalten ab 2 Nächten in Folge erhalten die Gäste Zusatzleistungen
Während der Sommersaison:
Tickets für den öffentlichen Verkehr und alle offenen Bergbahnen im Oberengadin
Während der Wintersaison:
Tickets für den öffentlichen Verkehr im Oberengadin
Hotelskipass für CHF 38 pro Person und Tag für den ganzen Aufenthalt
Weitere Tipps zur Pontresina, dem liebenswerten Ferienort im Engadin, findet ihr hier.
Die Recherche in der Jugendherberge wurde unterstützt von den Schweizer Youthhostels. Dank an Sabine und Martin Künzli.
Hier geht es zu einer anderen Schweizer Jugendherberge.
hier geht es zu Wohlis Kutschbetrieb
www.engadin-kutschen.ch
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