Sachsen-Anhalt überrascht die Touristen immer wieder. Unlängst war einfachraus.eu im Wippertal unterwegs: Aschersleben-Drohndorf-Freckleben-Sandersleben. Heute sind wir in Oberwiederstedt in der Nähe der Kupferstadt Hettstedt. Dort in Wiederstedt steht das Geburtshaus von Friedrich von Hardenberg, vielen bekannt als Novalis. Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (Novalis) zählt zu den Mitbegründern des frühromantischen Dichterkreises in Jena (1798-1801) und wurde einer seiner bekanntesten deutschen Dichter. Zugleich vereinte er juristisches und philosophisches Wissen mit dem Fachwissen der Bergwissenschaften und des Salinewesens. Er hatte an der Bergakademie in Freiberg (Sachsen) studiert. Zu Hardenbergs Freunden gehörten im Jenaer Kreis u.a. Tieck, Schelling und die Brüder Schlegel. Als Jurist qualifizierte Novalis sich zum Bergbauingenieur und Salinenspezialisten.
Im Reich der Blauen Blume
In der vielseitig interessierten Person von Hardenbergs verbinden sich an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert gleichsam Philosophie, Naturwissenschaft, Technologie und Dichtung in einzigartiger Weise. Im Gutshaus Oberwiederstedt, direkt im Wippertal, wurde Novalis geboren. Er verbrachte in Wiederstedt wie auch auf dem Gutshof seiner Verwandten in Schlöben seine Kindheit. Schlöben ist eine Gemeinde im thüringischen Saale-Holzland-Kreis und liegt bei Bad Klosterlausnitz.
Novalis-Geburtshaus Schloss Oberwiederstedt
Bis 1945 lebte Familie von Hardenberg im Schloss Oberwiederstedt. Danach war es u.a. ein Pflegeheim und verfiel ab Mitte der 70er Jahre. Um 1985 bot das Gutshaus Wiederstedt einen traurigen Anblick. Es verfiel und befand sich im Dornröschenschlaf. Der Abriss war beschlossen. Doch junge Leute aus dem Ort Wiederstedt sowie der damaligen Bezirksstadt Halle wehrten sich dagegen. Zu den Initiatoren gehörte Gerald Wahrlich. Seiner Bürgerinitiative, damals im Kulturbund organisiert, gelang es gegen den Willen der Obrigkeit, das Schloss vor dem Abriss zu bewahren. An Novalis’ 220. Geburtstag wurde am 2. Mai 1992 die Internationale Novalis-Gesellschaft (ING) gegründet, die sich die Förderung der wissenschaftlichen und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Werk und der Persönlichkeit Friedrich von Hardenbergs (Novalis) zum Ziel setzte.
Durch die Einrichtung der Novalis-Stiftung „Wege wagen mit Novalis“ im Mai 2001, zum 200. Todestag des Novalis, wurde dessen Geburtshaus samt den inzwischen darin beheimateten Institutionen und der Gesellschaft gleichsam ein zweites Mal gerettet. In wirtschaftlich schwieriger Lage des Mansfelder Landkreises sorgte die private Stiftung für die Sicherung der gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitsfähigkeit von Forschungsstätte und Museum.
Im Zusammenwirken von Gesellschaft und Stiftung entwickelt sich Schloss Oberwiederstedt mehr und mehr zu einem internationalen Novalis-Zentrum. Das Renaissancegebäude war Ort internationaler Fachtagungen sowie Schauplatz für Märchenfeste. Neben einer Dauerausstellung über Leben und Werk von Novalis zeigt das kleine Museum regelmäßig Kabinettausstellungen zu aktuellen Forschungsergebnissen der Novalis-Forschung und zu kultur- und rezeptionsgeschichtlichen Themen aus dem Umkreis der Frühromantik. Das Novalis-Museum ist das einzige Literaturmuseum der Romantik in Sachsen-Anhalt. Es beherbergt in seiner Dauerausstellung Gemälde und Zeichnungen aus der Ahnengalerie der Familie von Hardenberg. Im Schloss werden außerdem wechselnde Ausstellungen rund um das Wirken des romantischen Dichters Georg Philipp Friedrich von Hardenberg und verschiedene Aspekte seiner Alltagswelt um 1800 präsentiert. Eine „imaginäre Bibliothek“ präsentiert all jene Bücher, die Novalis nachweislich studierte und als Quelle seiner zahlreichen Studien, theoretischen, naturphilosophischen und poetischen Texte nutzte.
Zum historischen Ensemble gehören der wiederhergestellte Klostergarten sowie die einstige Klosterkirche, sie geht auf ein ehemaliges Dominikanerinnenklosters aus dem frühen 13. Jahrhundert zurück. Für die Rekonstruktion des Kirchenschiffes engagiert sich eine Gesellschaft und Stiftung. In der Kirche wurde Novalis getauft.
Die Forschungsstätte für Frühromantik und Novalismuseum wurden in das Blaubuch der Bundesregierung als „Kultureller Gedächtnisort von nationaler Bedeutung“ aufgenommen. Zu den „Kulturellen Gedächtnisorten“ gehören zwanzig Institutionen in den neuen Bundesländern.
2021: Retter des Novalis-Schloss verstorben
Gerald Wahrlich, der sich in seiner Heimatgemeinde Wiederstedt im Ortschaftsrat engagierte, als tüchtiger Unternehmer gilt, hat mir immer wieder von neuen Ergebnissen der Novalisforschung berichtet. Zu einem im Sommer 2021 anberaumten Gespräch, wo er mir unter anderem, über die Einrichtung eines Fahrradweges zwischen Sandersleben über Wiederstedt nach Hettstedt erzählen wollte, kam es leider nicht mehr. Wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtete, verstarb der geachtete Denkmalpfleger und Familienvater am 11.Januar 2021. Er hatte noch viel vor. Mit seinem Namen verbunden wird immer die Rettung des Geburtshauses von Novalis verbunden sein. „Zuletzt hatte sich Wahrlich gemeinsam mit seinen Ortschaftsratsmitgliedern für den Austritt Wiederstedts aus der Einheitsgemeinde Arnstein eingesetzt. „Er hat vieles angetrieben im Ort. Die Nachricht nimmt uns alle sehr mit“, sagt Ortschaftsratsmitglied Harald Detto.“
Weitere Informationen
Forschungsstätte für Frühromantik und Novalis-Museum
Schloss Oberwiederstedt
Schäfergasse 6, 06456 Arnstein OT Wiederstedt
Tel. +49 3476–852 720
www.novalis-museum.de
www.novalis-stiftung.de
www.novalis-gesellschaft.de
hier geht es zu den Kulturellen Gedächtnisorten in der Bundesrepublik.
Auch einen Besuch wert,
Das Gottfried-August-Bürger-Museum Molmerswende (Stadt Mansfeld) soll im Herbst wiedereröffnet werden. Das Museum, das an den in Molmerswende geborenen Dichter Gottfried August Bürger (1747-1794) erinnert, war seit 2011 aufgrund baulicher Mängel geschlossen. Nach umfangreichen Sanierungs- und Umbauarbeiten ist das Museum göffnet. Das Land Sachsen-Anhalt beteiligte sich an den Umbaukosten und an der Erstellung eines Museumskonzeptes mit mehr als 400.000 Euro.
Hier eine weitere Station der Wippertal-Rundreise
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