Diesen kleinen Ort in Sachsen-Anhalt sollte man unbedingt besuchen: Freckleben, gelegen im Salzlandkreis, rund 50 Kilometer von Halle und 60 Kilometer von Magdeburg entfernt. Der kleine Ort am Rande von Aschersleben, rund 700 Einwohner, verfügt mit der einstigen Reichsburg, eine romanische Höhenburg, und einer sogenannten Winkelkirche, zwei touristisch herausragende Attraktionen. Und wer einmal bei einem Burgfest oder dem Schaupflügen auf der Burg Freckleben war, der schwärmt noch lange von der Gastfreundschaft des von Annemarie Rockmann und Klaus Flaake geleiteten Heimatvereins. Klaus Flaake schwärmt während meines Besuches auch von der guten Akustik der Burggemäuer, die Auftritte des Männergesangvereins Freckleben sind weit über die Region hinaus bekannt.
Man sollte sich unbedingt einer Burgführung anschließen. Der Burgvogt führt durch die einzelnen Räume und berichtet über die wechselhafte Geschichte des imposanten Bauwerkes. Freckleben wird urkundlich erstmalig am 22. Oktober 973 erwähnt. Graf Udo IV. von Freckleben war mit Adelheid, einer Schwester Albrecht des Bären aus dem Geschlecht der Askanier, verheiratet. 1127 eroberte Albrecht der Bär die Burg. Am 15. März 1130 erschlugen Albrechts Mannen den Markgrafen Udo IV. von Freckleben am Lindenhof in Aschersleben.
Schloss oder Burg Freckleben?
Hoch über dem Wippertal thront die Burg Freckleben. Im Ort heißt die Burg aber Schloß/Schloss. Es gibt sogar eine Schloßstraße und einen Schloßblick. Warum diese Bezeichnung ? Im Mittelalter wurden kleine Wehranlagen als „Burg“ bezeichnet, große Wehranlagen nannte man „Schloss“. Im 12. Jahrhundert erscheint in Urkunden das „Reichsschloss Freckleben“. Am 8. März 1166 übertrug Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) das „Reichsschloss“ Freckleben an den Erzbischof Wichmann von Magdeburg. In den ältesten bekannten Flurkarten, den „Anhaltinischen Land- und Amtsregistern“sowie dem „Inventarium von Freckleben von 1586“ erscheint der Name „Schloss“. Die Benennung „Schloss“ ist in Freckleben bis heute erhalten geblieben. Die Frecklebener sprechen vom Schlossberg, Schloss und den Schlossteichen. Später war die Burganlage eine Domäne und gehörte wie der Ort zum Fürstentum Anhalt.
Turm entstand nach 1990 neu
Der sogenannte Bergfried 1 war im Laufe der Jahrhunderte und durch Brand weitgehend zerstört. Heute hat der Ostturm wieder eine Höhe von rund 23 Metern geschrumpft. Die Wanddicke im Eingangsbereich beträgt über drei Meter.
Einzigartig in Europa: Drehspindelleiter
Hatten wir beim Rundgang durch die Burg schon einen großzügig ausgestalteten Veranstaltungssaal kennengelernt und uns vom Ostturm mit ausblicken über das reizende Wippertal erfreut, so folgt mit der Besichtigung des Turmes der Oberburg ein wahrhafter Knüller der Baugeschichte und Ingenieurkunst. Zwischen 1166 bis 1200 entstand der Turm der Oberburg nach der sogenannten Magdeburger Kirchenbaukunst mit spätromanischen Stilelementen. Dieser Turm ist knapp 32 Meter hoch. Sein Grundriss ist ein Viereck von etwa 7 mal 8 Meter. Ab dem vierten Obergeschoss ist der Grundriss ein unregelmäßiges Achteck mit einer Fläche von 21 Quadratmetern, mit dicken Wänden, etwa 2,20 und 1,20 Meter dick sind sie.
Im dritten Obergeschoss befindet sich der Hauptwohnraum. Auch das vierte Obergeschoss wurde als Wohnraum genutzt.
Hier gibt es Informationen zur Baugeschichte der Burg Freckleben.
Drehspindelleiter nach französischem Vorbild
Dem Verdienst des Freckleber Gewerbelehrers und Architekturhistorikers Hilmar Seidig ist es zu verdanken, dass Mitte der 1990er Jahre die Burg bauhistorisch gründlich erforscht wurde. Zusammen mit dem in Konstein/Bayern beheimateten Treppenforscher Professor Dr. Friedrich Mielke fand Hilmar Seidig heraus, dass die um 1740 im 4. und 5. Obergeschoss des Turmes eingebaute Drehspindelleiter nach dem Vorbild französischer Taubentürme angelegt worden war. Allerdings mit kleinen Abänderungen. Statt gemauerter Nistlöcher wurden im Freckleber Bergfried an den Innenwänden Gestelle aus Latten und Rundstangen angebracht, die die aus Stroh geflochtenen Nistkörbe aufnahmen. Um leichter an die Nistkörbe der Tauben zu gelangen, wurde die Drehspindelleiter eingebaut. Sie hatte zugleich den Vorteil, dass ihre Sprossen von den Tauben auch als Sitzgelegenheit genutzt werden konnten.
Meisterwerk der Holzbaukunst
Hier ein Video der Aschersleber Kulturanstalt über die Burg Freckleben. Kulturanstalt-Chef Matthias Pöschel erklärt darin die Funktionsweise der Drehspindelleiter sehr anschaulich und trifft Vereinschefin Annemarie Rockmann bei seinem Besuch auf der Burg. Bei besonderen Führungen durch Mitglieder des Heimatvereins können Gäste der Burg Freckleben diese in Europa einzigartige Technik bewundern. Der Heimatverein hat mit vielen Helfern und Förderern die seltene Anlage der drehbaren Spindelleiter (die ja ganz profan für das Reinigen und Ausnehmen der Taubennester benutzt wurde) rekonstruiert. Heute ist es eine international beachtete Inkunabel der Architekturgeschichte und ein Meisterwerk der Holzbaukunst.
Was man in Freckleben noch sehen sollte
Ehrlich gesagt, der auf beiden der Wipper gelegene Ort ist sehenswert. Viele schmucke Häuser und gepflegte Kleingärten, ein Radweg entlang der Wipper (irgendwann führt dieser vielleicht wieder über Sandersleben nach Wiederstedt (dem Geburtsort von Friedrich von Hardenberg – besser bekannt als Novalis- ) und ein Sportplatz. Daneben eine aus romanischer Zeit stammende gemauerte Brücke. Baugeschichte pur. Besonders sehenswert aber, weil fast deutschlandweit einmalig, ist die
Winkelkirche von Freckleben
1594 wurde die ursprüngliche Kapelle durch einen Anbau auf der südwestlichen Seite erweitert, so dass ein Winkelbau entstanden ist. Die Kanzel steht genau im Winkel, so dass der Pfarrer von der Gemeinde auf allen Plätzen gehört und gesehen wurde.
In Deutschland gibt es nur fünf Winkelkirchen.
Burg Freckleben
Auf dem Schloß 5, 06449 Aschersleben
Öffnungszeiten
Mo – Fr: 10:00 – 16:00 Uhr
Sa – So: nach telefonischer Vereinbarung (Tel.: 034785 20288 oder 0176 21499842)
Mehr Informationen hier
Wer noch mehr über Winkelkirchen erfahren will, der wird bei Wikipedia fündig: „Winkelkirchen gibt es in Freudenstadt (Schwarzwald), Ruhla (Sachsen), Wintersingen, in Binningen (St. Margarethen) bei Basel, Elsfleth, Küblingen und Unterschüpf. In der Klosterkirche der Abtei Herstelle steht der Schwesternchor im rechten Winkel zum öffentlichen Kirchraum.
Unbedingt anschauen: Kulturanstalt-Vorstand Matthias Pöschel erklärt die Drehspindelleiter und trifft Annemarie Rockmann auf der Burg Freckleben.
Älteste Taufglocke in Drohndorf
Auf dem Weg von Freckleben nach Aschersleben kommen wir entlang der Wipper auch nach Drohndorf. Hier begegnen wir der Familie Luther, Nachfahren der Familie des Bruders des Reformators Martin Luther. Die Inschrift am Bauerngehöft weist darauf hin.
Hier geht es auf der Reise weiter ins schöne Aschersleben.
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