Theodor Fontane hat den Ziegelringofen in Glindow bei Potsdam schon 1873 beschrieben. Der Ofen ist der letzte von einst mehr als 30 und gilt als europaweit einmalig. Noch heute wird in dem technischen Denkmal produziert. Der Ofen am Glindower See ist legendär. „Was Werder für den Obstkonsum der Hauptstadt ist, das ist Glindow für den Ziegelkonsum. In Werder wird gegraben, gepflanzt, gepflückt – in Glindow wird gegraben, geformt gebrannt; an dem einen Ort eine wachsende Kultur, am andern eine wachsende Industrie, an beiden (in Glindow freilich auch mit dem Revers der Medaille) ein wachsender Wohlstand. “
Was Fontane über Glindow schrieb
In diesem Fontanezitat steckt die Bedeutung, die die Ziegeleien einst für Berlin hatten. Vom Ufer des Glindower Sees aus wurden die mit Steinen beladenen Schiffe in die expandierende Hauptstadt gebracht. „Berlin ist aus dem Kahn gebaut“, wurde so schnell zum geflügelten Wort. Was Werder für den Obstkonsum der Hauptstadt ist, das ist Glindow für den Ziegelkonsum. IDazu steht das eine wie das andere nicht bloß für sich selber da, sondern ist seinerseits wiederum eine »Metropole«, ein Mittelpunkt gleichgearteter und zugleich widerstrebender Distrikte, die es fast geboten erscheinen lassen, nach Analogie einiger Schweizer Kantone, von Werder-Stadt und Werder-Land oder von Glindow-Dorf und Glindow-Bezirk zu sprechen.
Techniktrumpf aus Uropas Tagen
Der einzigartige Ofen ist das Herzstück der von Harald Dieckmann geleiteten Neuen Ziegel-Manufaktur am Glindower See.
Im Rahmen der diesjährigen Kulturlandkampagne „Handwerk zwischen gestern & übermorgen“ werden im Juli und September Künstler des Theaters Poetenpack an verschiedenen Orten in der Ziegelei Texte von Theodor Fontane und aus anderen Quellen lesen. Vorsicht: auch auf der Ofenbühne wird vorgelesen.
Fontane und der Glindower Ziegelringofen
Darunter brennt seit mehr als 100 Jahren das immerwährende Feuer. Denn der Ofen von Glindow ist bis auf wenige Ausnahmen nie ohne Feuer gewesen.
Im 19. Jahrhundert waren in Glindow über 50 Schornsteine im Gebrauch. Die Weltwirtschaftskrise beendete die Ziegelproduktion in der Region. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde wieder produziert, zu DDR-Zeiten vor allem Blumentöpfe.
„Denkmal produziert für Denkmale“
Ab 1990 lautet das Motto ein „Denkmal produziert für Denkmale“. Es ist ein Ort, an dem seit 500 Jahren das Handwerk der Ziegelfertigung betrieben wird. 23 Mitarbeiter um Geschäftsführer Harald Dieckmann fertigen in aufwändiger Handarbeit Produkte aus Ton, darunter Ziegelsteine im Klosterformat, Bodenplatten, Terrakotten, Formsteine und Elemente für Zeitgenössische Kunst. In Nordeuropa sind Produkte aus Glindow an vielen Kirchen, Schlössern, Rathäusern, Stadtmauern, Leuchttürmen und auch Privatbauten zu finden.
In Glindow werden Ziegel bis heute im Handstrichverfahren hergestellt. Dabei wird eine oben und unten offene, bis zu vier Ziegel fassende Rahmenform aus Holz benutzt.
Handwerkliches Können
Ein passendes Stück des aufbereiteten Tons wird in die gewässerte Holzform geworfen und in die Ecken gedrückt. Die Oberfläche wird durch das Abstreifen des überflüssigen Tons geglättet. Geschäftsführer Harald Dieckmann: „Handwerkliches Können verbindet sich mit Leistungsbereitschaft. Die körperlich schwere Arbeit der Handstreicher gleicht der der Tagelöhner aus dem Lipperland im 19. Jahrhundert. Bis über sieben Tonnen Ton wird von einem unserer Arbeiter in einer Schicht hochgehoben und in die Form geschlagen.“ Alle Achtung vor diesem Knochenjob im 21. Jahrundert. Warum Lipperland ? Theodor Fontane beschrieb seinerzeit die unterschiedliche Form der Tagelöhner. Ein Großteil kam damals aus dem Lipper Land.
Blockheizkraftwerk hilft
Während früher die Ziegelrohlinge auf langen Holzregalen im Freien trockneten und dabei einen Teil ihrer Feuchtigkeit verloren, haben das heutzutage die mit einem Blockheizkraftwerk beheizte Trockenkammern übernommen.
Von dort kommend, werden die Ziegel in die einzelnen Kammern des historischen Hoffmannschen Ringofens gestapelt. 6000 Ziegelsteine passen in eine Brennkammer, die rund drei Meter hoch ist.
Feuer im Ringofen brennt immer
Das immerwährend brennende Feuer wandert nun kreisförmig von Kammer zu Kammer und ermöglicht so einen wirtschaftlichen Betrieb, zumal der Ringofen im Idealfall kontinuierlich befeuert wurde.
Theodor Fontane lieferte im Band „Havelland“ seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ die beste Beschreibung über die Funktionsweise des Hoffmannschen Ziegelringofens.
Fontane: Ringofen gleicht einer Torte
Er schreibt u.a.: „Zunächst seine Form und Einrichtung……. Denken wir uns also eine gewöhnliche runde Torte, aus der wir das Mittel- oder Nußstück herausgeschnitten und durch eine schlanke Weinflasche ersetzt haben, so haben wir das getreue Abbild eines Ringofens. Denken wir uns dazu die Torte in zwölf gleich große Stücke zerschnitten; so haben wir auch die Einrichtung des Ofens: sein Zwölfkammersystem. Die in der Mitte aufragende Weinflasche ist natürlich der Schornstein.“
„Das Verfahren ist nun folgendes. In vier oder fünf der vorhandenen, durch Seitenöffnungen miteinander verbundenen Kammern werden die getrockneten Steine eingekarrt, in jede Kammer zwölftausend. Ist dies geschehen, so wird die Gesamtheit der erwähnten vier oder fünf Kammern durch zwei große Eisenschieber, der eine links, der andere rechts, von dem Reste der Kammern abgesperrt. Nun beginnt man in Kammer eins ein Feuer zu machen, nährt es, indem man von oben her durch runde Löcher ein bestimmtes Quantum von Brennmaterial niederschüttet und hat nach vierundzwanzig Stunden die zwölftausend Steine der ersten Kammer völlig gebrannt.“
„Aber (und darin liegt das Sparsystem) während man in Kammer eins eine für zwölftausend Steine ausreichende Rotglut unterhielt, wurden die Nachbarsteine in Kammer zwei halb, in Kammer drei ein Drittel fertig gebrannt und die Steine in Kammer vier und fünf wurden wenigstens »angeschmoocht«, wie der technische Ausdruck lautet. Die Steine in Kammer zwei, die nun am zweiten Tage unter Feuer kommen, brauchen natürlich, halb fertig, wie sie bereits sind, ein geringeres Brennmaterial, um zur Perfektion zu kommen, und so geht es weiter; wohin immer das Feuer kommt, findet es zwölftausend Steine vor, die bereits drei Tage lang und zwar in wachsender Progression durch eine Feuerbehandlung gegangen sind. Der eine (vorderste) Eisenschieber rückt jeden Tag um eine Kammer weiter, der andere Eisenschieber, vom entgegengesetzten Flügel her, folgt und gibt dadurch die Kammer frei, in der am Tage zuvor gebrannt wurde. So vollzieht sich ein Kreislauf. In die leeren Kammern bevor der Schieber sie in den Feuerrayon hineinzwingt, wird eingekarrt, aus den im Feuer gewesenen, vom Schieber frei gegebenen Kammern wird ausgekarrt. Der Prozeß, solange die Brennkampagne dauert, ist ohne Ende; das Feuer rückt von Kammer zu Kammer…“
Ziegelringofen mit Seltenheitswert
Neben dem betriebsfähigen Hoffmann’schen Ziegelringofen von Glindow gibt es nur noch sehr wenige, die an die vorindustrielle Produktion von Ziegelsteinen erinnern. Neben Glindow brennt die Firma Rusch in Drochtersen (bei Stade in Niedersachsen) ihre Steine im historischen Ringofen.
Schon wegen der Einmaligkeit im Berliner Raum hat der Ziegelringofen von Glindow in der Neuen Ziegel-Manufaktur einen Platz auf der Route der europäischen Industriekultur verdient. Und Hut ab vor der schweren Arbeit der Ziegler – für mich sind deren Erfahrungen schützenswertes immaterielles Kulturerbe.
Im einst zu Werbezwecken errichteten „Aufseherturm“ lädt das Märkische Ziegeleimuseum ein
Grabstätte für Hoffmann auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof Berlin
Informationen
Adresse: Neue ZIEGEL-MANUFAKTUR Glindow UG, Alpenstraße 47, 14542 Werder/H., Tel.: 03327/66490, E-Mail‘:info@ziegeleimanufaktur.com,
Homepage: www.ziegeleimanufaktur.de
Sehenswert ist das Märkische Ziegeleimuseum Glindow
Anfahrt: Von der A10 kommend die Abfahrt Glindow, im Ort bis zum Ende der Alpenstraße (Nr. 44) fahren. Auch über die B1 ist Glindow zu erreichen.
Übrigens gehört Glindow mittlerweile zur Stadt Werder. Aber der Spruch von Fontane: „In Werder wird gegraben, gepflanzt, gepflückt – in Glindow wird gegraben, geformt, gebrannt“, hat heute noch Gültigkeit. Demnächst folgt hier ein Beitrag über Glina Whisky aus Glindow.
Hier geht es zur Seite von Kulturland.
Hier der Link zum Reiseland Brandenburg (TMB).
Literaturtipps:
Begleitband zu Kulturland „Nicht von gestern! Handwerk in Brandenburg“, Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH, Koehler & Amelang, 19,95 Euro
Themenkarte Handwerk bringt`s, mit Tipps für Radtouren und Wanderungen, u.a. von Glindow nach Werder, Verlag terrapress, 4 Euro
Ferienzeitung „Quer-durch-Brandenburg“, Potsdam, Havelland und Fläming, terrapress, 2,80 Euro
Mit Friedrich Hoffmann beschäftigt sich auch eine Ausstellung im Ziegeleipark Mildenberg bei Zehdenick.
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