Ende Januar – noch hat uns der Winter im Griff. Doch die Sehnsucht nach etwas mehr Wärme, mehr Helligkeit wird größer. Und damit auch die Sehnsucht danach, alte „Bekannte“ wieder zu sehen. Sei es unsere Schildkröte „Fridolin“, die hoffentlich gesund aus dem Winterschlaf kommt, oder die Großtrappen, die wir schon seit ein paar Jahren alljährlich im Frühjahr begleiten. Ob sie auch Winterschlaf machen? Diese Frage hätten wir Andreas Kieling stellen sollen, als wir ihn im vergangenen Jahr zufällig während unserer Großtrappenbeobachtung im Havelländischen Luch trafen. Aber damals waren wir so überrascht, ihn an „unserem“ Beobachtungsort zu treffen, dass alles andere wichtiger war, als meine Frage. Und so erfuhren wir, dass demnächst eine neue Publikation bei National Geographic von Andreas Kieling herauskommen wird, die über wilde Tiere und große Abenteuer berichtet. Vielleicht gehören die Großtrappen ja auch zu den „wilden Tieren“, über deren Beobachtung er schreibt, und wir erfahren, ob sie Winterschlaf machen? 

Cover National Geographic/Bruckmann

Cover National Geographic/Bruckmann

Nun liegt der reich bebilderte Band des 1959 in Gotha geborenen Dokumentarfilmers vor. Mit viel Einfühlungsvermögen, Ausdauer und Liebe ist er u. a. auf den Spuren von Wildtieren im Yellowstone Nationalpark, auf Madagaskar und Alaska unterwegs, trifft hautnah u.a. auf Koalas, Orang-Utans und Pinguinen. Doch für den sympathischen Tierfilmer sind „tierische“ Abenteuer auch in nächster Umgebung zu erleben. Und natürlich gibt er sein vielfältiges Wissen gern weiter, ob vor der Kamera oder im vorliegenden Band Andreas Kieling „30 Jahre Tierfilm – Wilde Tiere, weite Welt und große Abenteuer“. Und tatsächlich, dem „Märkischen Strauss“ – wie die Großtrappe auch oft genannt wird, widmet er ein Kapitel. Eingeleitet wird es mit einer Nahaufnahme des majestätischen Vogels. Stolz steht er mit strengem Blick da, so als möchte er uns sagen: „Seht her, es gibt mich noch!“ Denn in Deutschland, „wo sie in den 1990er Jahren unter anderem infolge von Bejagung, Zerstörung ihrer Lebensräume und Intensivierung sowie Mechanisierung der Landwirtschaft beinahe ausgestorben waren, gibt es heute wieder knapp 350 dieser prächtigen Vögel.“ (Havelländisches Luch und Belziger Landschaftswiesen in Brandenburg sowie Fiener Bruch in Sachsen-Anhalt).

Terra X sendet regelmäßig neue Folgen von Kielings wilde Welt.

Schon zu DDR-Zeiten wurden die Eier der Großtrappen (Großtrappen sind Bodenbrüter) geschützt: Traktoristen erhielten Prämien, wenn sie ein Gelege von Großtrappen vor dem Unterpflügen retteten. Auch heute werden Eier abgesammelt, damit sie Waschbär, Fuchs und Wildschwein nicht als Mahlzeit verwerten. Im Inkubator werden sie bis zum Schlüpfen aufbewahrt, nach dem Schlüpfen kommen die Küken in ein Freigehege und werden mit Proteinbomben – wie Insekten – in den ersten zwei Wochen großgezogen. Es werden Schutzzäune gegen Beutegreifer errichtet und Kooperationen mit Landwirten geschlossen, die unter anderem durch extensive Landwirtschaft, Brachflächen und den Verzicht auf Pestizide einen wertvollen Beitrag leisten. 

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Enge internationale Zusammenarbeit mit Kollegen aus Spanien, Österreich, Ungarn und Tschechien bei grenzüberschreitenden Projekten zum Schutz der Großtrappen im Rahmen des LIFE-Programms der Europäischen Union stärken den Bestand der Großtrappen. 

Grosstrappen Havelland

Während unserer Beobachtungen fasziniert uns immer das Balzverhalten der Großtrappen. Wie ein weißes Wollknäuel oder ein übergroßer Schneeball sieht es aus der Ferne aus. Man möchte immer näher dran sein, unser Fernglas reicht meist nicht aus. Doch unsere Vernunft siegt. Wir wollen sie nicht stören bei der schönsten Sache der Welt.

Andreas Kieling hat es ähnlich erlebt, wenn er in seinem Band nun schreibt: „Da Großtrappen keinen Balzgesang haben, machen die Hähne paarungsbereite Hennen durch spektakuläres Gebaren auf sich aufmerksam. Sieht man einen balzenden Großtrapphahn von Weitem, denkt man der Wind wurde eine weißte Plastiktüte oder ein Stück Silofolie über kurze Gras treiben, denn der Trapphahn bläht dann den Kehlsack auf, stellt die Bartfedern hoch, so dass man seinen Kopf kaum noch sieht, wendet sein weißes Untergefieder nach außen, bläst sich also nach allen Regeln der Kunst auf, dreht sich ganz schnell und macht dabei ruckartige Bewegungen. Erst bei näherem Hinsehen erkennt man, dass es sich bei dem kugeligen, kullernden Etwas um ein Großtrappenmännchen handelt. Zur Paarung läuft die Henn unter dem balzenden Hahn durch, stimuliert ihn auf diese Weise offensichtlich, und irgendwann komm es dann zum „Treten“: Der Hahn besteigt die Henne, und die beiden Tiere pressen ihre Kloaken – die gemeinsame Körperöffnung für Darm, Harnblase und Geschlechtsorgane bei Vögeln und einigen anderen Tieren – aufeinander.

Hier die Seite des Fördervereins Grosstrappen

Wo kann man Grosstrappen sehen bzw. wo gibt es Führungen zur Balz ?

Trotz 3D.-Tarnanzug, in Tarnschalen gepackter Kamera, Objektiv und Stativ ist es auch dem erfahrenen Toerfotografen Andreas Kieling nicht gelungen, dem Trapphahn in voller Balzstimmung nahe zu kommen. Der kluge Trapphahn hat ihm in etwa 150 Meter Entfernung die lange Nase gezeigt. „Unfassbar“ so der ausdauernde Tierbeobachter. „Und der Grund, warum viele Gebiete zur Balzzeit für Menschen gesperrt sind.“ Großtrappen auf „Augenhöhe“ zu begegnen ist eine echte Herausforderung, „denn auch als Profifotograf durfte ich nicht näher an die Tiere heran als alle anderen. Großartig war dagegen, dass man im Hintergrund keine Straße, keine Dörfer sah, sondern meistens große Sprünge, als Rudel, von Rehen.“

Grosstrappen-Havelland (20)

Von den Großtrappen fasziniert ist auch Tierfilmer Andreas Kieling

Der Autor mit Tierfilmer Andreas Kieling Foto: Lea GoldbergFazit: Ein spannendes Buch, jedes Foto, jede Episode anschauens- und lesenswert. Bleibt meine Frage: Machen die Großtrappen nun Winterschlaf? Wir bleiben dran …

Informationen zum Band:

Andreas Kieling, 30 Jahre Tierfilm. München 2023. ISBN 978-3-86690-818-5. Preis 49,90 Euro. Mehr Infos hier  www.nationalgeographic-buch.de

Cover National Geographic/Bruckmann

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