„Eine Meile hinter Bornstedt liegt Marquardt, ein altwendisches Dorf, ebenso anziehend durch seine Lage wie seine Geschichte. Wir passieren Bornim, durchschneiden den »Königsdamm« und münden unmerklich aus der Chaussee in die Dorfstraße ein, zu deren Linken ein prächtiger Park bis an die Wublitz und die breiten Flächen des Schlänitz-Sees sich ausdehnt.“ So leitet Theodor Fontane im Band „Havelland“ seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg das Kapitel über Marquardt ein.
Spurensuche im Ort
Gäste fragen nach den Stationen der Erzählung von Theodor Fontane, die auch im Schloss spielen. Auch nach der „Blauen Grotte“, über die Fontane schreibt, wird oft gefragt. Niemand weiß genau, ob noch Reste des sagenumwobenen Bauwerkes im Boden schlummern. Seit dem 14. Jahrhundert erlebte das Gut viele adelige Familien. Archäologische Ausgrabungen gab es bislang nicht. Einer der prominenten Besitzer war General Hans Rudolf von Bischoffwerder.
Als Mitglied der Rosenkreuzer ließ er die „Blaue Grotte“ anlegen, in der sich die Mitglieder des Geheimbundes zur Ausübung okkulter Rituale trafen. Auch der leichtgläubige König Friedrich Wilhelm II. soll hier einige spiritistische Sitzungen miterlebt haben.
Die Grotte wurde allerdings von einem späteren Besitzer abgerissen, so die Ortsgeschichte, die sich vor allem auf Fontanes Ausführungen und die Kirchenbücher stützt.
Rosenkreuzer in Marquardt
Fontane schrieb u.a. „ Die Dorftradition sagt, er kam in Begleitung weniger Eingeweihter, meist in der Dämmerstunde,…, passierte nie die Dorfstraße, sondern fuhr über den »Königsdamm« direkt in den Park, hielt vor dem Schlosse und nahm nun an den Sitzungen teil. Man begab sich nach der »Grotte«, einem dunklen Steinbau, der im Parke, nach dem rosenkreuzerischen Ritual, in einem mit Akazien bepflanzten Hügel angelegt worden war. Der Eingang, niedrig und kaum mannsbreit, barg sich hinter Gesträuch. Das Innere der Grotte war mit blauem Lasurstein mosaikartig ausgelegt, und von der Decke herab hing ein Kronleuchter. In diese »blaue Grotte«, deren Licht- und Farbeneffekt ein wunderbarer gewesen sein soll, trat man ein; der König nahm Platz. Alsbald wurden Stimmen laut; leiser Gesang, wie von Harfentönen begleitet. Dann stellte der König Fragen, und die Geister antworteten. Jedesmal tief ergriffen, kehrte Friedrich Wilhelm ins Schloß und bald darauf nach Potsdam zurück.“
Existieren noch Reste der Grotte?
„Daß die Grotte eine doppelte Wandung hatte, ist seitdem, und zwar durch den jetzigen Besitzer, der den Bau öffnete, um sich von seiner Konstruktion zu überzeugen, über jeden Zweifel hinaus erwiesen worden. Die Lasursteine existieren noch, ebenso der Akazienhügel. Dennoch gibt es Personen, die den ganzen Schatz Marquardter Volkssage einfach für Fabel erklären. Ich kann diesen Personen nicht beistimmen. Es ist eine nicht wegzuleugnende Tatsache, das Bischoffwerder ein Rosenkreuzer war, …“
Die Geistergrotte, wie sie manche Dorfbewohner des heutigen Marquardt nennen, könnte einer der Höhepunkte des Fontane Jubiläums werden. Über eine archäologische Suchgrabung wurde mehrmals gesprochen. Doch still ruht der „Schlänitz“ See bei unserem Besuch im Juli 2018. Auch weisen keine Schilder auf die Sehenswürdigkeiten im Park hin. Denn die nächsten authentischen „Fontaneorte“ sind nicht weit: Fährhaus Uetz und Schloss Paretz. Auch dem benachbarten Falkenrehde widmete Fontane einen Abschnitt in seinen „Wanderungen“. Wie auf einer Perlenschnur reihen sich die Orte aneinander, die der wandernde Schriftsteller ein- oder mehrmals besuchte.
Bei einer (angemeldeten) Führung durch das Gebäude, das zu Fontanes Zeiten ein einfaches Gutshaus war, kann man die restauratorischen Veränderungen der letzten Jahre erleben. Der leider 2021 früh verstorbene Schlossverwalter Mario Steger war von Beruf Holzrestaurator. Ein Großteil der historischen Innenräume wurde mittlerweile aufwändig saniert, die Schwamm- und Feuchtigkeitsschäden sind beseitigt. Selbst feinste Holzvertäfelungen erstrahlen wieder wie neu.
Das Schloss kann für Hochzeiten, Veranstaltungen und Buchlesungen gemietet werden.
Ein authentischer Ort
Fontaneforscherin Dr. Radecke, an deren Forschungsstelle die Tagebücher Fontanes digitalisiert werden (auch eine Buchausgabe ist geplant), brachte die im Notizbuch A 15, Blatt 70r, bislang noch nicht veröffentlichte Skizze Fontanes (der Wanderer soll den Ort dreimal besucht haben) zum Standort und möglichen Aussehen der Blauen Grotte mit. So soll es in der Grotte einen Kronleuchter gegeben haben. Dr. Radecke: „Bei seinem Besuch 1869 hatte Fontane nur noch Überreste der Grotte gesehen. Wann die Grotte abgetragen wurde, ist nicht bekannt.“ Sie kündigte weitere Recherchen, auch zu Fontanes Notizbuchaufzeichnung, an. Übrigens ist die Grotte auf dem von Peter Joseph Lenné 1823 gezeichneten Parkplan vermerkt. Die renommierte Fontane-Expertin plädierte auch für eine archäologische Suchgrabung.
Fontanegerichte auf Teller
„Ein weites Feld“ … hätte wohl Theodor Fontane geschrieben. Dabei kann es wirklich einfach sein.
Vielleicht gibt es ja im Jahr 2019 im Landgasthof „Zum Alten Krug“ einige zu Fontanes Zeit zubereitete Gerichte. Beispielsweise ein „Fontane – Menü“ mit einer damals gern zubereiteten „Märkischen Petersiliensuppe“ oder „Preußischen Biersuppe“. Als Hauptspeise könnte ein Märkisches Bauernkotelett auf Kartoffelpuffer gereicht werden. Als Dessert runden dann Buchweizenplinsen oder eine Birnensuppe mit Gries das Fontane-Menü ab. Noch ist etwas Zeit, doch die Köchin im Landgasthof „Zum Alten Krug“ ist schon am Entwickeln eines Fontane-Menüs.
Witwe von Bischoffwerder
Eine feste Konstante in Fontanes Jubeljahr ist Ramona Kleber, die gegenüber vom „Zum Alten Krug“ das Cafe „Lavendelhof“ betreibt. So sie Zeit hat, bringt die Stadtführerin als „Witwe Bischoffwerder“ den Gästen im historischen Kostüm die Geschichte von Schloss und Park näher. Sie wandelt dann auch den Spuren der sogenannten „weißen Witwe“ auf dem ihrem Anwesen gegenüberliegenden Kirchhof und im Schloss.
An der Kirche beginnen meist ihre Führungen durch Park und Schloss. Hinter der Dorfkirche steht ein eisernes Grabkreuz mit dem Namen Wilhelm Hans Rudolph Ferdinand Bischoffwerder. Auf der Rückseite: „Der letzte seines Namens“. Besagter ist der Sohn der Witwe Wilhelmine Catherine von Bischoffwerder.
Die Witwe gehört übrigens zu den Schlossgeistern, die im Haus immer wieder mal spuken sollen, so Christian Schulze. Der andere Geist ist ein französischer Unteroffizier, ein Sergeant, der ebenfalls gelegentlich durch das Haus geistern soll. Im Schloss waren während der napoleonischen Belagerung Preußens Soldaten einquartiert. Einer von ihnen soll zuviel des guten Weines getrunken und sich laut Fontane im Weinkeller verirrt haben und gestorben sein. Auch der Keller kann besichtigt werden.
Treffpunkt für Fontanefreunde
Der kleine Ort Marquardt, seit 2003 zur Landeshauptstadt Potsdam zugehörig, könnte 2019 durchaus im Reigen der „Fontane – Erinnerungen“ ein Anziehungspunkt sein. Vielleicht auch mit einer „Apfelkuchen – Station“ (die Fontane zwar in Wittenberg besuchte und die in seinem Roman „Stechlin“ Eingang fand). Raum für Ideen gibt es viele. Sicher haben ortsansässige Gewerbetreibende, wie das Obstgut Marquardt, schon ihre Fontane – Pfeile im Köcher.
Ortschronist Dr. Wolfgang Grittner bietet, wie Ramona Kleber, ebenfalls Führungen durch den Park an. Zudem verfasste er einige Aufsätze und Broschüren zur Ortsgeschichte. Das Heft zu Marquardt ist gegen eine Spende beim Freundeskreis erhältlich. Adresse: Freundeskreis Schlösser und Gärten der Mark in der Deutschen Gesellschaft e. V., Voßstr. 22, 10117 Berlin E-Mail: freundeskreis@deutsche-gesellschaft-ev.de.
Fazit: Leider konnten wir kein koordiniertes Vorgehen zu Fontane 200 in Marquardt erkennen, anders beispielsweise im benachbarten Paretz, wo bereits jetzt Interessenten detailliert über sämtliche Veranstaltungen in 2019 informiert werden. Auch in Uetz, einem wie Marquardt authentischen Fontaneort, arbeiten Einwohner zusammen mit Henry Sawade (Fährhaus) an einem Fontaneprojekt.
Hier weitere Informationen zu Marquardt
Schlossverwaltung
- Schloss Marquardt
- Hauptstraße 14, 14476 Potsdam OT Marquardt
- E-Mail: info@schloss-marquardt.com
- Homepage hier
Essen und Trinken:
Zum Alten Krug Marquardt
- Michael Schulze/Nico Hinrichsen
- Hauptstraße 2, 14476 Potsdam
- Telefon: 033208 572 33, 0162 1776175
- Homepage hier
- E-Mail: alterkrug-marquardt@t-online.de
Lavendelhof Marquardt
- Ramona Kleber und Holger Naumann
- Ramona Kleber führt als Witwe Bischoffwerder durch den Park
- Hauptstr. 3, 14476 Potsdam OT Marquardt
- Tel. 033208 22187
- Homepage hier
- Marquardter Heimatverein (in der Kulturscheune)
Besichtigung Dorfkirche
- Schlüssel bei Dr. Grittner im Park 1,
- Tel.: 033208 57279
Erreichbarkeit:
Zug: RB 21 (in der Woche stündlich, Wochenende alle zwei Stunden) und Bus 614 und 650 (ab Potsdam- Hbf)
Fontanes 5 Schlösser von Robert Rauh, erschienen im bebra-Verlag. Der be.bra-Verlag kündigt bereits „Fontane und die Frauen“ aus der Feder von Robert Rauh an.
Theodor-Fontane- Archiv an der Universität Potsdam
Theodor–Fontane-Gesellschaft in Neuruppin
Hier einzelne Fontanetipps auf einfachraus.eu:
+ Bei Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
+ Robert Rauh und Erik Lorenz empfehlenswertes Buch zu den fünf Schlössern
+ Zum Grab von Theodor Fontane in Berlin
+ Fontane und der Ziegelringofen von Glindow
+ Josef Grütter aus Marquardt dichtete über Fontanes Wanderschuh sowie den Wanderstock
+ Besuch bei Königin Luise in Paretz
Anmerkung: Text im April 2022 geringfügig verändert.
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