Großer Bahnhof für eine über 100 Jahre alte Weihnachtskrippe im Grottensaal des Neuen Palais im Park von Sanssouci. Nach über 100 Jahren ist eine einst zur Weihnachtzeit im Neuen Palais im Potsdamer Park von Sanssouci gezeigte Weihnachtskrippe, hergestellt von dem einst im bayerischen Abensberg (Kreis Kehlheim) tätigen Bildhauer und Krippenschnitzer Sebastian Osterrieder (1864-1932), wieder an ihrem ursprünglichen Aufstellungsort in Potsdam zu sehen. Schlossleiter Jörg Kirschstein ist der Stolz über diese Leihgabe anzumerken. Denn eigentlich geht das heute dem Abensberger Krippen- und Kapellenverein St. Ägidius gehörende Kunstwerk nicht auf Reisen. Für die Potsdamer Schlösserstiftung Stiftung machte der Krippenverein Abensberg eine Ausnahme. Denn laut einem Satzungsbeschluss darf die so genannte Kaiserkrippe nicht verliehen werden. Jörg Kirschstein berichtet von einer spannenden Spurensuche, die zum Auffinden der Krippe führte. Einer mündlichen Überlieferung zufolge habe Krippenschnitzer Sebastian Osterrieder die Krippe im Jahr 1907 der Kaiserin Auguste Victoria (1858-1921) im Berliner Stadtschloss präsentiert. Dem Kaiserpaar sei die Krippe damals von einem bislang nicht namentlich bekannten Stifter geschenkt worden.
Bis zum 6. Januar 2024 kann die Krippe, die von 1907 bis 1917 jährlich im Grottensaal im Mittelpunkt der weihnachtlichen Bescherung der Hohenzollernfamilie stand, in Potsdam bestaunt werden. Im Grottensaal war sie damals von mehreren Christbäumen, die u.a. für die sieben Kinder des Kaiserpaars aufgestellt wurden, umrahmt.
Heute wird sie von zwei Christbäumen flankiert.
Dank der Unterstützung des Abensberger Krippen- und Kapellenvereins St. Ägidius (Landkreis Kelheim, Bayern) kann die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) die Weihnachtskrippe aus dem Besitz Kaiser Wilhelms II. (1859-1941) im Grottensaal des Neuen Palais in Potsdam präsentieren.
Zurück in Potsdams Neues Palais
Der Bayerische Rundfunk berichtete hier über den Transport der Krippe von Abensberg nach Potsdam.
Das Kunstwerk kehrt somit in der Advents- und Weihnachtszeit 2023 als Leihgabe für einige Wochen (bis 6.1.) an seinen historischen Aufstellungsort im Neuen Palais von Potsdam zurück.
Spezielles Hartgussverfahren
Doch Krippe ist nicht gleich Krippe. Osterrieder, der als bedeutendster Krippenbauer seiner Zeit galt, entschied sich hier für die Gestaltung einer mittelalterlichen Ruine. Der Korpus besteht aus Holz, das mit Kork verkleidet ist. Der Bildschnitzer entwickelte ein spezielles Hartgussverfahren der Krippenfiguren. Vollplastische Figuren wurden mit einer Gussmasse aus Gips, Champagnerkreide und Hasenleim abgegossen, das innere mit Drahtarmierungen verstärkt, Glasaugen eingesetzt und die Bekleidung mittels leimgetränkter Stoffe drapiert und anschließend farbig gefasst. Nach Expertenmeinung habe der Künstler und Krippenbauer Osterrieder hier zum ersten Mal Figuren verwendet, die seine „orientalischen“ Krippen so berühmt gemacht haben.
Die Geschichte: aus den Niederlanden nach Bayern
Nach dem Ende der Monarchie 1918 gelangte das Kunstwerk im November 1920 in das niederländische Exil Wilhelms II. in Haus Doorn. Dort verliert sich laut Jörg Kirschstein seine Spur. Erst in den 1980er Jahren wurde die Krippe in einem Auktionshaus angeboten und von dem Kunsthändler Johann Kurt Trütschler aus Adlhausen erworben. Seit den 1990er Jahren bot Trütschler die Krippe dem Stadtmuseum Abensberg, das bereits einen Großteil des Nachlasses von Osterrieder verwahrte, zum Kauf an.
Ein Verein kauft die Weihnachtskrippe
Extra für den Ankauf gründete sich im Jahr 2000 in Abensberg ein Krippenvereins, dessen Mitglieder Spenden sammelten, um das Kunstwerk anzukaufen. Der Verein schreibt auf seiner Homepage: „Bereits 2006 konnte man das Darlehen von 55 000 Mark abzahlen. Die Aktivitäten zur Schuldentilgung reihen sich wie Perlen auf einer Schnur: Kunstpostkarten, Benefizkonzerte, Krippenbasteln, Krippenausstellungen sowie Spenden von Einrichtungen, Geschäften und Privatleuten.“ So ist die sogenannte „Kaiserkrippe“ als Leihgabe des Krippenvereins St. Ägidius in der Dauerausstellung des Stadtmuseums Abensberg zu sehen. Käthe Klappenbach, einst Kustodin für die Beleuchtungskörper in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg zuständig, sah ein Bild der Krippe und machte den Hohenzollernexperten Kirschstein auf das verloren geglaubte Kleinod aufmerksam.
Blick in die Kaiserzeit im NeuenPalais
Wie lief der Heiligabend bei der Kaiserlichen Familie ab ? Ein einzigartiges Bild bot der Grottensaal am Heiligen Abend: Das Kerzenlicht der Kronleuchter brachte die mit Kristallen und edlen Steinen dekorierten Wände zum Funkeln. In dem von Friedrich dem Großen (1712–1786) im 18. Jahrhundert gestalteten Gartensaal beging Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) mit seiner Familie in den Jahren von 1889 bis 1917 das Weihnachtfest. Prinzessin Victoria Luise (1892–1980), die Tochter Kaiser Wilhelms II., bezeichnete die Feierlichkeiten in ihren Erinnerungen als Höhepunkt des Familienlebens.
In der Sammlung „Weihnachtsgeschichten aus Brandenburg“ , Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, 1994, berichtet Prinzenerzieher Johannes Keßler im Aufsatz „Weihnachten im kaiserlichen Palais“ über die Bescherung im Kreise Kaiser Wilhelm II. u.a.: „Das Glockenzeichen ertönt. … Man glaubt sich versetzt in die Märchenwelt von Tausendundeiner Nacht. Zehn lichterbesäte Weihnachtsbäume , fünfzehn Kristallkronleuchter, viele bronzene Wandleuchter – ein Meer von Kerzenlicht! Wie funkeln jetzt die breiten Edelsteinstreifen an den Wänden, wie leuchten die Muscheln ringsum, die großen Delphine in den Voluten scheinen zu leben.“
Wer mehr über die einzigartige Weihnachtskrippe und Einblick in „Kaiserliche Weihnachten“ erfahren will, dem empfehlen wir eine der von Jörg Kirschstein und seinem team angebotenen Sonderführungen in der Weihnachtszeit zu besuchen. Im Mittelpunkt solch einer dieser Führung steht die kaiserliche Nutzung des Hauses. Die Gäste erfahren, welche Funktionen die Räume in der Adventzeit hatten, welche Köstlichkeiten zum Weihnachtsdinner gehörten und welche Geschenke das Kaiserpaar und seine sieben Kinder erhielten. Wilhelm II. war der erste Monarch, der das Neue Palais als bevorzugte Residenz für mehrere Monate im Jahr bewohnte.
Termine dazu finden sich unter www.spsg.de/weihnachten
Hier weitere Infos auf der Seite der Stiftung
Tipp für einen Besuch in Abensberg
Abensberg wird gern auch „Stadt der Krippen“ bezeichnet. Der Abensberger Krippen- und Kapellenverein St. Ägidius veranstaltet jedes Jahr an den ersten beiden Adventswochenenden eine Krippenausstellung im Kreuzgang des ehemaligen Karmelitenklosters. Dieses Jahr fehlt die wohl berühmteste Krippe der Sammlung, da sie ja in Potsdam gezeigt wird. Schlossleiter Jörg Kirschstein hofft, dass einige Abensberger Krippenfreunde eine Fahrt ins weihnachtliche Neue Palais nutzen werden, um „ihre“ Krippe am Originalstandort zu besuchen. Da bin ich ganz sicher.
Übrigens befindet sich in Abensberg auch eine originelle Brauerei, mit dem von Friedensreich Hundertwasser gestalteten Turm, schaut hier.
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