Wer mehr zur Baugeschichte und detaillierten Informationen zu einzelnen Gebäuden in der Villenkolonie von Neubabelsberg wissen will, der schaut künftig in „Den Limberg.“
Lange wurde das profunde Werk aus der Feder des Architekten und Denkmalpflegers Jörg Limberg erwartet.
Jörg Limberg, Neubabelsberg. Geschichte und Architektur einer Potsdamer Villenkolonie. Wernersche Verlagsgesellschaft und Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum. Worms 2021. ISBN 978-3-88462-403-6.
Einige Textstellen sollen hier Zäsuren der Geschichte des heute auch gern im Rahmen von Rundgängen erlebbaren Nobelviertels am Griebnitzsee verdeutlichen.
Seite. 51: „Nach 1933 ist deutlich eine Veränderung der Bewohner und Eigentumsstruktur zu verzeichnen. Viele jüdische Neubabelsberger erkannten die Gefahr, die ihnen durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten drohte und verließen das Land, meistens unter Verlust ihres gesamten Vermögens. Voraussetzung für eine legale Ausreise war die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts Moabit, die erst nach der Zahlung der Reichsfluchtsteuer und anderer Abgaben erteilt wurde.“ „Die letzten Neubabelsberger Juden wurden im jüdischen Siechen- und Altenheim in der Bergstraße 1 untergebracht. 1942 waren es nur noch Margarete Lehmann, geb. Lipschitz (1882-1943), der Kaufmann Emil, seine Ehefrau Paula, geb. Mosheim und die behinderte Tochter Clara.“
Seite 52: „Der Arzt Prof. Dr. Alexander Czempin schied am 1. März 1943 durch Gift aus dem Leben.
Zum Abschied schrieb er an seinen halbjüdischen Enkel Robert Czempin: „Glaub mir, es ist das Beste für uns alle. Ich bin alt und so kann ich in meinem eigenen Bett sterben. Das ist viel besser, als von unmenschlichen Menschen in einen schrecklichen Tod getrieben zu werden. … Vielleicht sagt ein Rabbiner (wenn es in Berlin noch einen lebenden Rabbiner gibt) das Kaddisch an meinem Grab. Ich habe mein ganzes Leben lang versucht, ein ehrenwerter Mensch zu sein. … obwohl es sehr seltsam klingt, war ich mehr preußisch als jüdisch … aber ich habe mein Bestes getan, um nach Gotte Gesetz zu leben. … Die Nazis haben fast alles genommen, was ich habe … Denke gelegentlich an deinen Großvater, der dich sehr geliebt hat. Gott beschütze dich! Alex.“ Sein Sohn Kurt (1891-1938) hatte sich bereits am 7. Juni 1938 das Leben genommen, seine Tochter Irmgard (1893-1941) verh. Stadthagen, am 18.10.1941. Fritz Gugenheim schied am 6. Oktober 1919 aus dem Leben.
Seite 93ff: Landhaus Gugenheim
Johann-Strauß-Platz 11 (früher Rathausstraße 6)
Für den Bau eines Landhauses auf dem Grundstück Johann-Strauß-Platz 11 beauftragte der Kommerzienrat Fritz Gugenheim (1859-1939) den befreundeten Architekten Hermann Muthesius. Entworfen wurde es für seinen Sohn Hans (1889-1939), der das Haus ein Jahr nach seiner Vermählung von seinem Vater geschenkt bekam. Auf ihn weisen auch die Initialen HG an der kunstvoll geschmiedeten Eingangspforte hin, die als Rest der ursprünglichen Einfriedung erhalten ist.
Erich Kästner schrieb am Drehbuch für Münchhausen
Mit der Geschichte des Hauses eng verbunden ist der Aufenthalt von Erich Kästner (1899-1974). Trotz seiner regimekritischen Haltung der der öffentlichen Verbrennung seiner Bücher am 10. Mai 1933 blieb er in Deutschland und war unter Pseudonym sehr erfolgreich als Theater- und Drehbuchautor tätig. Nur mit einer Ausnahmegenehmigung durfte er unter dem Namen Berthold Bürger das Drehbuch für den UFA-Streifen Münchhausen mit Hans Albers in der Hauptrolle verfassen. In den Neubabelsberger Jahren entstanden hier auch seine wenig bekannten Kriegstagebücher. Kästner hielt sich mehrfach in Neubabelsberg auf, möglicherweise auch wegen seiner Lebensgefährtin Liselotte Enderle (1908-1991), die von 1943-1945 bei der UFA als Dramaturgin tätig war.
Seite 135: Villa Herpich
Karl-Marx-Straße 27 (früher Kaiserstraße 27, ab 1938 Straße der SA 27)
Nach dem Einmarsch der Roten Armee musste sie, wie alle Neubabelsberger, binnen weniger Stunden die Villa räumen. Die mächtige Präsenz der Villa hat vermutlich auch den sowjetischen Staatschef Josef W. Stalin (1927-1953) bewogen, das Haus als Hauptquartier für seine Teilnahme an der Potsdamer Konferenz vom 17. Juni bis 1. August 1945 auszuwählen. Die Wirkung der Villa als Machtdemonstration gegenüber den anderen Alliierten war ihm sich willkommen.
Seite 298: Villa Saltzmann mit Atelier
Virchowstraße 27 (Ringstraße, dann Luisenstraße 10, später Ludwig-Trost-Straße 27)
Nach wechselnden Wohn- und Ateliersitzen in Berlin erwarb der Marinemaler Carl Saltzmann (1847-1923) 1889 die schmale Parzelle 26. Ein Jahr später errichteten Ende & Böckmann für den Maler dort ein Wohnhaus mit Atelier, dekoriert in Formen deutscher Renaissance.
Um die Sanierung der Villa hat sich der Unternehmensberater Prof. Dr. Jörg Thiede verdient gemacht. Er gehörte nach der politischen Wende 1989 zu den ersten Neubabelsbergern, die den Wert der vorhandenen Bausubstanz erkannten und sich für ihren Erhalt engagiert haben. Aus diesem Engagement hat sich auch ein besonderes Interesse für die Maler um den Griebnitzsee herausgebildet. Im Jahre 2000 widmete er dem Marinemaler in dessen ehemaligen Wohnsitz eine Ausstellung.
Es lohnt dieses profunde werk einmal durchzublättern und sich dann auf den Weg nach Neubabelsberg am Griebnitzsee zu machen. Jörg Limberg beschreibt zu dem auch die Historie der Planungen. bevor die Villenkolonie am Rande von Berlin entstehen konnte, gibt auch Informationen zum Bahnhof Griebnitzsee. Wer genau nachliest, der kann so manches Mal auch erfahren, wer heute in der einen oder anderen denkmalgerecht restaurierten Villa lebt. Insgesamt 250 Gebäude werden akribisch beschrieben.
„So ein Buch schreibt man nur einmal. Das ist wie ein Lebenswerk!“ würdigte Dr. Harri Günther, der langjährige Gartendirektor von Potsdam Sanssouci, das Limbergsche Kompendium. Dr. Günther freute sich, dass Denkmalpfleger und Babelsbergkenner selbst kleine Details der Gartengestaltung aufschrieb.
Aus dem Inhalt:
- Neubabelsberg. Geschichte und Architektur einer Potsdamer Villenkolonie
- Bautenregister nach Straßen geordnet
- Die Erweiterung der Kolonie und ihre nähere Umgebung
- Anmerkungen
- Architektenregister
- Literaturverzeichnis
- Periodika und Nachschlagewerke
- Quellenverzeichnis
- Abbildungsnachweis
- Register
Jörg Limberg, Neubabelsberg. Geschichte und Architektur einer Potsdamer Villenkolonie. Wernersche Verlagsgesellschaft und Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum. Worms 2021. ISBN 978-3-88462-403-6. 78 Euro
Hier Tipps für einen Rundgang durch die Villenkolonie am Griebnitzsee
Hier geht es zur Wernerschen Verlagsbuchhandlung Worms
Hier die Seite des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege in Wünsdorf
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