Sommerzeit ist Reisezeit. Wer sich auf eine Städtereise begeben will, dem empfehlen wir, nach Potsdam zu kommen. Im Reisegepäck sollte man dann die kleine, aber höchst informativ daherkommende Publikation von Christoph Bausenwein & Ulrich Nußbeck „Potsdam. Populäre Irrtürmer und andere Wahrheiten“ haben. Erschienen im klartext Verlag.

Besser als so mancher Reiseführer, in dem nur minimalste Informationen über Sehenswürdigkeiten von Städten aufgeführt sind, gibt die kleine, handliche Lektüre wesentliche Informationen über Potsdam kund. Die beiden Neupotsdamer Autoren zeichnen in ihrer Lektüre die geschichtsträchtige Landeshauptstadt Brandenburgs als „eine Art preußisch-deutsches Bilderbuch, in dem sich immer wieder überraschende Seiten entdecken lassen.“ Und es macht Spaß, ihren kurzweiligen Texten zu folgen. Durchaus auch mal bei einem Glas Rotwein – Friedrich II. liebte es ja den französischen Bergerac zu trinken, den Besuch der „nächsten“ Sehenswürdigkeit lesend vorzubereiten. Getreu des Mottos „wer etwas weiß, sieht mehr“.

Bausenwein und Nußbeck geben mit ihrem Potsdam-Leitfaden so viel Wissen vor, dass es einfach Spaß macht, sich mit ihnen auf eine „Sightseeing-Wissens-Tour“ zu begeben. In Potsdam kann man – so die beiden Autoren – „entlang historischer Artefakte und der diversen Baustile Europas, Reisen auf kleinstem Raum unternehmen.“ Getreu ihres Wunsches lassen wir uns von den Entdeckungen und Kuriositäten, die uns unterwegs begegnen, überraschen. Architektonische Einflüsse aus England, den Niederlanden, Italien, China, Russland, Böhmen usw. ließen sich hier aufführen. Zur 1000-Jahr-Feier Potsdams im Jahr 1993 legte die Projektgruppe „1000 Jahre Potsdam“ dazu verschiedene Broschüren auf. Mittlerweile bietet die Potsdam-Information zur Internationalität Potsdam eigene Stadtführungen an. Auch das Museum Barberini veranstaltet zusammen mit dem Jan Bouman Haus im Holländerviertel eine eigene Veranstaltungsreihe. Hier erfahrt ihr mehr darüber.

Mozart: Potsdam ist ein teurer Ort

„Mein liebes Weibchen! Potsdam ist ein teurer Ort (und ich muss hier auf eigene Kosten zehren).“ – so 1789 Wolfgang Amadeus Mozart an seine Frau Constanze. Man möchte antworten: „Es gibt dafür aber auch viel zu sehen, wenn man Zeit und Muße mitbringt.“ Mozart wohnte bei seinem Aufenthalt in Potsdam am Bassinplatz. Finanziell ging es ihm nicht gut. Er hoffte auf Unterstützung durch den preußischen König Friedrich Wilhelm II, Nachfolger Friedrich II.

Mozart in Potsdam, Foto: Weirauch

Haus am Bassinplatz hier lebte Mozart während seines Aufenthaltes in Potsdam, Foto: Weirauch

Vom Bassinplatz bis zum Neuen Palais am Ende der Hauptallee des Parks von Sanssouci dem letzten großen Schlossbau Friedrich II. (1712-1786), sind es etwa vier Kilometer. Ob Mozart diesen Weg gegangen ist, wissen wir nicht. Spätestens beim Passieren des bescheideneren Schlösschens Sanssouci auf dem Weinberg wird ihm die in Front liegende auf dem Neuen Palais befindliche „Fanfaronade“ aufgefallen sein.

Blick auf Neues Palais im Park Sanssouci Neues Palais Sanssouci Drei Grazien Potsdam Schloss

Blick auf Neues Palais im Park Sanssouci Foto: Weirauch

Im Potsdam-Quiz am Ende des amüsant und unterhaltsam zu lesenden Reiseführers gibt die Frage 17 (S. 101) die Namen der drei Weiblichkeiten auf dem Neuen Palais preis: Friedrich II. bekrönte seinen Repräsentationsbau (nach Abschluss des 30-jährigen Krieges 1756-1763) mit Frauen-Skulpturen. Die Kuppel von der Figurengruppe „Drei Grazien“ aus der römischen Mythologie gekrönt. Dem König wurde aber – fälschlicherweise – nachgesagt, die drei dargestellten Damen wären seine Widersacherinnen im Krieg, Katharina II. von Rußland, Maria Theresia von Österreich und Madame de Pompadour, die Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. Und nun würden sie Friedrich lobpreisen , indem sie die preußische Königskrone in den Himmel strecken.

Sanssouci Potsdam Sanssouci Potsdam Neues Palais

 

Bleiben wir bei den Bauten Friedrich II. Das Neue Palais war kein Palast „en miniature“. Waren es die Bauten der einstigen preußischen Residenzstadt? Viele Potsdam-Besucher glauben, dass Friedrich II. Paläste errichten ließ. 1758 schrieb er seinem Vorlesen Alexandre de Catt: „Ich habe die Pläne der schönsten Bauwerke Europas, insbesondere Italiens, ausgewählt und lasse sie im Kleinen und meinen Mitteln entsprechend ausführen.“

 

Nach den beiden  Autoren lief das so ab: „Der König studierte in seiner Bibliothek eines seiner zahlreichen Architekturbücher und krakelte höchstselbst ‚mit der Feder ohne Lineal und Zirkel‘ (so der Architekt Heinrich Ludwig Manger) einen modifizierten Entwurf eines Renaissance-Baumeisters (meist war es der berühmte Anrea Palladio). Diesen drückte er einem seiner Baumeister in die Hand mit dem Befehl, das Gebäude auf diesem oder jenem Platz möglichst günstig und unter Anpassung an die vor Ort gegebenen Verhältnisse zu errichten.“

 

Das Rathaus am Alten Markt (1755, heute Sitz des Potsdam-Museums) ist so ein typisch friderizianische Gebäude. Vorbild war ein nicht ausgeführter Entwurf für den Palazzo Angarano in Vicenza. Die Baumeister Jan Bouman und Carl Ludwig Hildebrandt mussten das Gebäude schmaler ausführen, da man das Nachbargebäude des nicht zum Verkauf geneigten Bäckers Windelband stehen lassen musste. Da dem König bei einem Besuch in Amsterdam das dortige Rathaus gut gefallen hatte, ließ er nach diesem Vorbild auch noch einen mächtigen Tempelturm draufsetzen, der wiederum von einer dem Pantheon in Rom nachempfundenen Steinkuppel mit Atlas-Staue gedeckelt wurde.

Potsdam alter Markt NikolaikircheBei einem Besuch des Potsdam-Museums wird man schnell bemerken, dass das Innere des Gebäudes keineswegs einem großzügigen Renaissancepalais entspricht. Wie bei vielen anderen Gebäuden – etwa am Potsdamer  Platz der Einheit – war dem König die prächtige Kulisse wichtiger als die Funktionalität.

Doch Potsdam ist „Mehr als alter Fritz“ – wie die Klartext-Titelseite verkündet: Prochaska, Fußballspielerin, Albert Einstein, Porzellanteller mit in goldener Girlande eingefassten Blümchenmotiven, Kirschen, Häuser aus dem Holländischen Viertel, und Landkarte mit roter Grenzlinie mitten durch die Havel unter der Glienicker Brücke verlaufend – machen neugierig auf weitere Überraschungen während einer Entdeckungsreise durch Potsdam, deren Ausgangspunkt der Leitfaden von Bausenwein und Nußbeck sein kann. Wir können das Büchlein nur empfehlen – nicht nur für Touristen. Denn man sieht nur, was man weiß !

Potsdam Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten Cover: Klartext Verlag

Potsdam Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten Cover: Klartext Verlag

 

 

Christoph Bausenwein, Ulrich Nußbeck, Potsdam. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten. Klartext-Verlag. Essen 2021. 14,95 Euro, ISBN 978-3-8375-2256-3. www.klartext-verlag.de

Die Glienicker Brücke in Potsdam, Foto: D.Weirauch

 

Empfehlenswert ist auch der im gleichen Verlag erschienene Titel von Veit Veltzke  über Preußen – Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten.