Rauf auf’s Fahrrad und dann nach Nattwerder, dem kleinen Ortsteil am Rande Potsdams mit der ältesten, noch genutzten Kirche der Stadt. Schon von weitem grüßt das frisch restaurierte Gotteshaus durch die lange Pappelallee. Der Ort am Rande des Golmer Luchs hat Geschichte – und was für eine.
Warum Nattwerder lange ein Geheimtipp war
Ungefährt 40 Menschen wohnen dort im Grünen. Der Vereins Schweizer Kolonistendorf engagiert sich für die Geschichte des kleinen Dorfes. Ein Blick in die Geschichte: Der Große Kurfürst hatte nach dem 30-jährigen Krieg Ackerbauer und Viehzüchter aus der Schweiz in die Mark Brandenburg eingeladen. Es war unwirtliches Land, landwirtschaftliches Know How nicht vorhanden, das die Schweizer Familien erwartete. Fachkräfte für die Urbarmachung eines Luchs wurden gesucht. Die Werber des Kurfürsten fanden beim Stadtrat von Bern offenen Ohren. 12 Familien aus Bern kamen per Schiff über Aare, Rhein, Nordsee, Elbe und Havel über die Wublitz ins Sumpfland, dem Golmischen Bruch. Ein Urahn der Familie Mauerhof zog auf dem Land los. Eine sicher beschwerliche Reise über sieben Woche ins Ungewisse.
Doch die vom Großen Kurfürst in Aussicht gestellten Freiheit den und Privilegien boten für die Schweitzer Siedler genug Anreiz, um ihre Heimat zu verlassen. 30 Jahre Steuerfreiheit und Militärbefreiung sowie Erbpacht für die Höfe zu. 1685 kamen 101 Schweizer im Golmer Bruch an. Sie siedelten in Golm, Töplitz und eben in Nattwerder. Doch es war ein schwieriger Beginn, denn schon zwei Jahre später 1687 vertrieb eine große Flut die Ansiedler ins Golmer Vorwerk. Knapp zweihundert Jahre später 1867 brannte nach einem Blitzschlag die rohrgedeckten Gehöfte ab. Nur die 1690 durch den Großen Kurfürsten errichtete blieb verschont. Sehr schnell wurden die Häuser wieder aufgebaut.
1984 gab es für die Kirche bereits eine Schönheitskur. Freunde und Bekannte der Familie Mauerhof setzten damals nach der Arbeit die Kirche instand.
Friedhof offenbart Historie
40 alte Grabmale laden heute davor zum historischen Spaziergang ein. Große Kreuze prägen das Bild, auf den Steinen sind die Namen der Schweizer Familien zu lesen: z. B. Garmatter, Dortschy, Schweingruber oder Mauerhof. Bis zur Wende herrschte auf dem Friedhof von Nattwerder Wildnis. Kein Weg habe dort mehr durchgeführt, die meisten Grabmale lagen am Boden. Mit Fördergeld und Spenden, auch von den Nachkommen der Schweizer Siedler, wurden die Grabstellen wieder hergerichtet.
Heute sind die unter Denkmalschutz stehende Kirche und der Friedhof ein Geheimtipp, besonders zu Konzerten. Seit 1996 erklingt auch die kleine Orgel wieder.
Gaststätten gibt es in Nattwerder nicht. Im nahen Marquardt laden Michael Schulze und Nico Hinrichsen in ihr Landgasthaus Alter Krug ein.
Hier weitere Entdeckungen am Rand von Potsdam: Sacrow
Hinterlasse einen Kommentar