Kürzlich erschien der Reiseführer „Nordpolen“ von Carsten Heinke. „Abseits der ausgetretenen Pfade“ heißt es im Untertitel und macht neugierig. Verwandtschaftliche Beziehungen führten mich schon in Kindheitstagen nach Polen. In den Sommer- und Herbstferien fuhren meine Eltern zu den Verwandten nach Masuren, sie betrieben bis zur Ausreise ins Rheinland dort einen landschaftlichen. Hilfe bei der Ernte durch uns Kinder war damals selbstverständlich. Im Leiterwagen, meist durch Pferde gezogen, auf Strohballen sitzend oder liegend vom Feld nach „Haus“ zu fahren, dabei in den meist blauen Himmel zu schauen und sich wegzuträumen von der meist doch recht schweren Arbeit. Viel zu schnell kam man im Hof an, und das Heu musste vom Leiterwagen auf die Tenne in der Scheune befördert werden. Alles per Hand, maschinelle Unterstützung gab es wenig. Am Abend war man ausgepowert, freute sich auf Kartoffelplinsen und fiel ins Bett. Das sind meine Erinnerungen…
Mit Pferd und Kutsche
Am Bahnhof Rastenburg holte uns der Onkel August mit dem Pferdewagen ab. Und hier führt mich der Reiseführer in meine Kindheit, denn das 44. Kapitel der Region Ermland-Masuren II ist überschrieben mit „Rastenburg: Mit Pferd und Kutsche“. In meinen Sommerferien in Polen stand die Arbeit auf dem Hof im Mittelpunkt, auch an Familienfeiern kann ich mich gut erinnern. Der Hof in der Nähe von Rastenburg bestimmte das Urlaubsareal. Die intensivere Beschäftigung mit der Geschichte begann erst später. Um so mehr freue ich mich, dass es jetzt einen Reiseführer abseits ausgetretener Pfade gibt, der detailliertere Kenntnisse über Nordpolen vermittelt, die fast in Vergessenheit geraten sind. Allgemeinplätze oder Orte für touristischen Overtourism sucht man in Heinkes „Nordpolen“ umsonst. Es sind die Details, die weitgehend unbekannten Geschichten, so intensiv hat der Autor recherchiert.
Wojciech Kętrzyński alias Adalbert von Winkler
Über die Stadt Rastenburg (heute Kętrzyn) erfährt man, dass die Trakehner-Zucht auch diesen Ort, auser das Hauptgestüt Trakehnen, berühmt gemacht hat. Heute kann man in Kętrzyn wieder stattliche Hengste sehen und auch selber reiten. Viel über den polnischen Historiker Wojciech Kętrzyński alias Adalbert von Winkler, dessen Namen die Stadt seit 1946 trägt, ist im Museum in der Ordensburg zu erfahren. Carsten Heinke schreibt, „1856 kam Adalbert von Winkler zum Abitur nach Rastenburg. Hier erfuhr der 18-jährige Gendarmensohn aus Lötzen, dass er in Wirklichkeit kein Deutscher war. Sein Großvater, ein polnisch-kaschubischer Adliger aus Kętrzyno (Kantrschin) hatte den Namen der Familie ins Deutsche übersetzt und dem polnischen hinzugefügt. Der Vater beschränkte sich mit Beginn seiner Beamtenlaufbahn auf den deutschen Namen. Der junge Mann begann sich für seine Familiengeschichte zu interessieren, lernte Polnisch und beschäftigte sich mit Kultur und Geschichte seines Volkes. 1861 nahm er offiziell den früheren Familiennamen an und nannte sich fortan Wojciech Kętrzyński. Nach seinem Studium in Königsberg lernte der Historiker und Philosoph als Wanderlehrer seine masurische Heimat neu kennen und begann mit den ethnografischen Studien, die er zeitlebens betrieb. Von 1876 bis zu seinem Tode war er Direktor der Ossolinski-Nationalbibliothek in Lemberg, dem heutigen Lwiw in der Ukraine.
Adalbert von Winkler und Potsdam
Mit der Geschichte Wojciech Kętrzyńskis machte mich der polnische Historiker Prof.Dr. Janusz Jasinski bekannt. Prof. Jasinski ist Ehrenbürger der Stadt Olsztyn. Von Janusz Jasinski erfuhr ich auch, dass Adalbert von Winkler nach dem Tod des Vaters einige Jahre im Militärwaisenhaus zu Potsdam verbrachte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Rastenburg zu Ehren Kętrzyńskis in Kętrzyn umbenannt. Auch das städtische Museum trägt seinen Namen. Außer dem Lebenswerk des Wissenschaftlers dokumentiert es die Geschichte Rastenburgs sowie der Region und zeigt u. a. Skulpturen der Renaissance und Epitaphe (16. bis 18. Jahrhundert). Untergebracht sind die Sammlungen in der Ordensburg, einem untypischerweise turmlosen Backsteinbau aus dem 14. Jahrhundert.
Neben ihm dominiert die genauso alte St.-Georgs-Kirche die Silhouette der Stadt. Die wuchtigen, teils 1,5 Meter dicken Wände dieser Wehrkirche wurde direkt in die Stadtmauer integriert. Evangelische Christen treffen sich in der benachbarten Kirche St. Johannes, sie ist eine Pfarrkirche in der Diözese Masuren der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen.
„Glühen wie ein Rastenburger“
Zumindest das historische Zentrum macht noch heute eine großelterliche Redewendung plausibel. Denn wenn jemand oder etwas sich aus Überhitzung rotfärbte, sprach man – in Anspielung auf die vielen, durchweg leuchtend ziegelroten Dächer – vom „Glühen wie ein Rastenburger“. Carsten Heinke vermittelt mit viel Sympathie die Geschichte und gegenwärtige Situation von Rastenburg. „Bis weit ins 17. Jahrhundert hinein gehört die Stadt zu den reichsten in Ostpreußen. Beschädigt und geschwächt durch Kriege, Brände und die Pest, kehrte sie in diese Liga nie wieder zurück. Als Industriestadt schlug sich Rastenburg durchs 19. und 20. Jahrhundert. Derzeit leben hier knapp 27000 Menschen. Zukunftschancen bietet ihnen der Tourismus. Potenzial dazu liefert u.a. die Tradition als „Pferdestadt“. Denn einst war Rastenburg berühmt für seine Trakehner-Zucht. Die 200 Meter lange, 1877 gebaute Stallanlage nahe der Innenstadt zeugt davon noch heute. Seit ein paar Jahren wird sie wieder von einer Hengstherde bewohnt. Sehen und erleben kann man die edlen Tiere bei einer Führung durch die Ställe, beim Reiten oder einer Hippotherapie. Auch Kutschfahrten durch die Stadt oder Umgebung werden angeboten – Picknick und Besichtigungen inklusive.“ Soweit Carsten Heinke…
Lage von Ketrzyn/Rastenburg
Rastenburg in Westmasuren liegt im ehemaligen Ostpreußen, 88 Kilometer nordöstlich von Allenstein, 220 Kilometer südöstlich von Danzig.
Ställe der Rastenburger Hengstherde am Rande der City und doch im Grünen: Stado Ogierów, ul. Bałtycka 1, 11-400 Kętrzyn, www.soketrzyn.pl
Wojciech-Kętrzyn-Museum in der Burg
Muzeum im. Wojciecha Kętrzyńskiego, pl. Zamkowy 1, 11-400 Kętrzyn
150 Meter weiter zeigt die Museumsfiliale Baszta (Turm) in einem Stadtmauerturm aus dem 14. Jahrhundert eine Ausstellung über mittelalterliche Küche.
Muzeum Mazurskie w Owczarni
Kleines, privates masurisches Museum mit Café in Friedenshöhe nahe Rastenburg dokumentiert anhand eines Bauernhauses von 1850 das Landleben im 19./20. Jahrhundert.
Owczarnia 1/1, 11-400 Kętrzyn. www.muzeummazurskie.pl
Tourist-Info in Rastenburg
RASTART Kunstgalerie
pl. marszałka Jósefa Piłsudskiego 10/1, 11-400 Kętrzyn
www.it.ketrzyn.pl
Ketrzyn hat einen toll restaurierten Bahnhof, sogar mit einer kleinen Ausstellung zur deutschen und polnischen Eisenbahngeschichte.
Reiseinspirationen und jede Menge Infos, unter anderem zu Rad- und Wanderwegen, Paddelflüssen, Ausflugszielen, Restaurants und Unterkünften, bietet der kompakte, in jede Westentasche passende
Vorgestellt werden nicht nur einzelne Orte und Reiseziele, die abseits der touristischen Hauptrouten liegen, sondern es gibt auch Tipps für Wanderungen. In Danzig zum Beispiel stellt das in jede Westentasche passende Buch beispielsweise das Werftgelände vor, auf dem neue kulturelle Angebote entstehen. Carsten Heinkes Touren führen durch den gesamten Norden, von der Ostseeküste und der Kaschubei bis zu den Nationalparks in der nordöstlichen Woiwodschaft Podlachien. Wer eine weitgehend intakte Landschaft mit Störchen, Seen, eventuellen Elchbegegnungen, Seeadlern sowie bunte Bienenfresser und ursprüngliche Kultur erleben möchte, sollte nach Masuren fahren. Auch der Oberlandkanal wird beschrieben.
Wer demnächst an die polnische Ostsee oder eben nach (nicht in die Masuren) fahren will, der sollte Carsten Heinkes Reiseführer dabei haben.
Carsten Heinke, Nordpolen, 56 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade. 360° medien 2022. www.360grad-medien.de
Warum wir immer wieder gern nach Masuren fahren !
Unweit von Rastenburg befindet sich die „Wolfsschanze“
Wolfsschanze war der Tarnname für ein militärisches Lagezentrum des Führungsstabes der deutschen Wehrmacht. Es war eines der Führerhauptquartiere während des Zweiten Weltkrieges und lag in der Nähe von Rastenburg beim Dorf Görlitz in Ostpreußen.
Andreas Kossert klärt auf, warum es „in die Masuren“ heißt!
Warum Schiff und Fahrrad in Masuren so erholsam sind
Mehr über Reiseziele in Polen beim Polnischen Fremdenverkehrsamt: www.polen.travel
Polen-Info:| Polnisches Fremdenverkehrsamt, Hohenzollerndamm 151
14199 Berlin, Telefon: 030 / 210 09 20, Öffnungszeiten: Mo-Fr., 9.00-16.00 Uhr
einfachraus besuchte Masuren und fuhr auf Schienen auf dem Oberlandkanal, lest selbst.
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