Vor einigen Jahren waren wir im Hirschberger Tal und besuchten dort Elisabeth und Ulrich von Küster auf Schloss Łomnica (Lomnitz). Sie stammt aus Potsdam und zog mit ihrem Mann nach 1990 in die Gegend seiner Vorfahren. Bei späteren Besuchen erlebten wir immer wieder etwas Neues. Erst wurde das Witwengebäude zum Hotel und Restaurant umgebaut, dann restaurierte Familie Küster zusammen mit Hilfe von Denkmalschutzstiftungen das benachbarte Herrenhaus. Und jetzt: Das Schloss- und Gutsensemble in (Lomnitz) erhält eine neue Attraktion. Der Wiederaufbau eines historischen Bethauses auf dem Platz vor dem Hauptschloss soll bis Dezember 2019 abgeschlossen sein. Gleichzeitig laufen die letzten Arbeiten für eine multimediale Ausstellung über „Schlesische Toleranz“, die dort ab dem kommenden März für Besucher zugänglich sein wird. Im Bethaus sind darüber hinaus auch kulturelle Veranstaltungen geplant. Es lohnt also immer wieder dort einmal hin zu fahren, auch als Abstecher auf dem Weg ins schöne Breslau oder in das benachbarte Riesengebirge.
Was hat es nun mit dem Bethaus auf sich ? Zu Zeiten der Habsburger gab es für die evangelischen Untertanen in Schlesien nur wenige Möglichkeiten, eigene Kirchen zu bauen. Das änderte sich erst, als Schlesien 1741 preußisch wurde. Ein Jahr später erhielten die ländlichen Gemeinden das Recht auf eigene Bethäuser. In kurzer Zeit entstanden mehr als 200 dieser einfachen Gotteshäuser, meist in wenigen Monaten aus Fachwerk und Lehm errichtet. Erst später durften Glockentürme hinzugefügt werden und die Bethäuser konnten dann auch offiziell als Kirchen bezeichnet werden. Viele der damals mit einfachen Mitteln erbauten Kirchen wurden einige Jahrzehnte später durch steinerne Neubauten ersetzt, nur wenige blieben in ihrer ursprünglichen Form über Jahrhunderte erhalten.
Multimediale Ausstellung zur Kirchengeschichte
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Bevölkerung in Schlesien ausgetauscht und damit auch das Schicksal dieser Gotteshäuser besiegelt. Viele verfielen und wurden abgetragen, andere als Lager oder Geschäfte genutzt. Einige gingen in den Besitz der katholischen Gemeinden über und wurden umgestaltet. Als vor einigen Jahren das stark verfallene Bethaus in Rzaśnik (Schönwaldau) abgerissen werden sollte, organisierte der Verein zur Pflege Schlesischer Kunst und Kultur (VSK) zusammen mit Familie von Küster, den Schlossbesitzern von Lomnitz, eine Rettungsaktion. Die Reste des alten Fachwerkbaus wurden abgetragen und konserviert, um das historische Bauwerk neben dem Schloss von Lomnitz wieder auferstehen zu lassen.
Lomnitz erhielt eine Kopie der Kopie
Das ursprüngliche Bethaus von Schönwaldau war bereits Anfang der 1920er Jahre bei einem Brand zerstört worden. Damals entstand am gleichen Standort eine neue Fachwerkkirche, die an die Formen der Bethäuser aus dem 18. Jahrhundert anknüpfte. Nun wurde in Lomnitz eine Kopie dieser Kopie errichtet. Von den geretteten Balken konnte nur wenig verwendet werden, doch bei den Formen orientierte man sich an dem Bau aus Schönwaldau. Staatliche Hilfen und viele engagierte private Spender machten den Wiederaufbau möglich. Der Bau entstand über einem rechteckigen Grundriss und verfügt auf den Längsseiten über Erker und einen Vorbau. Im Inneren wecken die Emporen eine Erinnerung an einen Sakralbau, ansonsten wurde auf schmückende Elemente verzichtet. Der Raum, der mehr als 200 Gästen Platz bietet, soll künftig für Konzerte oder Lesungen sowie eine neue multimediale Dauerausstellung genutzt werden.
Ein Jahr lang haben die Berliner Ausstellungsgestalterinnen Ellen Röhner und Ulrike Treziak zusammen mit ihrem polnischen Kollegen Leszek Różański Materialien zur Geschichte der 34 Bethäuser gesammelt, die es allein im früheren Kreis Hirschberg-Jauer rund um Lomnitz gab. Sie fanden alte Festschriften der ehemaligen Kirchengemeinden und stießen auf Fotosammlungen, die seit Kriegsende in Archiven unbeachtet verstaubten.
„Schlesische Toleranz – Toleranz in Schlesien“
In einer multimedialen Ausstellung unter dem Titel „Schlesische Toleranz – Toleranz in Schlesien“ erzählen sie die Geschichte der Bethäuser in der Region. In acht Filmen widmen sie sich den beiden großen christlichen Konfessionen in Schlesien seit der Reformation, ihrem Gegen- und Miteinander und dem Entstehen der Bethäuser. In 34 weiteren Kurzfilmen gehen sie dem Schicksal von jedem einzelnen Bethaus rund um Lomnitz nach.
Als absoluter Glücksfall für sie erwiesen sich die Arbeiten des Zeichners Friedrich Bernhard Werner. 1690 im niederschlesischen Kamenz geboren, bereiste er später viele Teile Europas und fertigte zahlreiche Stadtansichten an. Aber er hatte es sich auch zur Aufgabe gemacht, sämtliche schlesische Bethäuser nur wenige Jahre nach ihrer Entstehung zu zeichnen. So blieb eine vollständige Dokumentation für die Nachwelt erhalten, aus der Röhner, Treziak und Różański Material für ihre Ausstellung schöpfen konnten.
Lomnitz erinnert an schlesische Bethäuser
Wie schon bei der im vergangenen Frühjahr eröffneten multimedialen Dauerausstellung über 300 Jahre Leben auf Schloss Lomnitz können sich Besucher auch in der neuen Bethaus-Ausstellung mit eigenen Smartphones oder Leih-Tablets bewegen und ihr Programm ganz nach eigenen Interessen aus dem mehr als zweistündigen Filmmaterial zusammenstellen. Für den kompakten Überblick gibt es zudem eine rund zwölfminütige Kurzfassung auf einem Bildschirm. Sämtliche Filme sind in deutscher, polnischer und englischer Sprache verfügbar. Das neue Fachwerkhaus bereichert bereits jetzt das bauliche Ensemble in Lomnitz, die neue Dauerausstellung soll im kommenden März feierlich eröffnet werden. Sie wird danach täglich kostenlos zu besichtigen sein.
Über Schloss Lomnitz und weitere einstige Gutshäuser im Hirschberger Tal informiert die informative Seite Tal der Schlösser.de.
Schloss Lomnitz liegt im Hirschberger Tal, unweit der Kreisstadt Jelenia Góra und eine gute Autostunde vom Grenzübergang in Görlitz entfernt.
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