20useums- und Erlebnisbergwerke gehören für Männer zu den touristischen Highlights eines jeden Urlaubs. Ein Bergwerk zu besuchen und dann noch eine Seilfahrt mitzumachen und anschließend mit einem kräftigen Glück auf ! dem Bergmannsgruß, begrüßt zu werden, das ist so wie einmal auf einer Dampflok oder im Cockpit des Bernina-Express mitzufahren. Aber eine unterirdische Bootsfahrt in einem vor über 200 Jahren zur Entwässerung eines Silberbergwerkes angelegten unterirdischen Stollen zu erleben, das ist so ziemlich das Größte, was man als Technikfreak erleben kann. In  der polnischen Woijewodschaft Schlesien ist das möglich. Während eines Besuches des etwa eine Stunde von Katowice (Kattowitz) entfernten Silberschaubergwerkes  Tarnowitz konnte ich zudem das jüngste von 15 UNESCO-Welterbestätten Polens erleben. Und war begeistert.  Das im letzten Jahr verliehene UNESCO-Siegel unterstreicht zugleich die Einmaligkeit des Bergwerkes von Tarnowitz. Lest hier, was ich erlebt habe: UNESCO-Welterbe Silberschaubergwerk Tarnowitz (Tarnowskie Góry)

Gute Einführung und multimedial

Wenngleich die Ausschilderung des Bergwerkes noch etwas verbesserungsbedürftig ist, einmal dort angekommen, will man so schnell nicht wieder weg. Viel hatte ich schon über den schlesischen Bergbau gehört,. Von Preußenkönig Friedrich dem Großen, der neben dem Mansfelder Kupferbergbau  – wo 1785 auf der Preußischen Hoheit in Burgörner (heute Hettstedt in Sachsen-Anhalt) die erste Deutsche Dampfmaschine nach Wattschen Vorbild zur Hebung der Grubenwässer installiert wurde, vor allem sich um Schlesien als neue Rüstkammer kümmerte. Alle Größen der damaligen Zeit waren zudem in Tarnowoitz: Bergmaumister Heynitz, Graf von Reden, und natürlich Johann Wolfgang von Goethe. Tarnowitz gilt als 2. Standort für eine Dampfmaschine im damaligen Preußen.

die Führerin begleitet die Gäste auch in das Bergwerk, sie spricht deutsch, Foto: Weirauch

Die Führerin begleitet die Gäste auch in das Bergwerk, sie spricht deutsch, Foto: Weirauch

Seilfahrt in den Schacht

Die rund eineinhalbstündige Führung durch das Bergwerk beginnt mit einer gekonnten multimedialen Einführung im Gebäude der einstigen Hängebank. Videos und Hörstationen sowie Schaubilder führen ein in die Zeit um 1785, als das später als „schlesisches Ruhrgebiet“ bezeichnete Gelände um Tarnowitz Zabrze (Beuthen) und Katowice eine erste wirtschaftliche Blütezeit erlebte. Man erfährt, wie damals Silber-, Blei- und Zinkerze abgebaut und auf welche Art und Weise die weitverzweigten unterirdischen Stollensysteme entwässert wurden. Eine besondere Attraktion ist das Funktionsbild (multimedial) der ersten Dampfmaschine auf dem heute polnischen Boden. Die Führerin meinte, diese Maschine arbeitete nach dem Newcomen-Prinzip. Da muß ich mal meine Kenntnisse aus dem Physikunterricht abrufen.

Auf jeden Fall wird diese Geschichte der wichtigen Innovation im schlesischen Bergbau eindrucksvoll präsentiert. Ich habe mir in den letzten Jahren einige Bergwerke angesehen, auch das Mansfeld-Museum in Hettstedt. Dort gibt es zwar seit 1985 den originalgetreuen Nachbau der ersten Dampfmaschine in Preußen zu bestaunen, auch in Funktion. Aber die museale Präsentation lässt in Mansfeld sehr zu wünschen übrig. Auch in Hettstedt gibt es mit dem 30 Kilometer langen Schlüsselstollen ein einzigartiges Entwässerungssystem aus der Blütezeit des Bergbaus. Auch dort träumen Technikenthusiasten immer wieder mal davon, mit Kähnen die engen unterirdischen Hohlräume zu befahren.

15 Jahre bis zum UNESCO – Welterbe

Der große Unterschied zu Tarnowitz ist, dass die polnischen Denkmalpfleger und Tourismusexperten begriffen, was man an dem Schatz der Altvorderen hat. Sie haben die Hinterlassenschaften gehoben, aufbereitet und präsentiert und letztlich vor den Augen des gestrengen UNESCO-Welterbekomitee bestanden. 15 Jahre hat dieser ganze Bewerbungsprozeß, so erfuhr ich, gedauert. Glückwunsch !

Eine stimmungsvolle Beleuchtung der Räume in der Ausstellung sorgt für eine besondere Atmosphäre. Die Touristen, die mit einem Reiseführer wandern, können u.a. frühere Werkzeuge, Spülvorrichtungen, Lampen sehen, die im Bergwerk benutzt wurden. Zu den Exponaten gehören auch die Kübel, mit denen das abgebaute Material hochtransportiert wurde und die tragbaren Toiletten. Und man erfährt recht eindrucksvoll eine Menge über die schwere Arbeit der Bergleute.

Von der Hängebank in den Schacht

Wir befahren also die Grube, es geht mit einer Seilfahrt auf über 40 Meter. Unten erwartet uns der Anschläger mit drei  Glockenschlägen und es geht los. Feucht und gleichbleibend 11 Grad sind  es hier unten. Für Touristen wurden die Wege befestigt, denn es ist streckenweise rutschig. Wasser tropft von den Wänden. Die Länge der Strecke beträgt 1740 Meter (270 Meter davon fahren wir mit kleinen Booten). Die Gestalt der Strecke erinnert an ein Dreieck und verbindet die drei frühere Schachtanlagen „Engel“, „Schlange“ und „Glückauf“. Der „Staszica”-Gang führt zur ersten Kammer, der „Silberkammer“mit einer Fläche von rund 500 Quadratmeter. Sie befindet sich noch im ursprünglichen Zustand, mit dem rekonstruierten Arbeitsplatz eines Bergmanns.

Die Wege sind nachträglich betoniert, ein jeder kann sie langgehen, foto: Weirauch

Die Wege sind nachträglich betoniert, ein jeder kann sie langgehen, foto: Weirauch

Während einer außergewöhnlichen Wanderung beobachten wie die Ausbruchstellen aus dem 18. und 19. Jahrhundert und sind hautnah dran den den früheren Arbeitsplätzen und Werkzeugen  der Hauer, Treckejungen oder Steiger. Un wer Glück hat, der kan in den unterirdischen Gängen den Berggeist antreffen, man nennt ihn „den Schatzmeister“.

Nachgebildete Arbeitsszene im Stollen mit Holzausbau, Foto: Weirauch

Nachgebildete Arbeitsszene im Stollen mit Holzausbau, Foto: Weirauch

Im Berg grummelt es

Mich hat fasziniert, dass per Lautsprecher eine Sprengung oder die Arbeit der einzelnen Gewerke erlebbar wurden. Museumspädagogisch ist das Bergwerk auch für Kinder und Jugendliche sehr gut erlebbar. Und Platzangst braucht auch kein Besucher zu haben. Mit nunmehr über 60 Jahren und diversen Rückenproblemen kam sogar ich durch den engen Stollen. Man sollte sich dabei aber Zeit nehmen. Und in den Berg hineinhören….

Dampfmaschinen-Freilichtmuseum

Nach einem herzlichen Glückauf ! gelangten wir wieder an die Oberfläche. Und wen Technik interessiert, der kann im Freigelände eine der wohl größten Dampfmaschinen-Sammlungen Europas erleben. Aber auch Straßenwalze, Zugkran, Lokomobile, zahlreiche Dampflokomotiven, Stromaggregate, Dampfpumpen und Hebevorrichtungen sind eindrucksvoll im Freibereich präsentiert.

Zum Schluss wird bewußt, dass ohne die Einführung der modernen Dampftechnik das einstige schlesische Bergbaurevier von Tarnowitz und darüberhinaus nicht denkbar gewesen wäre. Tarnowitz war demnach der Ursprung, das Silicon Valley der frühindustriellen Bergbaugeschichte.

Dampfmaschine Polen

Eindruckvoll werden Dampflokomotiven im Freigelände präsentiert, Foto: Weirauch

Eindruckvoll werden Dampflokomotiven im Freigelände präsentiert, Foto: Weirauch

Schwarze Forelle-Stollen

Diese Tour empfehle ich auch zu machen. Dazu reichte meine Zeit leider nicht. Der sogenannte Schwarze Forelle-Stollen ist die längste unteridrische touristische Strecke in Polen, die mit den Boot befahren wird. Sie ist ein Teil des Tiefen Stollens „Fryderyk2, mit dem auch derzeit das Bergwerk entwässert wird. Der einstieg in den Stollen ist wenig spektakulär, eher mystisch. Man klettert in die Tiefe (die Leitern werden Fahrten genannt) und gelangt zu den booten. Dann befährt man eine 600 Meter lange Strecke (im Pendelverkehr), die mit Karbidlampen beleuchtet ist. Der Reiseführer treibt die Boote an, indem er sich von den Wänden des Stollens abstößt (die Wände werden hier als Seitenstöße bezeichnet). Gleichzeitig erzählt der Reiseführer interessante Geschichten über die früheren Zeiten des Bergbauwesens. Auch hier herrscht in den unterirdischen Gängen ein spezifisches Mikroklima – hohe Luftfeuchtigkeit und konstante Temperatur von 10 Grad Celsius.

Das Silberbergwerk Tarnowitz gehört zur Europäischen Route der Industriekultur. hier geht es zum Link.

Informationen zum UNESCO-Welterbe Silberschaubergwerk Tarnowitz

  • Adresse: Silberschaubergwerk
    Szczesc Boze Straße 81, 42-600 Tarnowitz
    Internet: www.kopalniasrebra.pl
    E-Mail: bort@kopalniasrebra.pl
    Parken: Repecka Straße und Sniadeckiego Straße
  • Entfernung zu anderen Städten: Tarnowitz liegt etwa 25 Kilometer nördlich von Kattowitz und rund 170 Kilometer südöstlich von Breslau.

mit Bahn: nur am Wochenende fährt die Museumseisenbahn von Beuthen nach Tarnowitz

Informationen auch bei: Heimatfreundenverein der Region um Tarnowitz
Gliwicka Straße 2, 42-600 Tarnowitz

Hier geht es zu weiteren Sehenswürdigkeiten in Polen.

Die Stadtmitte von Tarnowitz ist reich an Denkmäler der Architektur, Cafés und Restaurants sowie Grünanlagen. Die wichtigsten historischen Gebäude befinden sich beim Ring und in seiner nächsten Umgebung. Eine Zierde der Hauptplatz der Stadt ist das Rathaus im Stil des Neomanierismus, vom Ende des 19. Jahrhunderts, evangelische Salvator-Kirche und sehenswürdige Wohnhäuser, darunter besonders das Gebäude der Weinkellerei „Sedlaczek“ – das am besten erhaltene Haus der alten weltlichen Architektur, mit den Decken, Portale und Wölbungen im Renaissance-Stil. Im ersten Stockwerk des Hauses befindet sich der Sitz des Tarnowitzer Museums, wo man neben den Andenken, die an die Stadtgeschichte erinnern, auch eine Kollektion der westeuropäischen Malerei bewundern kann.

Den Weg zum Ring weisen den Touristen die Figuren der sogenannten „Gwarki“ (Gewerke, wie sich die Tarnowitzer Bergleute zu nennen eingespielt hat). Als Gewerke wurden die Besitzer und Anteilseigner der Zechen bekannt, doch in der städtischen Tradition wurde dieser Begriff auch auf einfache Bergleute ausgedehnt. Man spricht also von Tarnowitz als „Gewerken-Stadt“, eines der Wahrzeichen der Stadt ist der „Gewerken-Glockenturm“. Das dreitägige Stadtfest in der ersten Septemberhälfte nennt man „Gewerken-Tage“.

Heilige-Apostel-Peter-Paul-Pfarrkirche

Sehenswert ist auch die älteste der hiesigen Kirchen mit ihrem fast 60 Meter hohen Turm aus dem 16. Jahrhundert. Im Inneren des mehrmals umgebauten Gotteshauses befinden sich Grabplatten, Glasfenster und einige Gemälde guter Qualität. An der Kirche haftet die Heilige-Barbara-Kapelle, eine Kultstätte dieser  Patronin der Bergleute. Zu erwähnen sind neben den sakralen Sehenswürdigkeiten noch die Friedhofskirche Heilige-Anna und Kamillianer-Anhöhe mit der Heiligen-Johannis-der Täufer- und Heilige-Kamillus-Kirche.

In der ganzen Stadtmitte, unter den älteren Gebäuden zerstreut, befinden sich zahlreiche Objekte, Beispiele der Architektur der Historismus-Periode (u.a. Bahnhof, Postamt, Sitz der Knappschaft) und Jugendstil (u.a. Wohnhäuser an den Karkowska, Piastowska und Pilsudskiego-Straße). Die Architektur des Modernismus ist vor allem durch das Schulgebäude an der Wyspanskiego-Straße vertreten; im Zwischenkriegspolen war das der modernste Bau dieser Art.

Hier geht es zum jüngsten polnischen Unesco-Welterbe-Projekt

Czeladź bekommt modernes Bergwerksmuseum

Das Dombrower Kohlebecken rund um Dąbrowa Górnicza liegt selbst für viele Polen im Schatten des benachbarten Oberschlesischen Industriereviers. Eine neue Ausstellung in der Kleinstadt Czeladź soll sich künftig der Bedeutung der dortigen Kohleförderung für die Geschichte Polens widmen. Dafür soll das Zechenhaus des 1996 stillgelegten Steinkohlenbergwerks Saturn mit einer modernen multimedialen Ausstellung zur lokalen Bergbaugeschichte ausgestattet werden.

Bereits 2013 eröffnete im restaurierten Elektrizitätswerk der Zeche die Galerie für Gegenwartskunst „Elektrownia“. Sie ist Teil der Route der Schlesischen Technikdenkmäler und jedes Jahr Schauplatz für Veranstaltungen im Rahmen des Festivals Industriada. Das Saturn-Bergwerk wurde 1872 vom Warschauer Anwalt Ludwik Kozłowski im damals russischen Teilungsgebiet gegründet. Zwei Jahre später von Fürst Christian Kraft zu Hohenlohe-Öhringen aufgekauft und schnell ausgebaut, veräußerte dieser es 1899 an ein Konsortium von Textilunternehmern aus Łódź, die sich damit von überteuerter Kohle aus Oberschlesien unabhängig machten. www.zabytkitechniki.pl

Historisches Übungsbergwerk wieder zugänglich

Nach viermonatigen Instandsetzungsarbeiten ist das historische Übungsbergwerk in Dąbrowa Górnicza wieder für den Publikumsverkehr geöffnet. Die zu hohe Luftfeuchtigkeit hatte weite Teile der unter Tage verwendeten Metallinstallationen korrodieren lassen. Um die Sicherheit der Besucher nicht zu gefährden, entschloss sich das Museum „Sztygarka“, zu der die Anlage gehört, das Bergwerk zu schließen und instandsetzen zu lassen.

Das Übungsbergwerk wurde 1927 eingerichtet und diente der Ausbildung der Schüler der benachbarten Bergwerksschule. Auf drei Ebenen wurden sie mit den geologischen Gegebenheiten im Untergrund, Maschinen sowie der Arbeit unter Tage vertraut gemacht. 2010 eröffnete die unterirdische Touristenroute. Das Museum selbst zeigt eine umfassende Ausstellung zur Geschichte und Bevölkerung des Dombrowaer Kohlebeckens (Zagłębie Dąbrowskie), die wie im benachbarten Oberschlesischen Industrierevier stark vom Silber- und Kohlebergbau geprägt waren und sind. www.slaskie.travel