Berlin außenrum. Über Landabenteuer Brandenburg.

Michael Bussmann, Gabriele Tröger: Berlin außenrum. Über Landabenteuer Brandenburg. Michael Müller Verlag, Erlangen 2022. www.michael-mueller-verlag.de

Endlich ein Reiseführer, der ehrliche Gefühle aufzeigt, der spüren lässt, dass die Autoren vor Ort waren und sich auskennen in jwd (janz weit draußen) oder wie der brandenburgische Landesslogan lautet: „jwd – jeder will dahin“. :-)

Wirklich? Nach den Autoren der neuen Art von Reiseführern (und so ein Buch haben wir hier vor uns) geht das schneller, als man denkt. Dank „Regionalbahn sei man nach einer Stunde“ von Berlin aus „allein in der Natur, erlebt den Charme der Kleinstadt, kann sich an einem Lost Place gruseln oder gnadenlos aktiv sein“. Wer oft in Brandenburg unterwegs ist, wird erfahren haben, dass es so einfach dann doch nicht ist. Brandenburg ist mit knapp drei Millionen Hektar das fünfgrößte Bundesland und mit 2,5 Millionen Menschen das zweitleerste der Bundesländer. Dafür hat es viel Wald, Ackerland und Wasser. und ist flach wie ein Billardtisch. Ist man mit Bahn und Fahrrad unterwegs braucht man allerdings dennoch viel Kraft und Ausdauer. Denn oft fehlen Fahrstühle/Aufzüge oder günstige Möglichkeiten, um Fahrräder, Kinderwagen oder Gehhilfen von einem Gleis zum anderen ohne weitere Hilfen zu bringen. Wir können ein Lied davon singen. Seit Jahren schon verspricht man den Einwohnern des im Norden von Potsdam gelegenen Ortes Marquardt nämlich, dass der Bahnübergang behindertengerecht umgebaut werden soll. Im Dezember 2022 eröffnet dort mit viel Tam Tam eine sogenannte mobilitätsdrehscheine, nur der rostige „Galgen“ genannte Übergang bleibt. Und Radfahrer und Mobilitätseingeschränkte bleiben außen vor.

Ach ja: Dazu kommen die häufige Zugverspätungen oder gar Ausfälle der Regionalbahnen, die dadurch verpassten Anschlüsse – das kann oftmals schon zum kleinen Abenteuer selbst werden und die anfangs gute Laune der meist von Berlin aus Brandenburg Erkundenden schnell in den Keller bringen. Deshalb geben uns die Autoren des kurzweilig geschriebenen und gründlich recherchierten Reiseführers für Ausflüge in das Land Brandenburg noch 

folgende Tipps:

• Besser vorbuchen: Nicht nur für viele Abenteuer ist eine rechtzeitige Buchung ratsam. Auch wer länger bleiben und übernachten will, bucht besser vor. Brandenburg ist schwer angesagt, vor allem an Wochenenden mit Sonnenscheingarantie – und erst recht während der Berliner Sommerferien.
• Die Sache mit dem Essen: In der Gastronomie ticken die Uhren anders. Googeln Sie nicht nur die Bewertungen eines Restaurants (fünf Sterne sind übrigens nicht unbedingt ein Kriterium für gutes Essen, sondern mitunter für große Portionen … ), googeln Sie vor allem auch die Küchenzeiten, um böse Überraschungen zu vermeiden. Manche Lokale in Brandenburg öffnen nur zwei oder drei Tage die Woche, manche nur mittags, bei anderen ist um 19 Uhr Küchenschluss. 
• Jemütlich unterwegs: In der Idylle Brandenburgs ist man oft deutlich länger unterwegs, als das Navigationssystem angibt. Die Sträßchen können schmal und holprig sein. Manchmal führt der kürzeste Weg über Pflasterstraßen, DDR-Plattenwege oder gar geschotterte Fahrwege. 

Neben vielen Ausflugstipps, die geografisch kartenmäßig verortet sind, und einem informativen Steckbrief mit Hinweisen auf öffentliche Verkehrsmittel, beste Reisemonate, Radwege bietet der Reiseführer vieles mehr: 

Tipp für die Winterzeit

Im 8. Kapitel gibt es Tipps rund ums Jahr in Brandenburg. Für die Winterzeit empfehlen die Autoren, „mit den Kindern dahin zu fahren, wo die Bäume wachsen, und selber einen zu schlagen“. www.weihnachtsbaum-selbst-schlagen.de. Weitere Adressen und Tipps zum Thema: www.forst.brandenburg.de

Weiter zu ein paar von den 33 Überlandabenteuer zum Selbsterleben.

Für einen Stadtbesuch auf dem Elberadweg zwischen Havelberg und Wittenberge schlagen die Autoren die heute anhaltische Stadt Havelberg vor:

Havelberg ist klein und rot

„Backstein statt Feldstein. Das bilderbuchartige Altstädtchen kuschelt sich auf einer Havelinsel zusammen wie ein müder Hund in seinem Körbchen. Darüber thront der Dom St. Marien, ein Klinkerwunder aus dem 12. Jahrhundert. Nicht von schlechten Eltern, die alte Hansestadt nahe dem Zusammenfluss von Havel und Elbe. Hier beginnt unsere Tour, die weitestgehend eben sein wird. Das ist der Vorteil von Flussradtouren.

Knapp 40 Kilometer liegen vor uns. Durch das UNESCO-Bioshärenreservat Flusslandschaft Elbe wollen wir nach Wittenberge fahren. (pendeln zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg) Das Gebiet gehört zu den letzten naturnahen Stromlandschaften Mitteleuropas. Kultur und Natur an den Ufern der Elbe sind die Mischung, auf die wir uns freuen. Unsere Laune ist bombig.“

Schlossruine Hohenlandin

Im Norden Brandenburgs findet der Tourist u. a. Sehenswürdigkeiten die Schlossruine Hohenlandin (Schlossstraße7, 16276 Mark Landin, www.Hohenlandin.de. „Das Mauerwerk liegt blank, das Dach fehlt. Adler und Löwen wachen über ein Portal, hinter dem die Natur wieder das Sagen hat. Schloss Hohenlandin ist ein spannendes Ziel für all jene, die ein Faible für Ruinen haben. 1861 im Stil der Tudorgotik errichtet, steht das stattliche Schloss geht auf den großen preußischen Gartenkünstler Peter Joseph Lenné zurück.

Barockkloster Neuzelle

Im Osten Brandenburgs meint der Tourist beim Anblick des Klosters Neuzelle (Stiftsplatz 7, 15898 Neuzelle, www.klosterneuzelle.de)

in Bayern zu sein. „Im Dorf Neuzelle kann man das einzige vollständig erhaltene Zisterzienserkloster Brandenburgs besichtigen. Zu DDR-Zeiten diente es als Institut für Lehrerfortbildung. Erst seit 2018 beten hier wieder Mönche. Highlight des schönen Areals ist die barocke, freskenreiche Wallfahrtskirche St. Mariä Himmelfahrt, die auch das Herz jedes Atheisten erweicht.

Puttenparty par excellence! Besuchenswert ist zudem das Klostermuseum. Es ist in den historischen Konventsgebäuden rund um den spätgotischen Kreuzgang untergebracht. Der Klosterladen verkauft süffiges Bier, das aus der Klosterbrauerei kommt.“

Gaumensex auf Preußisch

‚Nimm dir Essen mit‘, wir fahren nach Brandenburg, sang Rainald Grebe. Der Song ist zwar schon etwas älter, aber zeitlos. Lokale gibt es auf dem Brandenburger Land bis heute nur wenige. Küchenschluss um 19 Uhr – keine Seltenheit. Die Speisekarten kennt man irgenswann, ohne reinzugucken: Matjes, Schnitzel, Sülze dazu Bratkartoffeln. Und beim Abräumen die Frage ‚Satt geworden? statt Hatt’s jeschmeckt?’.

Zum Glück aber haben mancherorts auch Lokale mit neuen, kreativen Konzepten eröffnet. Wo auf beste Produkte Wert gelegt wird, gerne regional oder saisonal. Wo der Gast König und keine Last ist. Dazu gehört das Kochzimmer in Potsdam. Ein Michelinstern. Vor der Tür Barock, drinnen schlichte Eleganz, orangerote Stühle vor silbergrauen Wänden. Heute aber ist ein Draußen-Tag. Wir setzen uns in den efeuüberrankten Hof und freuen uns auf das, was kommt.“ – so die so die neugierigen Autoren des lesenswerten Reisejournals. Was kann kommen? 5 Gänge für 115 Euro, 6 Gänge für 135 Euro, 7 Gänge für 155 Euro zzgl. Getränke. Am Neuen Markt 10, 14467 Potsdam,800 Meter vom Hauptbahnhof entfernt,  www.restaurant-kochzimmer.de 

Loriots Geburtsstadt Brandenburg

Jeder Ausflugstipp ist mit dem rotbraunen unterlegtem Tippgeber „Wenn man schon mal hier ist“ versehen. Hier der für Brandenburg an der Havel, „das man sich unbedingt auch einmal ebenerdig anschauen sollte. So viele sich durch die Stadt schlängelnde Wasserwege gibt es hier, dass man gerne schon mal die Orientierung verliert. Macht nichts! Zum mächtigen Dom auf einer von Wasser umflossenen Insel findet man immer.

Und wer sich fragt, was es mit den bronzenen Waldmöpsen allerorts auf sich hat, sollte an den bekanntesten Sohn der Stadt Vicco von Bülow alias Loriot denken: ‚Ein Leben ohne Möps ist möglich, aber sinnlos‘.“

Mehr zu den Möpsen hier.

Fazit
„33 Überlandabenteuer zum Selbsterleben“ sind toll in Szene gesetzt, humorvoll und durchaus auch kritisch, immer symphathisch rüberkommend, durch die Brandenburg-Kenner Michael Bussmann und Gabriele Tröger aufgeschrieben. Für uns macht der Reiseführer wieder Lust auf Brandenburg, die uns in der Vergangenheit ob der weniger guten Erlebnisse ein wenig abhanden gekommen ist. Außerdem ist es ein erschwingliches Weihnachtsgeschenk (17,90 Euro), das wir all jenen unserer Freunde und Bekannten auf den Gabentisch legen werden, die Lust auf Entdeckungen in Brandenburg haben.

Ein tolles Buch, passt unter jeden Weihnachtsbaum.

Michael Bussmann, Gabriele Tröger: Berlin außenrum. Über Landabenteuer Brandenburg. Michael Müller Verlag, Erlangen 2022. www.michael-mueller-verlag.de