Ziegen, Blumenwiesen , Alpengipfel – „Heidi“-Schöpferin Johanna Spyri hat ihrer Schweizer Heimat literarisch ein Denkmal gesetzt. Aber nicht nur von der heimischen Bergwelt ließ sich die einst weltberühmte Kinderbuchautorin inspirieren. Auch der Lago Maggiore spielt im Leben und im Werk der Schweizer Autorin eine wichtige Rolle. Vor allem im Spätsommer und Herbst zog es sie hierher.
Trost und Inspiration am Lago Maggiore
Johanna Spyri, Erfinderin der Kinderromanfigur „Heidi“, hatte ein Faible für den Lago Maggiore. Immer wieder kam sie an den oberitalienischen See. Vor allem das Dorf Suna – heute Ortsteil von Verbania – war ein Herzensort der Schweizerin. Egal ob acht oder achtzig – hierzulande gibt es wohl kaum jemanden, der noch nie etwas von Heidi gehört hätte. Mädchen aus der Schweiz, ein Waisenkind, das mit seinem kauzigen Großvater in den Bergen lebt und die Tage mit dem alten Mann, dem Hirtenjungen Peter und einer Ziegenherde verbringt, hat seit der Erstveröffentlichung des Romans im Jahr 1880 Generationen zu Tränen gerührt und Leserinnen-Herzen im Sturm erobert. In den 1990er Jahren war es dann die Zeichentrickverfilmung des Romans, der „Heidi“ zurück in die Wohn- und Kinderzimmer brachte. Nicht nur im deutschsprachigen Raum, auch international kam „Heidi“ noch einmal ganz groß raus.
Über die „Heidi-Erfinderin“ Johanna Spyri (1827-1901) weiß die Leserschaft im Allgemeinen heute nicht mehr viel. Dabei war „Heidi“ Ende des 19. Jahrhunderts ein Welterfolg und Spyri recht berühmt. Mit ihren Werken warb sie für Werte wie Freundschaft und Courage. Mit „Heidi“ hat sie der archaischen Bergwelt ihrer Heimat ein Denkmal gesetzt. Dass auch der Lago Maggiore ein Herzensort der Spyri war, ist weniger bekannt. Dabei war die Schweizerin Stammgast am See. An den Ufern des Lago Maggiore fand sie in schweren Zeiten Trost und Inspiration. Nicht nur die Schweizer Berge, auch die Landschaften am großen oberitalienischen See hielten Einzug in Spyris Werk.
Immer dieselbe Pension
Vor allem im Herbst zog es die Schriftstellerin aus Zürich an den Lago Maggiore. Bei jedem Ferienaufenthalt logierte sie in Suna, einem malerischen Dorf an der Borromäischen Bucht, das heute auf dem Gebiet der „Gartenstadt“ Verbania liegt. Jedes Mal quartierte sich Spyri dort in der Villa Camenisch ein. Pensionswirtin Ursolina Camenisch und die Kinderbuchautorin verband eine Freundschaft. In der 1888 veröffentlichten Erzählung „die Elfe von Intra“ trägt Spyris Protagonistin unverkennbar die Züge der hilfsbereiten Camenisch. Diese und viele andere Details zu den Aufenthalten der Grande Dame der Schweizer Kinder- und Jugendliteratur am Lago Maggiore hat die Germanistin und Autorin Regine Schindler (1935 – 2013) herausgefunden. Jahrzehnte lang hatte sich Schindler in das Leben der Schriftstellerin vertieft, unbekannte Briefe aus dem Nachlass studiert, im Stadtarchiv von Verbania geforscht und so Einblicke in Spyris Beziehung zum See und zu den Menschen an seinen Ufern gewonnen.
Letzte Reise mit dem Sohn
Auch mit ihrem Sohn Bernhard hat die Grand Dame der Schweizer Kinderliteratur mehrfach Urlaub in Suna gemacht. In einem Brief aus dem Jahr 1883 berichtet sie von einem letzten Erholungsaufenthalt mit dem damals schon schwer erkrankten jungen Mann. Der Hausarzt hatte die Reise trotz der damit verbundenen Strapazen angeregt und einen Aufenthalt an der italienischen Riviera empfohlen. Doch der kranke Sohn habe darum gebeten, statt an die Riviera in die vertraute Umgebung am Lago Maggiore zu reisen. Im Spätherbst 1883 kamen Mutter und Sohn noch einmal für ein paar Wochen nach Suna.
Bernhard Spyri starb im Mai des folgenden Jahres – mit gerade einmal 29 Jahren. Dass seine Mutter den Urlaubsort am Lago Maggiore wegen schmerzlicher Erinnerungen fortan gemieden hätte, wäre nur allzu verständlich gewesen. Doch das Gegenteil war der Fall. Spyri, die wenige Monate nach dem Tode des Sohnes auch den Ehemann verloren hatte, reiste noch oft an den Lago Maggiore. 1886, 1892, 1893, 1894 und 1896 verbrachte sie stets einige Wochen in Suna. Hier fühle sie sich „wie in Abrahams Schoß“, schrieb sie 1892 an ihre Nichte. So ruhig, so schön und liebenswert sei dieser Ort.
Goldenes Morgenlicht, tiefblauer See
Die Schriftstellerin verbrachte ihre Tage am See mit ausgedehnten Spaziergängen. Davon berichtet sie in ihren Briefen an Freunde und Familie. Auch „Dori“, die Heldin eines 1887 erschienenen Erzählbandes für junge Mädchen, wächst in der malerischen Landschaft im Hinterland des Sees heran. Die kastanienbewaldeten Hänge des Monte Rosso, die schneebedeckten Alpengipfel, der lauschige Weg vom Dörfchen Cavandone nach Suna – das ist „Doris“ Welt. Spyris jugendliche Heldin erfreut sich an von der Morgensonne vergoldeten Landschaften und am tiefen Blau von Himmel und See.
In Verbania wurde die Recherche von Spyri-Expertin Schindler mit großem Interesse verfolgt. Anerkennung gebühre der Schweizerin dafür, dass sie mit „Dori“ ein internationales Publikum mit den Schönheiten des Lago Maggiore bekannt gemacht habe. Ein Geheimtipp war die Region aber schon damals nicht mehr. Reiseführer der Epoche wie von Tschudis 1892 erschienenes Reisehandbuch oder der Baedeker von 1893 rühmen Orte an seinen Ufern das milde Klima und empfehlen sogar Ursolina Camenischs Pension.
Von Zürich nach Pallanza in zehn Stunden
Spyri-Forscherin Schindler hat auch eine historische Zugverbindung gefunden. So konnten Spyri und Zeitgenossen um 9.10 Uhr in Zürich in den Zug steigen und kamen, nach Umstieg in Bellinzona, um19.05 Uhr in Pallanza (inzwischen auch ein Ortsteil von Verbania) an. Aktuell schafft die Bahn die Strecke in dreieinhalb Stunden. Vergoldete Herbsttage machen den Lago heute wie damals zu einem attraktiven Ziel.
Pressemeldung: MAGGIONI GRETZ GmbH, Dietrich-Bonhoeffer-Str. 3, 10407 Berlin. www.maggioni-gretz.de
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