Von Jörg Berghoff
Ohne Design ist bekanntlich heute fast alles nichts. Ob London, Paris, Berlin oder Rotterdam, Möbelkatalog, Reiseprospekt oder Turnschuh, pardon, Sneaker selbstverständlich: Man kann sich dem Eindruck nicht entziehen, keine Stadt, die etwas auf sich hält, ja selbst die banalsten Gegenstände des Alltags brauchen Design und trendige Namen. Die fast schon inflationäre Verbreitung des Begriffs macht auch vor dem Tourismus nicht halt, warum auch. Man reist auf exklusiv „designten“ Routen, genießt kreative Menüfolgen im speziellen Restaurant-Ambiente und bettet sein müdes Haupt natürlich im Design-Bett samt Feininger-Druck auf dem Kopfkissen. Ein Reise-Leben ohne Design: Unvorstellbar! Doch woher kommt diese an sich brillante Idee, eine harmonische, ästhetische Einheit von Handwerk und Industrie, Kunst und Technik, Theorie und Praxis zu schaffen?
Bauhaus und Rotterdam
„Bauhaus“ heißt das Zauberwort und in der Mitte Deutschlands liegen seine Wurzeln. In Weimar gründete Walter Gropius 1919 eine Schule, die weltweit zum Begriff für eine Revolution in der Kunst geworden ist. Kunst nicht als Selbstzweck, Technik nicht reduziert auf Funktionalität, sondern beides miteinander vereint, das war das Grundprinzip der Bauhau-Künstler. Nicht zuletzt in der Architektur hat das Bauhaus Maßstäbe gesetzt. Auf eindrucksvolle Art und Weise wird das deutlich, wenn man in die Niederlande nach Rotterdam reist, eine dynamisch wachsende Großstadt von derzeit rund 670.000 Einwohnern, die ihre Herausforderungen an eine moderne, lebenswerte Boomtown bravourös bewältigt. Hier begegnet man einer zukunftsweisenden Architektur, die nicht nur Bauhaus-Elemente in moderne Stadtarchitektur integriert, sondern die auch vor allem das Wohl der Menschen im Blick hat. Und Rotterdam ist natürlich geprägt von einem der größten Seehäfen der Welt und dem größten Tiefwasserhafen Europas, kein Wunder also, dass hier das Element Wasser eine bedeutende Rolle spielt.
Rotterdam und das Wasser
Das macht die Stadt natürlich für Gäste besonders attraktiv: Es gibt nicht nur die Ausflugsboote, mit denen man die Stadt und ihre zahlreichen Hafenbecken entdecken kann, sondern auch die quirligen Wassertaxis, mit denen man den noch so entferntesten Winkel Rotterdams erreicht. Außerdem kann man auch die Wassertaxis stundenweise anmieten und so eine individuelle Wasserreise durch Rotterdam mit der Familie oder in einer kleinen Gruppe erleben. Dabei fällt sofort ins Auge, dass Rotterdam vor allem in die Höhe baut, Wolkenkratzer bestimmen das Stadtbild, die oft an die Ästhetik der Bauhausarchitektur erinnern.
Allerdings sind das keine leblosen rechteckigen Betonklötze, sondern mit einem Gesamtkonzept in die Umgebung integrierten Wohn- und Geschäftstürme, die vor allem auch die Lebensbedingungen der hier wohnenden Menschen im Auge behalten. Wohnraum schaffen ja, aber bitte mit Wohlfühlumgebung ist hier das Motto. So gibt es immer auch kleine Parkanlagen, Flaniermeilen, Freizeitgärten, ökologische Nischen, selbst Sandstrandelemente an den alten Hafenbecken werden mit eingeplant und umgesetzt.
New Dutch Architektur in Rotterdam
Grachtenhäuser und Windmühlen sind ein Relikt der Vergangenheit, die niederländische Architektur des 21. Jahrhunderts ist modern, spannend und zunehmend nachhaltig. Eben „New Dutch“ als Markenzeichen. Das Streben nach Innovation und Kreativität hat die im 2. Weltkrieg fast völlig zerstörte Stadt Rotterdam in eine pulsierende Metropole und kreativen Hotspot verwandelt. Wo früher nüchterne Industrieanlagen, Warenhäuser und Wasserstraßen waren, kann man heute in Rotterdam eine besondere Art der Stadtentwicklungsarchitektur entdecken, die einzigartig, nachhaltig und zukunftsweisend ist.
Rotterdam aus neuer Perspektive
Die Niederlande sind ein Land der Innovation, das kann man mit gutem Gewissen behaupten und das war schon immer so. Ohne diesen Innovationsgeist wären die einzigartigen Wasserwerke, die malerischen Grachten, die Windmühlen und die schönen alten Städte nicht gebaut worden, und die Niederlande wären nicht das Land, das sie heute sind. Heute gibt man diesem enormen Kreativitätsdrang einen Namen: New Dutch. Er lässt sich in Städten wie Rotterdam durch die bemerkenswerte Architektur entdecken: Ob vertikale Wälder, schwimmende Büros oder 3D-gedruckte Häuser: New Dutch verwandelt Städte in grünere, lebenswertere Orte und setzt neue Maßstäbe für eine nachhaltige, moderne Stadtentwicklung. Auf der Reise durch Rotterdam begegnen einem diese neusten Entwicklungen vor allem am Hafen Rotterdams, hier entstehen neue Gebäudekomplexe wie etwa das Fenix, das Nederlands Fotomuseum oder die Floating Offices. Man lernt die Arbeit von Landschaftsarchitekten wie die des Unternehmens De Urbanisten kennen, die den längsten und schmalsten öffentlichen Dachpark der Niederlande, den „Hofbogenpark“ auf einem ehemaligen Eisenbahngebäude entwickeln und der die Biodiversität in der Stadt fördern wird und zugleich den Anwohner einen natürlichen Erholungsraum bietet.
Neues Museum Fenix Rotterdam
Freiheit ist ein kostbares Gut, das geschätzt und beschützt werden muss. Das ist eine Binsenweisheit, die in unserer Zeit weltweiter Konflikte neue Aktualität bekommt, denn eine wichtige Lektion aus der Vergangenheit ist, dass die Einschränkung der Freiheit eines Einzelnen, einer Gruppe oder einer ganzen Gesellschaft zu Fluchtbewegungen führt, die schwer zu kontrollieren sind. Dabei spielen Museen über Kriege, Sklaverei und Kolonisation eine entscheidende Rolle, dieses Thema immer wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Sie zeigen den Besuchern die schmerzhafte Vergangenheit, aus der Lehren gezogen werden müssen, und machen deutlich, dass die Wichtigkeit von Frieden und Freiheit niemals vergessen werden darf. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 wird das Museum Fenix in Rotterdam neu eröffnet. Das Museum beleuchtet auf bahnbrechende Art und Weise das Thema Migration durch zeitgenössische internationale Kunst auf einer Fläche von 16.000 Quadratmetern.
Rotterdam und die Auswanderung
Fenix, inspiriert von der Geschichte der globalen Migration, befindet sich an der Maas, an der Stelle von Abfahrt und Ankunft, von der aus im 19. Jahrhundert mehr als drei Millionen Menschen ihr Glück jenseits des Ozeans suchten. Die wechselnden internationalen Kunstsammlungen, ein Kofferlabyrinth bestehend aus über 2000 Koffern und die Ausstellung „Family of Migrants“ lassen das Publikum erleben, wie Migration gestaltet wurde. Der „Tornado“, eine bemerkenswerte geschwungene Konstruktion, windet sich aus dem Museumsgebäude empor. Dieses Kunstwerk besteht aus zwei Treppen, die sich wie eine Helix ineinander drehen und aus dem historischen Lagerhaus emporwirbeln. Mit einer dieser Treppen wählen die Besucher ihren Weg nach oben. Die erste Etage bietet Zugang zum Museum, weiter oben befindet sich der Aussichtspunkt mit dem Panorama über die Maas und die Nordseite von Rotterdam. Die Gesamthöhe des Tornados beträgt imposante 30 Meter, schon heute ragt der neue Blickfang gegenüber des berühmten Hotel New York gelegen, in den Rotterdamer Himmel. Das direkt an der Neuen Maas gelegene Hotel befindet sich im ehemaligen Hauptgebäude der Holland America Lijn und diente Anfang des 20. Jahrhunderts als Unterkunft für Amerika-Emigranten.
Rotterdam und der neue Rijnhaven
Auch das Gebiet um den Rijnhaven wird sich in einen zukünftigen Stadtpark mit einem Strand, 2500 Wohnungen, Wolkenkratzern, Geschäften, Restaurants und Museen verwandeln. Der neu entstehende Rijnhavenpark bietet Grünflächen, Wasser und Häuser, einenHafen, in dem man mit seinen Füßen im Wasser stehen kann. Dieser Hafen ist mit seiner fünfeckigen Form und zentraler Lage ein besonderer Ort, der einen neuen Teil der Stadt bildet und zum Zentrum der Zukunft wird mit seinem Park zu Lande und zu Wasser inklusive Party-, Schwimm- und Freizeit-Locations. Hier entstehen nicht nur neue Arbeitsplätze und Geschäfte, auch Gastronomie und soziale Einrichtungen werden zwischen der Posthumalaan und dem Hafen errichtet. Außerdem werden Grünflächen auf neu gewonnenem Land errichtet, dazu gehört auch ein teilweise schwimmender Park entlang der Hafenkanten mit Zugang über Anlegestellen von den Kais aus. Es wird sogar sei eine Stadt-Strand entlang des Rheinhafens geben.
Dadurch bilden Park und Strand, Häuser und Wasser an diesem ehemaligen Inland-Hafen einen abwechslungsreichen neuen Erlebnisraum. Der Wilhelminaplein und die Rijnhaven Metro Stationen sorgen dafür, dass man schnell und bequem das neue Areal erreichen kann. Radfahrer und Fußgänger haben, wie könnte es in den Niederlanden anders sein, Vorrang entlang des Hafens. Unter Einbeziehung der Anwohner und lokalen Unternehmen wurde dieses Zukunftsprojekt Rijnhaven im Sommer 2021 mit der Ausbaggerung und Aufschüttung eines Teils des Rijnhavens begonnen und die erste Phase des Floating Parks abgeschlossen, bis 2028 soll das gesamte neue Areal fertig gestellt sein. Bereits jetzt ist es beeindruckend, wie schnell die Arbeiten hier voranschreiten und wie kreativ sich hier das Leben in einem neuen Stadtbereich ausbreitet. Ein weiteres neues Museum entsteht in einem renovierten historischen Warenhaus im Rhijnhaven-Gebiet, das eine nationale Kollektion von über sechs Millionen Fotografien beherbergen wird: das Nationale Museum der Fotographie der Niederlande wird in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 eröffnen. Das monumentale, achtstöckige Gebäude wird mit neuem Leben gefüllt und zu einem kreativen Zentrum für alle werden, die sich für Fotographie in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft interessieren.
Eine weitere Station der Reise zu Rotterdams zukunftsweisender Stadtentwicklung ist der Leuvehaven, den man auch mit dem Wassertaxi erreichen kann. Hier sind die Landschaftsarchitekten De Urbanisten zu Hause, die verantwortlich sind für das Hofbogenpark-Projekt, des längsten und schmalsten Dachparks in den Niederlanden, der zur Biodiversität beitragen wird. Früher verlief hier die erste elektronische Eisenbahnlinie der Niederlande von Rotterdam in Richtung Den Haag-Scheveningen. Heute wird es bald möglich sein, auf einer zwei Kilometer langen Strecke im Hofbogenpark spazieren zu gehen, der auf dem ehemaligen Eisenbahngelände entsteht. In schwindelerregender Höhe über dem städtischen Treiben können Anwohner und Besucher im grünen Park zusammenkommen, Sport treiben oder sich entspannen. Gleichzeitig leistet der Park einen Beitrag zu einem klimaangepassten und naturnahen Lebensraum.
Und last but not least lohnt sich ein Besuch des Gezeitenparks Keilehaven, der das Flussdelta in einen grünen Naherholungspark mitten in der Stadt verwandelt. Hier liegt auch das Anwesen Van Lieshout/AVL Mundo, Ausstellungsräume, Atelier und Workshop-Gelände des Bildhauers, Malers und Visionärs Joep van Lieshout, einer der renommiertesten zeitgenössischen Künstler der Niederlande.Auch er versteckt Kunst und Kreativität nicht in elitären Zirkeln, sondern entwickelt mit einem Partner ein neues Wohnprojekt, in dem Kunst, Kreativität, Wohn- und Alltagswelten eine sich bereichernde Symbiose eingehen. Im Global Innovation Index 2023 steht die Schweiz an der Spitze, die Niederlande belegen immerhin Rang 7, gefolgt von Deutschland. Die Stadt Rotterdam ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie man neuen, in die Zukunft gerichteten Wohn- und Lebensraum schafft, der nachhaltig, modern und weltoffen zugleich ist: New Dutch Design eben.
Sehenswert ist auch die moderne Markthalle. Sie ist in Form einer Zeppelinhalle errichtet. Innen viel Platz für Marktstände, außen passen sich Wohnungen der Form an.
Weitere Informationen zu den Niederlanden gibt es hier: www.holland.com
Tipps für einen Besuch in Rotterdam erhaltet ihr hier.
Essen/Trinken: Rotonde, dieses vegane Restaurant bietet ausschließlich lokales Gemüse vom Land und aus dem Meer auf Holzfeuer an und wurde mit einem grünen Michelin-Stern ausgezeichnet. https://restaurantrotonde.nl/
Übernachten: Hotel The Usual. Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt dieses neuen Hotel-Labels, das im August 2024 seine erste Filiale in Rotterdam eröffnet hat. https://theusual.com/en/locations/rotterdam/
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