1921 galt der Bismarckturm am Rand von Stettin (polnisch: Szczecin) als der größte und teuerste im Deutschen Reich. Als die Hauptstadt Pommerns nach dem 2.Weltkrieg polnisch wurde, hatte man Wichtigeres zu tun, als sich um das monströse Bauwerk auf dem Weinberg/Juloberg oberhalb des Odertals zu kümmern. Den die aus Stahlbeton und Kalksandstein zu Ehren des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck (1815-1898) errichteten Turm zierenden Preußenadler wurden nach dem Krieg  im Boden versenkt. Reste von ihnen liegen mit anderem Zierrat unterhalb des eingezäunten Areals. Es scheint so, dass der Bismarckturm, der zur Entstehungszeit und auch nach 1950 viele Jahre ein beliebter Aussichtsturm war, jetzt eine zweite Karriere erlebt. Dank des Engagements einer vom Unternehmer Wojciech Kłodziński gegründeten Stiftung, 

Bismarckturm Stettin Polen

Das runde Bauwerk mit einer Höhe von 24 Metern und einem Durchmesser von 21 Metern ist unterhalb des Umganges (Galerie) durch zwei übereinander liegende Rundbogenreihen aufgelockert.

Bismarckturm Stettin Polen Bismarckturm.Stettin.Polen

Reste der einstigen Adlerfiguren

Wer mit der Straßenbahn vom Stettiner Hauptbahnhof mit der Tram aus zur Endstation Stettin-Gotzlow (Goclaw) fährt, braucht dann noch einmal rund 15 Minuten Spazierweg, bis er vor dem Bismarckturm steht. Parkplätze unterhalb gibt es nur wenige. Bei unserem Besuch Mitte September 2023 sind Handwerker und Restauratoren am Werk und setzen den von der Westoder, dem Dammschen See und der Südseite des Stettiner Haffs weithin sichtbaren Bau instand. Seit etwa einem Jahr gehört das Bauwerk dem Stettiner Investor Wojciech Kłodziński. Der junge Mann, Eigentümer des Unternehmens rentum.pl, kaufte den Turm 2019 und hat das ehrgeizige Ziel, dass 2027 das Bauwerk wiederhergestellt ist. Von außen wurde ein Großteil der Fassade bereits instandgesetzt, Vandalismusschäden beseitigt.

Wieża Gocławska (Wieża Bismarcka) – ein Denkmal wird restauriert

Wir sind erstaunt und begeistert von seinem Engagement. Das von zwei dorischen Säulen geprägte Eingangsportal zeigt sich prächtig wie zur Erbauungszeit. Auch die gewaltig anmutende Innenhalle, dort stand einst eine Bismarckherme, ist begehbar.

Wappenschild über dem Eingang

Wappenschild über dem Eingang

Bis vor kurzem wuchsen von der Decke noch Tropfsteine/Stalaktiten  Das ist nun vorbei, meint Janek, unser kundiger Führer. Das Betondach wurde abgedichtet.

Durch den Eingang gelangte man durch einen 7 m langen Zugang (Vestibül, begrenzt von fünf dorischen Säulenpaaren) in die fensterlose Kuppelhalle.

Durch den Eingang gelangte man durch einen 7 m langen Zugang (Vestibül, begrenzt von fünf dorischen Säulenpaaren) in die fensterlose Kuppelhalle.

Durch den Eingang gelangte man durch einen 7 m langen Zugang (Vestibül, begrenzt von fünf dorischen Säulenpaaren) in die fensterlose Kuppelhalle.

Vorarbeiter Janek zeigt uns während des Besuches (geöffnet ist vorerst an den Wochenenden) Reste von Stalagmiten und Stalaktiten. So lange floss Wasser durch das beschädigte Dach. Das ist Geschichte, heute sind die Mauern trockengelegt. Auf der Insta-Seite des Bismarckturmes erfahrt ihr ständig neue Infos zu den Veranstaltungen. 

Derzeit läuft die Ausschreibung für das Legen der Wasser- und Abwasserleitungen für das weithin sichtbare Bauwerk auf dem Juloberg in Stettin-Gotzlow. „Die Einwohner meiner Heimatstadt haben den Bismarckturm längst als Eventlocation in Beschlag genommen. Auch Hochzeiten und Empfänge für Sponsoren gab es hier schon“, sagt Wojciech Klodzinski. Das Interesse an der Wiederherstellung ist groß. Viele, vor allem junge Stettiner, interessieren sich für die deutsche Geschichte ihrer Stadt. Davon hatten wir uns schon bei unserem Besuch im Technikmuseum, auf dem Zentralfriedhof und auf unserer Spurensuche zu den Wohnhäusern deutscher Stettiner überzeugen können.

Bismarckturm Stettin Polen

Auf einer Informationstafel vor dem Denkmal sowie eindrucksvollen Fotos in der Infomappe im Innern erfährt man Fakten zur Baugeschichte des Turmes. Insgesamt wurden um 1900 im Rahmen eines Architektenwettbewerbes rund 130 Entwürfe eingereicht. Ausgewählt wurde der Entwurf des Architekten Wilhelm Kreis (1873-1955).

Die Balustrade wurde komplett erneuert und gewährt weite Blicke über Oder und Stettin

Bismarckturm.Stettin.Polen

Blick auf Hotel und Restaurant Yachthafen an der Westoder

Bismarckturm.Stettin.Polen (

Blick auf Hafenareal und Stettiner Werft

Die Autoren Jörg Bielefeld und Alfred Büllesbach, Verfasser des Bandes „Bismarcktürme: Architektur, Geschichte, Landschaftserlebnis“ schreiben auf ihrer Homepage: „Finanziert wurde der mit 200.000 Mark Kosten weltweit teuerste Bismarckturm zum großen Teil durch Spendensammlungen.“ So wurden allein 60.000 Bismarck-Postkarten verkauft. Grundsteinlegung war anlässlich der Feier zum 100-jährigen Jubiläum der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1913. Wegen des 1. Weltkrieges erfolgte die Einweihung des Bismarckturmes im Sommer 1921.

Die gut dokumentierte Baugeschichte gibt auch Informationen zum Anliegen des Architekten. Vorbild für die Architektur war das Grabmal Theoderichs in Ravenna. Parallelen zum Bismarckturm auf den Elbhängen von Radebeul sind erkennbar. Wenngleich das Radebeuler Exemplar deutlich kleiner ist.

Bismarckturm Radebeul Foto: Weirauch Sachsen

Bismarckturm Radebeul Foto: Weirauch

Im Gegensatz zu den von uns in den letzten Jahren besuchten Bismarcktürmen in Burg im Spreewald, Rathenow im Havelland (Brandenburg) oder Bodenwerder oberhalb der Weser in Niedersachsen hatte der Stettiner Bismarckturm von Anfang an keine Feuerschale.

Hier weitere Informationen zum Bismarckturm in Stettin/Szczecin

So heißt es auf der Homepage: „Ab Mai 2023 ist es möglich, den Bismarckturm zu besichtigen und viele interessante Informationen von unserem Guide zu hören. Wir laden Sie jedes Wochenende von 10:30 bis 18:00 Uhr ein. Es besteht auch die Möglichkeit, Firmenveranstaltungen, Fotosessions, Musikvideos und Termine für Hochzeitszeremonien und Empfänge zu organisieren. Bitte kontaktieren Sie uns: Tel. +48 692 940 073, E-Mail: Tower@rentumi.pl Hier die Homepage:  https://tower.rentumi.pl

Zum Abschluss unseres Spontanbesuches im Bismarckturm von Stettin kauften wir eine Tasse mit dem Konterfei des Bauwerkes und wünschten dem Team um Wojciek Klodzinski viel Erfolg bei der denkmalgerechten Wiederherstellung des Denkmals. Noch viele Spenden werden notwendig sein, um den Bismarckturm im alten neuen Glanz erstrahlen zu lassen. Wir erinnern uns gern an den Besuch der Villa Lentza in der schönen Oderstadt, auch hier wird an die deutsche Geschichte erinnert.

Von den einst 240 Bismarcktürmen inner- und außerhalb Deutschlands gibt es noch 17 in der Republik Polen geben. Insgesamt existieren noch 164 Bismarcktürme weltweit. Hier erfahrt ihr mehr über Bismarcktürme in der Bundesrepublik und Polen: Webseite von Jörg Bielefeld, die sehr detailliert einzelnen Bauwerke beschreibt.

Buchempfehlung: Band Bismarcktürme: Architektur, Geschichte, Landschaftserlebnis von den Autoren Jörg Bielefeld und Alfred Büllesbach (Morisel Verlag)

Cover: Morisel Verlag

Cover: Morisel Verlag

Detaillierte Information zum Bismarckturm findet ihr auch auf dem Datenblatt.

Schaut immer mal auf die Facebookseite zum Bismarckturm in Stettin, dort berichtetet das kleine team über den Baufortschritt.

Bismarckturm am Rand von Stettin Polen

Bismarckturm am Rand von Szczecin

Wollt ihr mehr über Sehenswürdigkeiten in Stettin erfahren, dann schaut hier auf einfachraus.de