Alte und neue Gräber auf dem Zentralfriedhof in Stettin/Szczecin

Serie: Berühmte Friedhöfe in Europa: Zentralfriedhof in Stettin/Szczecin

Uns zieht es diesmal in die nähere Umgebung von Szczecin. Sehenswert ist der drittgrößte Friedhof Europas südwestlich der Stettiner/Szczeciner Altstadt (zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 8 und 10, Billets kann man in der Tram kaufen). Im Jahr 1901 wurde dieser heute größte Friedhof in Polen angelegt. Bis 1918 wurden die Hauptkapelle, das Haupttor und das Verwaltungsgebäude sowie einige der Panorama-Achsen errichtet. Nach und nach wurde der kommunale Friedhofsgarten mit seiner Fläche von rund 179 Hektar und mehr als 300.000 Gräbern zum Geschichtslesebuch, zum eindrucksvollen Botanischen Garten und zum Ausstellungsort für wunderschöne Grabsteine und Skulpturen.  Wer eine Stadt kennenlernen will und wie ihre Bewohner zu den Generationen vor ihnen stehen, der sollte sich auf dem Stettiner Hauptfriedhof umsehen. Ein mehrstündiger Spaziergang über diese bedeutende Nekropole lohnt sehr.

Aufgeschlagenes Geschichtsbuch

Der Friedhof besitzt den polnischen Status eines geschützten Nationaldenkmals. Und das zu Recht, wie ich meine.

Wir begegneten Bildwerke und eindrucksvolle Grabsteine. Eine Auswahl nur haben wir besucht. Beim Streifen über den großen Parkfriedhof hat uns ein im Internet von der Stettinformation erarbeiteter Führer geholfen. Und die Routenbeschreibung anhand von Schrifttafeln vor den Gräbern. Um nur einige Namen zu nennen: Helfried Kusthardt, Hugo Lederer, Professor Ludwig Manzel und Ernst Barlach sind einige der bekanntesten Künstler, die auf dem 170 Hektar großen Parkfriedhof mit Arbeiten vertreten sind.  Nicht alle haben wir gefunden.

Friedhofsgarten – Parkfriedhof

Der erste Friedhofsdirektor Georg Hannig war Gärtner und ein Theoretiker der Friedhofskunst. Vor mehr als einhundert Jahren wurden seine botanischen Ideen für den heutigen schönen Friedhofsgarten umgesetzt. Von der Stadtverwaltung wird auch ein botanischer Spaziergang über den Friedhof angeboten. Zahlreiche Bäume, Sträucher, Wald-, Park- und Gartenenklaven werden aber auch durch Tafeln in polnisch und deutsch vorgestellt.

Zusammen mit dem Informationsblatt der Stadtverwaltung kann man sich den Friedhof auch allein erschließen. Es dauert dann etwas länger, aber man trifft auch immer freundliche Menschen, die Hilfe anbieten. 

Hier die PDF

Uns half ein u.a. ein Friedhofsmitarbeiter, der uns hinter der Kapelle den Weg zum Lapidarium (Gedenkstätte der ehemaligen Stettiner Einwohner). Nach der Rekonstruktion des Friedhofes von 2006 bis 2007 wurden neben den erhaltenen Grab-Denkmälern zahlreiche Grabmäler aus deutscher Zeit von ihren ursprünglichen Ruheplätzen hierher umgesetzt. 

Spuren deutscher Geschichte

Der ältere Teil des Friedhofs wurde auf einer neuen Fläche in den westlichen Außenbezirken der Stadt eingerichtet. Entworfen wurde er von Wilhelm Meyer-Schwartau, einem damals renommierten Architekten aus Stettin. Insgesamt gibt es elf Alleen die als Parkwege in den Friedhof hineinführen. Immer wieder erwarten uns Überraschungen. Für uns ist ein Friedhof ein Geschichtsbuch: aufgeschlagen, stumm, vielsagend. Der Friedhof als Museum – er hat sogar günstigere Öffnungszeiten. Der Eintritt ist frei. Lediglich einen kleinen Obolus muss man zahlen, wenn man mit einem Auto/Bus bis zur Kapelle oder weiter fahren möchte.

Uns erinnert der Friedhof an den Südwest-Kirchhof in Stahnsdorf bei Berlin, 1909 ebenfalls als Wald-/Parkfriedhof angelegt. Beide Friedhöfe sind Kulturdenkmale europäischer Klasse. Dort ruht übrigens Prof. Karl-Ludwig Manzel, der in Stettin einige Kunstwerke, wie die Skulptur Herkules im Kampf mit Nessos, und den Brunnen unterhalb der Hakenterrasse schuf.

Und so lesen wir bei unserem Spaziergang über den Stettiner Zentralfriedhof wie in einem Geschichtsbuch … und treffen auf bekannte Namen. Frei nach Theodor Fontane: „Man sieht nur, was man weiß.“ beginnen wir unseren Rundgang am Haupteingang, linker- und rechterhand bieten Blumenläden bunte Sträuße und Arrangements an. Farbenfreudige Einrahmung für einen Ort der Besinnung und Erinnerung. Ein kleines Informationsblatt der Stadtverwaltung Szczecin (Stettin) ist uns eine große Hilfe auf unserer Erkundungstour.

Bernhard Stoewer – Autobauer und Industriepionier

Wir sind nicht das erste Mal in Stettin, haben bei unseren vorherigen Besuchen schon einige Namen, die mit der Geschichte der Stadt eng verbunden sind, kennengelernt: Hermann Haken als Oberbürgermeister Initiator der Haken-Terrasse; Bernhard Stoewer (Stettiner Industrieller – die Automarke Stoewer geht auf ihn zurück, aber auch die gleichnamige(n) Nähmaschine, Schreibmaschine u. Fahrräder).

Wilhelm Meyer-Schwartau (Stettiner Stadtplaner und Architekt, Mitglied des Stadtbaurates (Erbauer der Hakenterrasse, Rektoratsgebäudes der Pommererschen Medizinischen Universität Stettin (heute Westpommersche Universität für Technologie, an der Pulaskiego-Straße 10). 

1925 wurde die Kapelle um den Anbau eines Krematoriums am hinteren Teil erweitert.Bedrückend der Kriegsfriedhof mit dem 1967 enthüllten Denkmal der Waffenbruderschaft. Rund 3.000 sowjetische und über 300 polnische Soldaten, die bei den kriegerischen Auseinandersetzungen 1945 gefallen sind ruhen hier. 

Katyner Kreuz

Das Katyner Kreuz – ein sieben Meter hohes Kreuz, gestiftet von den Bewohnern von Szcecin, das zum Gedenken an die 20.000 polnischen Offiziere, Polizei- und Staatsbeamten aufgestellt wurde, die durch das NKWD (Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten/Narodny Kommissariat Wnutrennich Del der Sowjetunion) auf Befehl der Regierung der ehemaligen Sowjetunion ermordet wurden. 

Deportierten nach Sibirien

Eine rote Rose mit Schnee bedeckt weint am Denkmal der Deportierten nach Sibirien – einem Denkmal für die polnischen Bürgerinnen und Bürger, die zwischen 1768 bis 1953 in den Gefangenenlagern in Sibirien umkamen. Die Toten sind nicht vergessen. Sie mahnen. 

 

Im Wettbewerb „Sieben Wunder Polens“, der vom Magazin „National Geographic Traveler“ organisiert wurde, bekam der Zentralfriedhof  in Szczecin den fünften Platz. Auf dem Friedhof gibt es zwei gekennzeichnete Routen: die historische und die dendrologische. Hier eine Führungsroute, auch auf deutsch.

Konzert für diejenigen, die nicht vom Meer zurückgekehrt sind

Konzerte10.06.2023

Zentralfriedhof (vor der Hauptkapelle)

Der Konzertabend ist eine jährlich stattfindende Veranstaltung in der außergewöhnlichen Kulisse des Zentralfriedhofs, dem größten Friedhof in Polen und dem drittgrößten in Europa, der zugleich einer der schönsten Parks in Szczecin ist. Seit über 20 Jahren gedenken wir auf diese Weise den Menschen, die ihr Leben mit dem Meer verbunden und dort ihr Seemannsgrab gefunden haben. Das Konzert wird traditionell von einer Zeremonie begleitet, bei der eine Ehrenkompanie von Studenten der Universität für die Hochseefahrt in Szczecin teilnimmt. Die Musik wird von Lichtspielen begleitet, die zur unvergesslichen Stimmung des Abends beitragen. Die einzigartige Atmosphäre dieser Veranstaltung zieht jedes Jahr über tausend Besucher an.

Eintrittkarten online erhältlich auf bilety.fm

https://wydarzenia.szczecin.eu/wydarzenie/koncerty/fuer-diejenigen-die-nicht-vom-meer-zurueckgekehrt-sind?lang=de

Wir  beenden  unseren fast 4-stündigen Rundgang und fahren zurück in das Radisson blu Hotel. Wir sind durchgekühlt, aber voller Eindrücke und Ideen für eine nächste Reise nach Szczecin.

Hier weitere Informationen zu Stettin www.szczecin.eu

Adresse des Zentralfriedhofes 

• Cmentarz Centralny w Szczecinie (Zentralfriedhof Stettin)
  Ku Słońcu 125A, 71-080 Szczecin
• Öffnungszeiten: täglich von 7 – 18 Uhr

Übernachten: darüber später hier mehr. Radisson blu Stettin

Gut essen im Plenty:

Hier weitere Tipps für Euren Besuch in Stettin

Informationen über touristische Angebote in Polen gibt es beim Polnischen Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel

Seite der regionalen Tourismusorganisation  Tourismusorganisation West-Pomerania,  www.zrot.pl

Anreise nach Stettin: Stettin ist rund 160 Kilometer von Berlin entfernt.

Mit dem Auto über die A 11 oder A 20 direkt nach Stettin.

mit der Bahn

z. B. ab Berlin – Gesundbrunnen
Mit dem RE 66 direkt oder mit dem RE 3 bis Angermünde und von dort weiter mit der RB 66 nach Szczecin Glówny, Noch dauert die Fahrzeit rund zwei Stunden. Das soll sich ab 2025 ändern, schaut hier. Ticket-Tipp: Für Einzelreisende empfiehlt sich der VBB-Fahrausweis von Berlin nach Stettin (inkl. Berlin AB und Stadtverkehr Stettin)

Kann man in Stettin in Euro bezahlen ?

Ja, das ist möglich. Mein Tipp: immer einige Zlotys sollte man aber in der Tasche haben. Hier der Umrechnugsrechner.

Wo bekommt man Fahrten für ÖPNV oder Touristenkarten ?