Von Kärstin Weirauch

Acht Jahre nach seinem Tod erscheint nun im kanon-Verlag- von uns lang ersehnt – der dritte Band seiner Tagebücher mit dem Titel “ Ich beginne wieder von vorn. Tagebücher 2000-2001.“ Deren Edition begann im Februar 2022 mit „Ich sammle mein Leben zusammen“ und wurde 2023 mit „Ich bin zu zart für diese Welt“ fortgesetzt. Alle drei Bände wurden von Krista Maria Schädlich herausgegeben und mit einem Nachwort versehen. Erstere lösten Stürme der Begeisterung aus, sowohl bei den Kritikern als auch bei der Leserschaft, wie Schädlich im Nachwort des dritten Bandes bemerkt. In seinen Tagebüchern, deren Herausgabe Schädlich als seine langjährige Lektorin und Weggefährtin von seinen Kindern übertragen bekommen hat, kommt der „Jahrhundertkünstler“ in kraftvoller Sprache schnörkellos und in einer Wahrhaftigkeit daher, dass bei der Lektüre oftmals der Wunsch aufkam, seine klaren und ehrlichen Worte zu dem heutigen politischen Theater hören zu wollen. Doch er ist nicht mehr da, wir müssen unsere eigenen Schlussfolgerungen ohne die Meinung des in Ost und West verehrten Leinwand- und Fernsehlieblings, des Schriftstellers, Musikers und Lebenskünstlers für unser Tun finden. Wichtig, das gibt Manfred Krug vor, ehrlich zu sich und anderen zu sein, sich treu bleiben, Freundschaften pflegen, miteinander kommunizieren, helfen, wo man es kann, und auch zu genießen, Kulinarisches und Geistreiches … und vieles mehr.

Wenn uns danach ist, kommt Krug zu uns: so beispielsweise beim Hören seiner Platte „Tatort – die Songs“. Nach dem Fallen der letzten Klappe des „Tatort“ nach 16 Jahren am 11.11.2000 entfachte Krugs eigentliche Leidenschaft, das Singen, neu. Kraft schöpfte er auch durch gemeinsame Auftritte mit seiner Tochter Fanny. Auf der Heimfahrt nach einem gemeinsamen Konzert von Markneukirchen im Vogtland (Sachsen) am 7. November 2001, fragt Krug seine Tochter, was sie in ihrer Freizeit mache, „ob sie schön Tagebuch schreibe. Vielleicht werde ein nettes Büchlein daraus. ‚Fanny Krug – Meine letzte Tournee mit Papa“.  Vielleicht erleben wir es noch … 

Schädlich: „Bei aller Unbequemlichkeit seiner Person – er war auch ein Vorbild.“

Krug-Sprüche  aus dem Tagebuchband

über’s Altern: „Aber es ist immer zu früh zum Schwachwerden.“, „Alt werden ist ein einziges Leiden.“

über Politik

„Vom Gemüt sind alle Politiker geborene Diktatoren. Wenn sie abgewählt werden, vergessen sie deshalb nie den Hinweis „Das ist nun mal so in der Demokratie.“ Sie tun so, als wäre dies ihre Einsicht. Dabei ist es reine Wehmut.“ (geschrieben am Do 21.9.2000)

„Gregor Gysi hat eine brillante Abschiedsrede vor seiner Partei gehalten. Er konnte gar nicht anders, als in groben Urissen schon jetzt zu zeigen, woran diese Partei untergehen wird: an ihrer Doofheit. (Sa. 7.10.2000)

PDS – „Partei Der Spitzel“ Do 15.11.2001

über Hotels in Ost und West

„Ich gehe in mein trostloses Hotel (in München). Gott sei Dank hatte ich am Nachmittag schon einen Brotzeitteller bezahlt und in meinem Häßlichkeitszimmer in der Plastiktüte gehortet. Vorrat-Technik aus alten DDR-Tagen. Sonst hätte ich mit knurrendem Magen ins Federpulver-Bett steigen müssen. Bayern ist reich und aufgeräumt, ansonsten dasjenige deutsche Land, das der ehemaligen DDR am ähnlichsten ist.“ (Sa 9.9.2000)

„Wir schliefen in einem etwas trostlosen Privathotel. Die unterste Sorte Hotel erkenne ich daran, daß nicht einmal eine Flasche Wasser im Zimmer steht. So was gibt’s nur in der ehemaligen Zone. Es muß noch gelernt werden.“ (Do 10.5.2001)

„Das Hotel „Holiday Inn“ ist nicht zu empfehlen. Spülbecken läuft nicht ab, Silikonfugen unappetitlich usw. Im Restaurant war es schwer, etwas zu essen zu bekommen. Die Vorostung des Westens ist unaufhaltsam.“ (1.7.2001)

Und zum Schluss eine Frage:

Was ist ein Palindrom? Ein Wort, welches also vorwärts und rückwärts gelesen werden kann: Ehe Otto, Uhu.
Reliefpfeiler (hat Schopenhauer gefunden).

Es sind nicht nur sehr berührende persönliche Reminiszenzen des Schauspielers und Sängers, die Tagebuchnotizen geben auch einen plastischen Einblick in die Zeit vor 25 Jahren.  Zugleich kann es als eine Anamnese der kulturellen und touristischen Entwicklung in Ost und West angesehen werden,wie die oben genannten Zitate zu den Hotels beweisen. Davon gibt es im Buch noch viele weitere Beispiele. Es lohnt sehr da einmal länger rein zuschauen.

Manfred Krug, Ich beginne wieder von vorn. Tagebücher 2000-2001. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Krista Maria Schädlich. Kanon Verlag Berlin GmbH, 2024. www.kanon-verlag.de

Manfred Krug kanon Verlag

Manfred Krug Ich beginne wieder von vorn Cover: kanon Verlag ISBN 978-3-98568-026-9.

Der Nachlass von Manfred Krug kann im Archiv der Akademie der Künste eingesehen werden. Dazu gab es Mitte Oktober in Berlin eine Eröffnungsveranstaltung.

Manfred und Ottilie Krug fanden ihre letzte Ruhestätte unter einem Baum auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof.

Manfred Krug Stahnsdorfer Südwestkirchhof Friedhof

Ottilie und Manfred Krug Foto: Kärstin Weirauch