Das Jahr 2023 ist im Kloster Memleben ganz der Suche nach dem Herzen Ottos des Großen gewidmet. Dieser verstarb am 7. Mai 973 und „verlor“ damit sein Herz an/in Memleben. Gefunden wurde die Kapsel mit dem Herz bislang noch nicht. Das 1050. Todesjahr bietet Anlass genug, dass sich Wissenschaftler und Besucher gleichermaßen auf eine sogenannte „Tiefenfahndung“ am Originalschauplatz begeben. Neben der virtuellen Reise ins Mittelalter, welche Besucher mit Leihtables oder auch mit ihren eigenen Smartphones antreten können, zeigt eine Kabinettausstellung eine uswahl archäologischer Fundstücke, die bei Grabungen seit 2017 auf dem Memleber Areal ans Licht gekommen sind und die nun erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert werden. So blättern bisher unveröffentlichte Funde neue Facetten der Klostergeschichte und auch seiner mitunter 7500 Jahre alten Vorgeschichte des Ortes auf. Kleine, auf den ersten Blick unscheinbare Objekte ermöglichen bei näherer Betrachtung einen Erkenntnisgewinn.
Als Besucher tauchte ich während des Besuches im April 2023 zwischen archäologischen Funden und virtuellen Welten hinein ins Mittelalter, begab mich auf die Suche nach Ottos Herz und entdeckte virtuell wiederauferstandene Klosterkirchen, wandelte im virtuellen und auch echten Kreuzgang.
Noch nie waren wir der Zeit der Romanik so nah wie in diesem Jahr in Memleben. Vor meinen Augen erwachsen die Ruinen zweier mittelalterlicher Kirchen wieder zu ihrer alten Pracht. Objekten aus archäologischen Grabungen wird neues Leben eingehaucht. Die Erkundung der Klosteranlage im Hier und Jetzt wird gleichzeitig zum Spaziergang durch die verschwundenen mittelalterlichen Mauern. Wer auf der Straße der Romanik reist, kommt am Kloster Memleben nicht vorbei. Die steinernen Überreste erinnern an eine bewegte Vergangenheit. Doch es ist viel Fantasie gefragt, um sich die Vorgänge damaliger Zeit vor seinem inneren Auge vorzustellen.
Wenn wir die Klosteranlage heute besuchen, stehen wir vor einer eindrucksvollen Kirchenruine aus dem 13. Jahrhundert, doch das Dach fehlt seit Langem. Von der Kirche des 10. Jahrhunderts haben sich nur Ruinenteile erhalten. Ein nachgestellter Grundriss zeigt, wie außergewöhnlich groß dieser Bau einst war. Der Klostergarten ist nach dem Vorbild mittelalterlicher Gärten neu bepflanzt. Im Ausstellungsbereich entdecken wir mit interaktiven und audiovisuellen Elementen die wechselvolle Geschichte Memlebens. Zu guter Letzt überrascht die gut erhaltene spätromanische Krypta aus der Zeit um 1200, bei deren Anblick so manchem Gast der Atem stockt – hier braucht es keine moderne Technik, um den Geist des Mittelalters wahrhaftig zu spüren.
Dem Mittelalter nah
In diesem Jahr geht es statt vorwärts eben rückwärts in die Vergangenheit. Ich erlebe bei meinem Besuch in Memleben eine neue Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen. Wie das geht? Ganz einfach: Mit Hilfe modernster Augmented Reality Technik.
Zunächst erscheint alles wie immer. Alle steinernen Zeugen stehen an ihrem Platz. Nur eines ist anders: Der Besuch wird durch die Nutzung eines Tablets begleitet. Verschiedene Orientierungspunkte weisen mit QR-Codes den Weg durch das Kloster, der nichts mit dem bisherigen zu tun hat. Startpunkt ist der zentrale Aussichtspunkt, der einen Überblick über das Gelände erlaubt. Wer den QR-Code scannt, vor dessen Augen erwachen die Ruinen und Überreste der beiden Kirchen zum Leben. Egal bei welcher Bewegung, wir sind mittendrin – im Mittelalter.
Beim Verlassen des Aussichtspunktes beginnt die Reise durch die Zeit. Kirchenmauern und ein längst verlorener Kreuzgang entstehen. In nur wenigen Minuten bewegen wir uns in einem glanzvollen Ensemble, das es so heute nicht mehr gibt. Beim Blick nach oben verschwindet plötzlich der Himmel und wir finden uns im Innenraum der Memlebener Klosterkirche wieder. Weiter vorn erwecken die auferstandene Chorschranke und der Blick in den Chor den Eindruck, jederzeit könne das mittelalterliche Stundengebet beginnen.
Es wird nicht langweilig: einmal Archäologe sein
Bei zahlreichen Veranstaltungen wie Sonderführungen, Vorträgen und Wanderungen wird das Thema Archäologie in und um Memleben vertieft. Auch die jüngsten Besucher können als Schulklassen, zum Kindergeburtstag oder als Ferienprogramm bei den „Versteckten Ermittlungen“ als Nachwuchsarchäologen spannende Funde zu Tage befördern und untersuchen.
Und der Nachwuchs wird dringend benötigt, denn es ist fraglich, wann das Herz tatsächlich gefunden wird, wie viel Erde noch umgegraben werden muss und wie viele Generationen an Archäologen es noch nach Memleben ziehen wird, um alle offenen Fragen zu beantworten. Es ist und bleibt spannend, welche verborgenen Geheimnisse der Sterbeort Ottos des Großen in naher Zukunft noch preisgeben wird.
Das Kloster Memleben ist eine Station auf „Des Kaisers letzte Reise“. Hier laden seine letzten Aufenthaltsorte (Magdeburg, Memleben, Merseburg, Quedlinburg, Walbeck) auf eine gemeinsame Entdeckungstour ein und bieten spannende, ortsbezogene Projekte.
Öffnungszeiten:
Bis 31.10.2023 täglich 10 – 18 Uhr
Adresse: Museum Kloster und Kaiserpfalz Memleben; Thomas-Müntzer-Straße 48
06642 Kaiserpfalz OT Memleben; Tel.: 034672 60274
Mail: info@kloster-memleben.de;
Mehr im Internet unter: www.kloster-memleben.de
Hier erfahrt ihr mehr zur Magdeburger Ausstellung „Welche Taten werden Bilder ?“
Wissenswertes gibt es auf der Seite des Zentrums für Mittelalterforschung mit Sitz in Magdeburg.
Weitere Informationen zu Kaiser Otto I. und die Straße der Romanik gibt es hier.
Die Recherche auf den Spuren Kaiser Otto I. und zu 30 Jahre Straße der Romanik wurde unterstützt von der IMG Sachsen-Anhalt.
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