Die Reihe „Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ des Essener Klartext-Verlags will den Dingen auf den Grund gehen. Hinter die Fassade zu schauen, Vertrautes neu zu entdecken, über Unbekanntes zu staunen – dazu lädt auch die Ausgabe „Thüringen“ ein. Schon die Titelseite bringt wohl Thüringens bekanntesten „Leckerbissen“ auf’s Tablett: Die Bratwurst. Mit dem Kultmoped „Schwalbe“ aus Suhl auf den Rennsteig, dem bekanntesten Höhenweg des Thüringer Waldes? Das geht wohl nicht, wohl aber könnte man mit ihr die Wartburg erklimmen. Dort, wo Martin Luther, oder besser Junker Jörg, einst ein Tintenfass an die Wand seiner Schreibstube geworfen hat. Oder doch nicht?
Auf jeden Fall ist der Slogan „Das grüne Herz“ für Thüringen belegt. Hier erfahrt ihr mehr über die Wartburg.
Krüger schreibt: „Zweifelsohne hat Goethe den 861 Meter hohen Kickelhan und mit ihm den Thüringer Wald berühmt gemacht. Ausgangs des 19. Jahrhunderts erfand der Reiseschriftsteller August Trinius die dazu passende perfekte Werbebotschaft. Er pries das waldreiche Thüringen als das grüne Herz Deutschlands. Während der Schriftsteller Trinius weitgehend vergessen ist, ist sein Spruch bis heute in vieler Munde.“
Münchner Theresienwiese – Namensgeberin kam aus Thüringen
Nicht nur an den Stammtischen ist die Auffassung weitverbreitet, dass unsere Bierkultur auf die Bayerische Landesordnung von 1516 zurückgeht. Krüger klärt uns auf: Die weltweit größte Volksbelustigung findet im Oktober in München auf der Theresienwiese statt. O’zapft is! Das Wissen der Biertrinker über das Oktoberfest und das Reinheitsgebot ist laut Mirko Krüger „recht trüb“. Denn ohne die Thüringer wären beide Traditionen schwer vorstellbar. So wurde die Festwiese beispielsweise nach der Thüringer Prinzessin Therese Charlotte Luise Friederike Amalie von Sachsen-Hildburghausen – kurzum nach Therese benannt. „Anno 1810 ließ sich die Thüringerin vom bayerischen Kronprinzen Ludwig freien. Fünf Tage nach der Hochzeit, die am 12. Oktober stattfand, feierte München das königliche Ereignis mit einem Pferderennen. Rund 30.000 Besucher sollen damals zusammengeströmt sein. Die für dieses Fest benötigte Wiese wurde kurzerhand nach der Thüringerin benannt.“ Bereits 300 Jahre vor diesem Ereignis hatten zwei bayerische Herzöge 1516 in einer „bierernsten“ Landesordnung erlassen, dass „zu keinem Pier merer Stuckh dann allain Gersten Hopfen unnd Wasser genomen unnd gepraucht sölle werden“. Diese Verordnung gilt weithin als Geburtsurkunde des Reinheitsgebots.
Thüringer Reinheitsgebot lange vor dem Bayerischen
Tatsächlich war in Weimar schon im Jahre 1433 eine ähnliche Brauordnung erlassen worden. Danach soll kein Brauer etwas anderes in sein Bier tun „als Malz und Hopfen, kein Steinwurz und Harz“. Krüger vermutet, dass eine solche Verordnung nötig wurde, um die Verbraucher vor gepanschtem Bier zu schützen. Ja, die Thüringer haben lange vor den bayerischen Herzögen ihre Maßgaben zur Herstellung von Bier verkündet.
Das Bauhaus und Weimar
1923 findet in Weimar die erste Ausstellung der 1919 gegründeten Kunstschule Bauhaus statt. Für den Verfasser des Bauhaus-Manifestes Walter Gropius stand fest: „Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau!“ Das Bauhaus war eine Idee, die von Thüringen aus die Welt eroberte. Sie prägte nicht nur internationale Architektur, sie sorgte ebenso für etliche Design-Klassiker – von der Teekanne über Lampen bis hin zu Stahlrohr-Möbeln. Zur gleichen Zeit nahm die verfassungsgebende Nationalversammlung der Weimarer Republik ihre Tätigkeit auf. „Die Geschichte des Bauhauses blieb fortan mit der des Reichs aufs Engste verknüpft. 1933, wenige Monate nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, musste es sich auflösen.“
Wer mehr über die Geschichte des Bauhauses erfahren möchte, dem empfehlen wir einen Besuch des 2019 in Weimar eröffneten Bauhaus-Museums.
Mirko Krüger, Thüringen. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten. Klartext-Verlag. Essen 2022. ISBN 978-3-8375-2507-6. www.klartext-verlag.de
Hier erfahrt ihr mehr zur Musikgeschichte der südthüringischen Stadt Meiningen.
Es ist eine inspirierende Buchreihe Populäre Irrtümer und Wahrheiten aus dem Klartext Verlages. Lesenswert sind beispielsweise Potsdam und Preußen.
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